Im Zug von Irkutsk nach Ulaanbaatar (Yлaaнбaaтap) teilen wir unser Abteil mit Nina, einer jungen Österreicherin, die nach der dreiwöchigen Summerschool in Irkutsk nun noch einen Abstecher in die Mongolei und nach China machen will. Nina studiert in Wien Umweltmanagement und so können wir uns über das fehlende Umweltverständnis der Russen und die Sünden auf Olkhon austauschen.

Unser Zug ist diesmal ein chinesischer, der von Moskau aus bis nach Peking fährt. Das erkennen wir zum einen an den chinesischen Schriftzeichen, die den Zug beschriften, zum anderen an unserem chinesischen Zugbegleiter, an dem wir schonmal unser Ni hao ausprobieren können. Der Zug fährt viel ruhiger und auch etwas langsamer als der russische Zug mit dem wir von Moskau bis nach Irkutsk gereist sind. Wir legen uns hin und schlafen sofort ein. Irgendwann kurz nach Sonnenaufgang wache ich noch einmal kurz auf und springe sofort aus meinem Bett. Ich habe auf der Karte gesehen, dass wir zu Beginn der Strecke direkt am Baikalsee entlang fahren und möchte nochmal einen letzten Blick auf den See genießen. Als ich aus dem Fenster schaue bietet sich mir ein wunderbar idyllisches Bild. Der Himmel ist hell rosa, die aufgehende Sonne scheint durch den morgendlichen Nebel hindurch auf den spiegelglatten See, der direkt vor meinem Fenster liegt. Wir fahren sozusagen über den Strand und ich kann die einzelnen Fischer, die in ihren kleinen Bötchen sitzen und mit ihrer Angelrute versuchen ein paar Fische anzulocken im Gegenlicht als schwarze Siluetten erkennen. Leider lässt sich sie Szene mit dem Fotoapparat nicht einfangen und so gehören die Bilder ausschließlich meiner Erinnerung.

Wir schlafen alle drei bis mittags, das tut gut! Es gibt Müsli zum Frühstück, dann ein bisschen entspannen, quatschen, schreiben, rumlaufen, dann Mittagsessen: Instant-Kartoffelbrei – lecker!

Vor der Grenze halten wir nur einmal, in Ulan-Ude (übersetzt: Roter Fluss), wo wir uns sonnen und uns die Beine vertreten können. Dann geht es weiter Richtung Russisch-Mongolische Grenze. Wir haben schon allerlei Geschichtchen gehört: Bis zu 12 Stunden kann man da rumstehen bis alle Kontrollen abgeschlossen sind, oder die Grenzbeamten betrinken sich mit Wodka und werden mit russischen Frauen auf Trapp gehalten. Wir machen uns auf alles gefasst.

Gegen Abend erreichen wir dann die Grenze. Unser Zugbegleiter sagt uns wir hätten zunächst zwei Stunden Aufenthalt. Am Bahnhof ist nichts los: Keine Verkäufer, keine Souvenirs, nix. Dabei haben wir russische Rubel auszugeben, von denen wir uns jetzt Wasser, Cola und Kekse kaufen. Zusammen mit anderen Reisenden (einem finnischen Pärchen, einem Belgier mit seinem Vater, zwei Franzosen und einer koreastämmigen Britin) stehen wir auf dem Bahnsteig herum, kämpfen gegen die mit der Dämmerung auftauchenden Mücken und versuchen so die Zeit totzuschlagen. Nach zwei Stunden werden wir tatsächlich wieder in unsere Waggons gescheucht. Doch weiter fahren wir erst nach einer weiteren Stunde. Zwischendurch kommen immer wieder Kontrolleure in unser Abteil, leuchten alles mit einer Taschenlampe aus oder lassen einen süßen Cockerspaniel alles abschnüffeln. Dann bekommen wir endlich unsere Pässe, die wir zwischendurch abgeben mussten, gestempelt zurück. Laut Pass haben wir Russland bereits verlassen.

Im Dunkeln geht es weiter. Jetzt dürfen wir noch nichtmal den Kopf aus dem Fenster strecken. Wir fahren durch Niemandsland und werden von uniformierten Soldatinnen eskortiert. Ein riesiger Streifen Land, der zu beiden Seiten von hohem Stacheldraht begrenzt wird, trennt Russland und die Mongolei voneinander. Nach ein paar Kilometern halten wir erneut: Jetzt kommt die Mongolische Grenze. Hier erwartet uns in etwa nochmal die gleiche Prozedur: Pässe abgeben, warten, Einreiseformular ausfüllen, warten, Zollangaben machen, warten, Abteil durchsuchen lassen, warten. Zwischendruch wird anscheinend der Essenswagen ausgewechselt: Ständig rumst und wackelt es, so dass wir immer wieder aus dem Schlaf gerissen und dabei fast aus dem Bett geworfen werden. Zum Glück wird jede Erschütterung mit einem kleinen Pfeifen der Lok angekündigt, so kann man sich immer schon bereit machen.

Nach Mitternacht sind dann endlich alle Formalia geklährt. Wir bekommen unsere Pässe inklusive mongolischem Stempel wieder und dürfen uns schlafen legen. In Ulaanbatar ist es wieder eine Stunde später, obwohl wir weiter nach Osten fahren. Für uns bedeutet das eine Stunde länger schlafen!

Um halb sechs werden wir unserem Zugbegleiter geweckt. Wir fahren durch die aufgehende Sonne auf das qualmende Ulaanbaatar zu. Schon von Weitem können wir seine rauchenden Schornsteine im Gegenlicht erkennen, ein faszinierender Anblick, der das Umweltbewusstsein der Mongolen bereits erahnen lässt.

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Ulaanbaatar (übersetzt: Roter Held) in der Morgenröte.

Am Bahnhof der Hauptstadt werden wir sofort abgefangen von mehreren Personen, die uns in ihr Hostel locken wollen. Eine Frau trägt ein Schild mit der Aufschrift „Golden Gobi“ und bietet uns an, uns kostenlos hinzufahren. Super, da wollten wir sowieso hin. Alle drei werden wir in den kleinen Minibus verfrachtet. Dazu kommen noch zwei Italiener. „Welcome to Mongolia“, lacht unsere Reisebegleiterin. So viel Freundlichkeit sind wir aus Russland gar nicht gewohnt! Wir fahren beglückt durch die Innenstadt Ulaanbaatars und lernen schonmal die wichtigsten Dinge: Wie geht’s heißt auf Mongolisch „Sayn bayna uu?“ und auf der Hauptstraße, der Peace Avenue, muss man sich vor Pick-pockets, Taschendieben, in Acht nehmen.

Im Golden Gobi bekommen wir erstmal ein leckeres Frühstück bestehend aus Tee oder Instantkaffe und Marmeladenbroten. Wir essen uns satt, warten auf unsere Betten und haben schon die Möglichkeit mit anderen Backpackern zu quatschen. Wir erfahren, dass die meisten – eigentlich alle – anderen Reisenden irgendwo eine Tour gebucht haben. Diese Touren durch die Mongolei fallen ganz unterschiedlich aus. Alles zwischen einem und zwanzig Tagen ist möglich. Auch die Routen sind unterschiedlich: In den Nordwesten zum berühmten Khövsgöl Nuur, der kleinen Schwester des Baikal, den Süden zur Wüstentour in der Gobi, die Zentralmongolei in die Berge der Arkhangai-Region oder in die Steppe des Ostens. Das Rundum-Sorglos-Paket ist sicherlich reizvoll: Man wird im Geländewagen durch die Gegend gefahren, macht zwischendurch vielleicht mal eine Wanderung durch die Steppe oder einen Tagesausflug auf mongolischen Pferden, übernachtet in den traditionellen Jurten (den Zelten – Gers – der Nomaden) mongolischer Familien bzw. touristischer Ger-Camps, wahlweise auch im eigenen Zelt oder im Hotel und wird dabei die ganze Zeit voll verpflegt. Doch die Touren haben auch ihren Preis. Pro Tag kann man da schonmal mit 50 bis 100 US$ pro Person rechnen. Bei einer 10-Tages-Tour ein kleines Vermögen für uns Low-Budget-Reisende. Wir hören uns die Pläne der anderen an und werden ein wenig frustriert. Ist es denn nicht möglich allein etwas von Land und Leuten mitzubekomme?

Endlich bekommen wir unsere Betten in einem Sechs-Bett-Zimmer zugeteilt. Wir laden unser Gepäck ab und machen uns gleich auf den Weg in die Stadt. Unser Plan: Entweder eine günstige Agentur finden, über die wir so eine Tour buchen können, oder uns wenigstens Infos darüber beschaffen, wie und wo wir am besten indiviudell reisen können.

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Der State Department Store, das Herzstück der Stadt.

Im State Department Store, direkt gegenüber von unserem Hostel kann man alles kaufen was das Herz begehrt. Die Auswahl an Gebäck, Obst, Gemüse, Käse, Getränken, Keksen usw. ist erschlagend. Uns fällt auf, dass es unheimlich viele deutsche Produkte gibt. So entdecken wir „Grafschafter Apfelschmaus“ oder „Schokorosinen“, „Rote Grütze“, „Spreewald Bio Apfelmus“, „Schokolinsen“, das Roggenmehl von der Biomarke von EDEKA oder Produkte der Marke „Gut und Günstig“. Wir decken uns ein. Auch sonst bietet dieses einzigartige Kaufhaus auf seinen sechs Etagen Produkte auf europäischem Standard – und zu europäischen Preisen. Es gibt eine Juwelierabteilung, Outdoor Ausrüstung, eine Abteilung für traditionell mongolische Produkte (Fellmützen und -jacken, Reliefbilder aus Holz, Wandteppiche, Filzschuhe, Stiefel aus Pferdeleder, Seiden- und Filzmäntel, Buddhistische Symbole und und und), eine Multimediaabteilung und sogar einen Fitness Club. Staunend sehen wir uns um, dann verschwinden wir wieder auf die hektischen Straßen Ulaanbaatars.

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Auf den Straßen Ulaanbaatars herrscht das ganz normale Chaos: Obwohl der rote Reiter steht, gehen alle.

Wir wühlen uns durch den undurchdringlichen Verkehr der versmogten Hauptstadt. Überall wird gehupt. Ampeln werden nicht wirklich ernst genommen. Wenn grün ist, muss man aufpassen nicht überfahren zu werden, hat man rot, stürzt man sich trotzdem todesmutig in den Verkehr. Doch irgendwie scheint alles zu fließen. Mit ein bisschen Hupen und Drängeln geht es bald wieder ein paar Meter vorwärts.

Wir versuchen es mit einem Taxi, wollen zu einem deutsch-österreichischen Guesthouse, da wir uns dort noch ein paar Tipps erhoffen – und vielleicht ein leckeres Stück Käsekuchen. Offizielle Taxen gibt es in Ulaanbaatar nicht. Wir gucken uns einfach bei den Mongolen ab wie man einen privaten Autofahrer zum Anhalten bewegt: An den Straßenrand stellen (am besten in der Nähe einer Bushaltestelle), den Arm raushalten (Handfläche zeigt nach unten) und verzweifelt gucken. Soweit so gut. Es dauert nicht lang und einer hält für uns. Wir fragen nach seinem Preis: 500 Tögrög pro Kilometer. Alles klar, so haben wir es auch im Lonely Planet gelesen. Im Auto erleben wir den Verkehr mal aus einer anderen Perspektive: Geradeaus fahren gibt es in Ulaanbaatar nicht! Ständig weichen wir anderen Autos oder Bussen aus, die sich rücksichtslos auf die Fahrbahn drängeln, überfahren fast ein paar Fußgänger, drängeln uns selbst in freiwerdende Lücken und das wichtigste: Hupen – um andere aus den Weg zu scheuchen oder einfach nur um auf uns aufmerksam zu machen. Auch als sich der dichte Verkehr, der an Rush-Hour erinnert (dabei ist es erst mittags), ein wenig lichtet, schafft es unser Fahrer nicht geradeaus zu fahren. Entweder er weicht den vielen Schlaglöchern aus oder er tut es einfach aus Gewohnheit.

Im Oasis Café werden wir leider auch nicht schlauer. Die deutsch-österreichischen Besitzer sind heute leider nicht da. Dafür können wir ein wenig die Geländewagen der anderen Reisenden bewundern, wie wir uns auch mal ein kaufen wollten. Mit diesen vollausgestatteten Gefährten kann man sicher eine tolle – und einsame – Zeit in den Weiten der Mongolei verbringen! Mir fällt auf, dass die Besitzer dieser tollen Autos alle schon ein wenig älter sind als wir. Vielleicht braucht es einfach das nötige Kleingeld und ein bisschen mehr Erfahrung um sich so ein Ding zuzulegen. Vielleicht also später.

Neidisch auf die älteren Traveller aber gestärkt durch ein leckeres Stück Käsekuchen kämpfen wir uns auf der Rückbank unseres nächsten Taxifahrers wieder zurück ins Zentrum. Diesmal spricht unser Fahrer sogar ein paar Brocken Deutsch. Er habe es in der Schule gelernt. Wir plaudern ein wenig, dann fragt er uns was wir von Adolf Hitler halten. Was die Leute immer mit ihm haben? Als wäre er ein aktueller Politiker in Deutschland.

Beim Aussteigen wird die nette Atmosphäre dann jäh zerstört als er von uns viel zu viel Geld verlangt. Acht Kilometer sei er gefahren, sagt er. Wir handeln ihn auf sieben runter. In Wirklichkeit waren es wohl eher fünf. Naja, an die Abzocke müssen wir uns wohl langsam gewöhnen, so scheint es uns. Zwar werden wir freundlicher begrüßt als in Russland, hintenrum versucht man aber immer das maximale Geld aus uns herauszuholen. Touristen sind hier wandelnde Goldesel.

Geschafft und dreckig erreichen wir nachmittags wieder unser Hostel. Wir haben uns dazu entschieden zusammen mit Nina in den nächsten Nationalpark zu fahren: Terelj (Tзpзлж). Zwar ist es dort am touristischten, dafür aber auch am wahrscheinlichsten spontan eine Unterkunft zu finden und die Anbindung an Ulaanbaatar am besten. Der Bus geht am nächsten Vormittag um 11 Uhr.

Einen Mitarbeiter des Hostels wollen wir nach einer günstigen Gelegenheit fragen, mongolisch Essen zu gehen. „Hello, my name is Bob“, stellt er sich uns vor. „Yeah. We already met this morning“, murmelt Nina. Er erklärt uns den Weg. Ist es billig? Ja. Ist es gut? „Cheap is cheap“, ist seine vielsagende Antwort. Na gut, wir versuchen unser Glück. Tatsächlich bezahlen wir für frittierte Fleischtaschen, gebratene Nudeln, Reis und Getränke zusammen etwa fünf Euro. Und geschmeckt hat es eigentlich auch.

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, um meinen letzten Russlandbericht abzuschicken. Wir machen uns bereit und teilen uns auf dem Weg zur Bushaltestelle auf. Ich gehe einkaufen, Nina einen Platz im Bus für uns freihalten, Christian geht Geld holen. Vollbeladen mit meinem Reisegepäck und zwei Einkaufstaschen voll Proviant schlängele ich mich durch das Gewusel auf dem Gehweg. Die Leute schauen mich neugierig an. So eine große Frau mit blonden Haaren kommt ihnen wohl seltsam vor. Blöderweise weiß ich gar nicht genau wo die Bushaltestelle, von der wir losfahren, überhaupt ist. Ich laufe erst über eine Kreuzung, finde aber nichts, dann laufe ich wieder ein Stück zurück, finde eine Bushaltestelle aber die anderen beiden sind nicht da. Verzweifelt krame ich mein Handy heraus, will Christian anrufen. Es ist bereits zehn von elf. Mein Handy funktioniert sogar aber Christian ist nicht erreichbar. Am Ende meiner Kräfte laufe ich wieder zurück zur Kreuzung und halte Ausschau. Nirgendwo kann ich die zwei Europäer mit den großen Reiserucksäcken entdecken. Ich finde mich mit dem Gedanken ab, dass es eine doofe Idee war sich aufzuteilen und ich wohl nicht um 11 Uhr in den Park fahren werde. Ich laufe wieder zurück zur Haltestelle und entdecke zwei europäische Jungs mit großen Rucksäcken, die ich nach dem Bus nach Terelj frage. Da kommt mir auch schon Christian entgegen. Kaum sitze ich im Bus, springt dieser auch schon an und fährt los. Das war knapp! Zitternd und vollkommen erledigt werde ich erstmal von Nina mit Schokokeksen versorgt.

Erst muss sich der Bus noch geduldsam gemeinsam mit allen anderen Autos durch die Hauptschlagader der Stadt zwängen, dann wird es langsam lichter und wir verlassen die Stadt. Endlich sehen wir wieder etwas von der Natur um uns herum. Leider ist es jedoch etwas diesig und so wirken die trockenen Grashügel und die Jurten eher etwas traurig. Immer mehr Jurten mischen sich unter die Steinhäuser. Die Menschen am Stadtrand leben lieber traditionell. Auch die Tiere werden häufiger. Ein paar Ziegen stehen in der Gegend rum, auf der Wiese weiden Kühe das staubige Gras, der Blick kann weiter schweifen und so erblicken wir bald nur noch vereinzelte Jurten und ab und zu einen einsamen Menschen zu Fuß oder Pferd.

Von den Mongolen im Bus werde ich ununterbrochen angeguckt. Kleine Kinder und Mädchen mustern mich und lächeln sobald ich sie anlächele. Alte Damen gucken verlegen weg, sobald ich ihren Blick erwidere. Aber alle sind sie neugierig. Und vor allem die Frauen, sehen sie doch, dass ich eine Frau bin, aber was für eine? Trage ich meine Haare offen, verstärkt sich die Reaktion deutlich.

Je weiter wir uns entfernen, desto schöner wird die Umgebung. Erst halten wir noch in einem nahe gelegenen Dorf auf und werden dort neu betankt, dann verschwinden wir endgültig hinter weiten Hügeln. Die Landschaft verändert sich ein wenig als plötzlich überall Felsen aus dem Boden ragen: Von Wind und Wetter gerundete und geformte Sandsteinformationen. Wir erkennen überall Turtle Rocks und schauen zu den verlassenen Ger-Camps in den Tälern hinüber. Wir schlängeln uns immer weiter durch die Felslandschaft bis der Wald überwiegt und wir die Felsen und Ger-Camps hinter uns lassen. Nach zwei Stunden erreichen wir Terelj, die Endstation unseres Buses. Wir werden rausgeschmissen und versuchen uns anhand der oberflächlichen Lonely Planet Karte zu orientieren. Wir wollen zu Beert, einem Holländer, der in der Nähe eine Eco Lodge betreiben soll, dort Gers vermietet und seinen eigenen Käse herstellt. Laut Lonely Planet soll die Übernachtung ohne Essen 6 US$, mit Essen 16 US$ kosten. Auf der Karte sieht es auch ziemlich nah aus. So weit so gut. Nur den Weg zu finden stellt sich als eine Herausforderung heraus. Die „Hauptstraße“ führt uns zu einem winzigen Supermarkt. Drinnen fragen wir nach dem Weg, aber keiner weiß wovon wir reden. Wir laufen weiter, auf der Suche nach einem Hotel, in dem wir nach dem Weg fragen können.

Wir fragen erst im 5-Sterne-Hotel am Ortseingang. Ein imposantes Sicherheitstor trennt die Straße von einer großzügigen Auffahrt. Beeindruckt laufen wir auf den Eingang mit elektrischer Tür zu. Mit unseren riesen Reiserucksäcken geben wir sicherlich ein untypisches Bild ab. Der Empfangssaal beeindruckt uns alle drei: Kronleuchter mit Kristallglas, hochwertige Teppiche, Marmorsäulen und  -verzierungen, Loungesessel, schwere Vorhänge und Goldtapete. Wow! Die Dame am Empfang spricht natürlich Englisch. Doch den Weg zu Beert kennt sie nicht. Ok, also verlassen wir das Schlösschen mit eigenem Tennisplatz, Swimming Pool und mehreren Golfplätzen wieder. Wer sich hier – mitten im Nirgendwo – wohl für 250 bis 3500 US$ (Präsidentensuite) die Nacht einquartiert??

Direkt nebenan liegt das UB2 Hotel, ein bisschen altmodisch aber dennoch mit eingenem Golfplatz und Jurtenpark im Garten. Leider hat auch hier noch niemand was von Beert, the Dutch man, gehört. Also wieder zurück in den Ort. Es gibt noch ein weites Ger-Camp: Sol. Dort bekommen wir endlich unsere Wegbeschreibung. Ein Mongole, der zwar kein Wort Englisch spricht, dafür aber zu wissen scheint, wer Beert ist und wo er wohnt, malt uns mit einem Stein die Beschreibung in den Boden: Wir müssen zurück zum UB2, daran vorbei laufen, dann über eine Brücke, danach rechts und dann immer geradeaus. Fünf Kilometer schätzt er die Entfernung.

Also los! Wieder am Luxushotel und am UB2 vorbei. Wir müssen erst auf das Gelände des UB2, dann kommt tatsächlich ein Fluss, über den eine eiserne Brücke führt. Wir laufen noch ein Stück geradeaus, da kommt schonwieder ein Fluss, über den diesmal keine Brücke sondern mehrere ins Wasser geworfene Baumstämme und dicke Äste führen. Wir balancieren. Mit den dicken Wanderschuhen und den schweren Rucksäcken voll Proviant gar nicht so einfach!

Dann geht tatsächlich ein Weg rechts ab. Wir biegen ein und uns wird an der nächsten Jurte bestätigt, dass es hier zu Beert geht – plötzlich scheinen alle zu wissen wohin wir wollen. Also weiter. Vorbei an einzelnen Jurten und einem süßen Hexenhäuschen. Unterwegs halten wir ein Auto an und fragen nochmal nach. Jaja, von Beert haben sie gehört. Aber es ja noch sooo weit: Fünf Kilometer oder so! Kein Problem, wir haben gesunde Beine.

Ein Ärmchen des Flusses begleitet uns weiter und wir müssen es noch einmal überqueren. Auch hier liegen ein paar schmalere Stämme und Äste als Hilfe im Wasser. Doch das Flüsschen ist an den meisten Stellen so flach, dass wir mit unseren Plateau-Schuhen auch von Stein zu Stein das andere Ufer erreichen.

Wir lassen das Flüßchen und die Bäume hinter uns und betreten weites Grasland. Links von uns heben sich die Berge bis auf eine Höhe von über 2000 Metern. Im Tal befinden wir uns jedoch bereits auf etwa 1000 Metern Höhe. Vor uns erstreckt sich Grasland, das den Blick auf ein Panorama entfernter Berge zulässt. Rechts gibt es ab und zu ein paar Jurten, dahinter die Bäume und vermutlich auch den Fluss vor waldigen Hügeln und weiteren Bergen.

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Auf der Suche nach Beert.

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Wir laufen geradeaus immer weiter ins Grasland hinein. Die Jurten werden immer spärlicher und wir können nichts ausmachen, dass wie eine Eco Lodge aussieht oder vielleicht ein Schild hat, an dem wir Beerts Unterkunft erkennen könnten. Irgendwann kommt uns wieder ein Geländewagen entgegen. Beert? Wieder zurück? Bei dem Haus mit dem „red roof“ bei den „many gers“. Alles klar, wir drehen um. Das Haus mit dem roten Dach und den vielen Jurten ist ziemlich am Anfang des Graslandes, eigentlich ganz  in der Nähe des kleinen Flüßchens, das wir überquert habe.

Zwei Mongolen spülen gerade Töpfe und Geschirr in großen Metallwannen und machen lachend die Geste zum Essen. Essen? Gerne! Aber erstmal begrüßen wir den Hausherrn: Beert ist ein etwa 1,80 m großer, knollnasiger und etwas dick-bäuchiger End-Fünfziger in dreckigen Jeans und ebenso dreckigem rotem Fleecepulli.

Er habe die letzten Tage so viele Leute da gehabt, erklärt er, da sei noch so viel aufzuräumen. Aber wenn wir mit anpacken würden, dann würde er sicherlich eine Lösung für uns finden. Ob wir Full-Ger (Essen inklusive) oder nur Ger wollten, sei uns überlassen. Wir lassen die Frage erstmal offen – was sich später als eine Dummheit herausstellt – und hoffen auf eine warme Mahlzeit am Abend.

Wir beziehen unser Ger. Ein kleiner mongolischer Junge begleitet uns. Wir sind erstaunt als er plötzlich anfängt mit Beert – seinem Vater! – Holländisch zu sprechen. Mit uns redet er sehr gutes Englisch.

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Unsere erste Jurte!

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Unsere Jurte gefällt uns sehr. Von innen ist sie geräumiger als sie von außen aussieht. An der Wand stehen kreisförmig um den Holzofen in der Mitte die schmalen Holzbetten. Auf den Betten liegen Decken und ein Kissen auf einem Holzbrett. Außerdem gibt es einen niedrigen Tisch mit traditioneller Bemalung: orange Grundfarbe, darauf Schnörkel- und Kringel-Muster in allen Farben. Die kleinen Hocker sind dazu passend bemalt. Auch die Holzstreben, die die Zeltdecke halten, sind orange bemalt. Die Zeltwand besteht aus dickem Stoff von außen und Tierhaut und Filz von innen. Oben ist die Jurte offen wobei die eine Hälfte des Dachen mit einem dicken Stoff bedeckt ist. Das Kaminrohr ragt an der offenen Seite nach draußen. Die Holztür, ebenfalls kunstvoll bemalt, ist mit 1,50 m zum Kopfstoßen prädestiniert. Mit ein bisschen Übung schwellen die Beulen bald wieder ab.

Beert läd uns zum Tee ein. Auf den kleinen Höckerchen sitzen wir am langen Esstisch vor dem Küchenzelt. Wir bekommen Teekonzentrat und heißes Wasser in zwei hohen alten Thermoskannen. In der Sonne, die sich über den Nachmittag hinweg durch die Wolken gekämpft hat, lässt es sich gut aushalten.

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In der Nachmittagssonne mit Nina, Tamara und Selina.

Selina, ein Mädchen aus Bayern, gesellt sich zu uns. Sie ist 9 Jahre als, kommt jetzt in die 4. Klasse und macht mit ihrer größeren Schwester Tamara (10) und ihrer Mutter Sabine Urlaub in der Mongolei. Wir fragen die Mädchen ein wenig aus und machen dann noch einen gemütlichen Spaziergang in der Nachmittagssonne.

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Der Ochsenkarren als Transportmittel.

In einer Mulde will ich mich hinhocken. Plötzlich fühle ich mich durch irgendwen beobachtet. Aus einem Erdloch in der Mulde schauen mich zwei glänzende schwarze Knopfaugen aus dem zierlichen Köpfchen eines Streifenhörnchens an. Ich pinkele direkt vor seinem Bau! Eine Sekunde später ist der kleine auch schon wieder in seiner Höhle verschwunden.

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Wir laufen in das Wäldchen und finden auch den Fluss wieder. Leider gibt es hier keine Möglichkeit zum Überqueren.

Zurück bei Beert gibt es zum Glück endlich das ersehnte warme Essen. Wann hatten wir zuletzt was Warmes? Achja, beim Cheap-is-Cheap Fastfood… Hier ist es um einiges leckerer: Dicke Frikadelle in leckerer Soße zu Kartoffeln, Blumenkohl und Salat. Mmmh!

Beim Essen lernen wir ein holländisches Paar kennen, das auch gerade erst angekommen ist: Petra und Guido. Die zwei erzählen von ihren Reiseplänen und wo sie sich schon alles „kaputt gelacht“ haben und bringen uns damit zum Lachen. Es wird ein gemütlicher Abend. Bis…

Bis wir erfahren was der Spaß denn kosten soll. Beert sitzt in seiner dunklen Küche, nur schemenhaft und an seiner prägnanten Stimme erkennen wir ihn. Bei ihm zahlt jeder, der Frühstück, Mittag und Abendessen haben will 30 € pro Person und Nacht. Hui! Und ohne Essen? Das sind 25 € für das Ger. Wir nehmen dann bitte doch nur das Ger. Ja und das Abendessen das ist schon ok, meint er. Sein Schwager böte auch Reittouren an. Fünf Euro die Stunde. Na gut, das ist uns wieder zu teuer.

Ein bisschen ernüchtert gehen wir schlafen. 25 € durch drei ist schon ok. Aber auch keine 6 US$.

Doch bevor wir schlafen können, müssen wir uns erst einheizen. Im kleinen Ofen brennt bald ein heißes Feuer, das die Kälte schnell vertreibt. Beim Zähneputzen bietet sich uns ein beeindruckender Sternenhimmel.

Unsere erste Nacht in einer Jurte wird kalt. So schnell sich die Wärme im Zelt verbreitet, so schnell verschwindet sie auch wieder sobald das Feuer nicht mehr lodert. Die sieben Hunde bellen ständig und gegen Morgen beginnt es auch noch zu regnen. Ich laufe verschlafen in meinen Schlafsack gehüllt durch unsere kalt-nasse Jurte. Von oben tropft es. Ich stelle Becher und Flaschen auf die Pfützen und hoffe, dass der Rest trocken bleibt. Müde schlafen wir weiter bis es endlich aufhört.

Leider wird es den ganzen Tag nicht mehr richtig schön. Erst wandern wir den nächsten Gipfel hoch und beobachten einen Adler, der uns kreisend in Augenschein nimmt.

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Drei Gipfelstürmer.

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Dann laufen wir wieder den ca. 30-minütigen Weg zurück in den Ort, überqueren den Fluss 3 Mal und kaufen für ein leckeres selbstgekochtes Abendessen ein. Die Jungs in dem Laden im Dorf begrüßen uns neugierig: „Hello! Hello!“, rufen sie lachend. Wir sind beeindruckt wie selbstständig sie den Laden schmeißen.

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Ochsenkarren in Aktion.

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Nina und Christian bei der dritten Flussüberquerung.

Wieder zurück bei Beert müssen wir uns ein bisschen anstellen beim Kochen: Wir müssen um heißes Wasser bitten, um einen Topf zum Kochen und um neues Feuerholz. Irgendwie haben wir das Gefühl ihm gefällt es nicht, dass wir sein All-inklusive-Angebot verschmähen. Am Abend heizen wir unsere Jurte richtig ein. Wieder haben wir einen tollen Sternenhimmel. Die Nacht wird wieder kalt, jedoch nicht ganz so schlimm wie die erste.

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Jurtenromantik mit Kerze und Kamin.

Wir haben mit den Holländern vereinbart heute Pferde zu leihen und ein wenig durch die Landschaft zu reiten.

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Christian, Petra und Guido bei der zweiten Flussüberquerung.

Am Ortseingang, gegenüber den beiden Hotels, stehen einige Pferde und ein paar Mongolinnen, die ihre Vierbeiner an Touristen vermieten wollen. Wir müssen erst lange und anstrengend verhandeln bis wir 4000 T pro Person und Stunde zahlen und der Guide inklusive ist. Im Schneckentempo setzen wir uns in Bewegung. Leider erfüllt dieses Reitererlebnis nicht ganz unsere Vorstellungen: Die Pferde laufen ziemlich plan- und orientierungslos über die Hügel, bewegen sich dabei so langsam wie möglich und machen nur ab und zu einen plötzlichen Sprung wenn der Guide von hinten seinen Lederriemen schwingt.

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Das Glück dieser Erde…? Christian sieht das etwas anders!

Sowieso ist unser Guide nicht zu mehr nutze als unsere lahmen Ponies anzutreiben. Er spricht kein Wort Englisch, zeigt überhaupt kein Interesse an uns oder der Umgebung durch die wir reiten, springt zwischendurch von seinem Gaul um in die Steppe zu pinkeln und sorgt mit seinen unerwarteten Schlägen bei Pferden und Reitern für Beklemmungen. Als ich ihn endlich dazu bewegen kann sich an den Anfang der Karawane zu begeben – in der naiven Annahme, die anderen Pferde würden ihm dann schon treu folgen – machen unsere Mulis genau das Gegenteil: sie werden noch langsamer oder bleiben einfach stehen. Nach 1 1/2 Stunden einfach geradeaus reiten machen wir eine Pipi- und Essenspause neben einem kleinen Wäldchen. Die Pferde grasen und wir fragen uns ob wir jetzt genau die gleiche Strecke wieder zurück reiten oder einen Kreis gehen werden. Natürlich reiten wir  genauso zurück wie wir gekommen sind. Unser Guide hat es jetzt auch eiliger und treibt unsere lahmen Gäuler nun ununterbrochen an. Obwohl ich treibe, dass mir die Schenkel glühen, kann ich meinem Pferdchen keinen einzigen Galloppschritt abringen, sondern werde nur wie alle anderen von den kurzen Trabschritten kräftig durchgeschüttelt. Auch das Aufsitzen ist eine Qual: Da die Steigbügel auf mongolischer Länge viel zu kurz und auch nicht verstellbar sind, sitze ich wie ein Jockey und bekomme jedes Mal einen Stich im Kniegelenk wenn ich mich erhebe.

Alle (Pferde, Reiter und Guide) sind glücklich als wir endlich wieder am Ausgangspunkt unseres Ausrittes ankommen und die unbequemen und schlecht gepolsterten Holz-Eisen-Sättel wieder verlassen dürfen. Christian hat noch sieben Tage später ein blaues Steißbein.

Um eine mongolische Reiterfahrung reicher, jedoch ohne die Holländer – sie haben sich für die letzte Nacht im UB2 einquartiert, da sie hier günstiger als bei Beert und mit Strom und heißer Dusche wohnen, marschieren wir zurück über die drei Flussüberquerungen zu unserer Jurte.

„Wir sind jetzt schon richtig erfahrene Jurties!“, kommentiert Nina passend als wir uns und unsere Jurte auf die letzte Nacht vorbereiten: Feuer anmachen, Jurtendach zuziehen, Kerzen anzünden, dicke Klamotten anziehen. Wir kochen wieder zusammen. Zum Glück ist Beert heute Abend nicht da. Mit seiner Frau und den süßen Kindern ist der Kontakt viel angenehmer.

Wir verbringen den Abend mit Amy (US Amerikanerin, die in Japan als Englischlehrerin lebt) und Clement (Frazösischer Seemann und Frauenschwarm), die mit uns Reisegeschichten und Vodka teilen. Die letzte Nacht ist (Dank Vodka?) die beste: Keine Hunde und kaum kalt.

Am nächsten Morgen nutzen wir die Zeit in der Beert nicht da ist um bei seiner Frau zu zahlen. 25 € pro Nacht. Wir haben noch ein paar Euro dabei, mit denen wir zahlen wollen. Von den Holländern haben wir gehört, dass Beerts Umrechnungskurs ziemlich nachteilhaft für seine Gäste ausfallen kann. Also drüken wir ihr 80 € in die Hand und rechnen ihr vor, dass sie uns bei einem Kurs von 1:1800 (aktueller Kurs) dann noch 9000 T rausgeben muss. Das erste Abendessen unterschlagen wir mal. Wer andere über den Tisch zieht wird selbst über den Tisch gezogen: Wir nutzen unsere Chance!

Schnell die Rucksäcke angezogen, dann nichts wie weg zurück über die drei Flüsse und an die Straße. Um 12 Uhr soll hier ein Bus fahren, um 12 Uhr sind wir da. Wir warten etwa 20 Minuten, dann kommt tatsächlich ein fast voller Minibus. „Turtle Rock“, sagen wir, der Fahrer nickt. Wir werde in den Bus gequetscht und fahren los. Wir sind erleichtert, dass wir Beert entkommen konnten.

Als wir aussteigen will der Fahrer allen Ernstes 2800 T pro Person haben. Soviel haben wir auf der Hinfahrt nicht für die komplette Strecke gezahlt! Christian drückt ihm 5000 T für alle drei in die Hand und will 2000 zurück. Der Fahrer zückt einen Tausender und verschwindet dann blitzschnell hinter seinem Steuer. In einer Staubwolke lässt er uns stehen.

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Sandsteinfelsformationen

Wir wandern durch die Felsenlandschaft auf der Suche nach Turtle Rock. Als wir die Felsformation endlich gefunden haben, kommt uns plötzlich ein Minibus entgegen. Er hält an und wir fragen uns schon was der jetzt schon wieder von uns will, da erblicken wir auf der Beifahrerseite plötzlich das rotnasige Gesicht von Beert: „Ja, schönen Mittag!“, ruft er uns entgegen, „Danke, dass ihr bei meine Frau gezahlt habt. Habt ihr nicht was vergessen? Was ist denn mit die Abendessen?“ – „Wir dachten das wäre ok so“, behaupten wir. „Das wusste meine Frau ja nicht!“ – „Wir dachten ihr hättet Euch abgesprochen…“ – „Nein, nein, das ist nicht nett!“, schimpft er, „Aber geh mal, geh mal!“ Damit fährt das Fenster wieder hoch und der Bus fährt weiter. Sind wir ihn also doch nicht losgeworden. Ein fahler Nachgeschmack bleibt uns. Jedenfalls für ein paar Minuten…

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Gefunden: Turtle Rock.

Zurück an der Hauptstraße versuchen wir es mit Trampen. Das erste Auto das vorbeikommt hält tatsächlich an. Es sitzt nur ein Typ drin, der natürlich kein Wort Englisch oder Russisch spricht. Er nimmt uns mit bis zum nächsten Ort, bekommt von uns 2000 T und fährt ohne Gruß davon.

Im Ort müssen wir erstmal die Busstation finden. Wieder werden wir allseits neugierig beäugt. Zum Glück finden wir die Station bald und können sofort in den Bus nach Ulaanbaatar einsteigen. Kaum haben wir unsere Plätze gefunden, steigen auch die Holländer ein. Wir erzählen ihnen gleich von unserer Beert-Begegnung und können uns schon wieder „kaputt lachen“.

Wieder in der Stadt hat uns der chaotische Verkehr und die dreckige Luft schnell wieder. Zum Glück finden wir drei Betten im Golden Gobi. Abends laufen Christian und ich noch zum Ghana Guesthouse um Gudrun und Elke, die wir auf Olkhon am Baikal kennengelernt haben, zu besuchen. Aber anstatt die zwei deutschen Schwestern dort anzutreffen, finden wir unsere zwei Holländer rauchend in ihrer Jurte sitzend. Wir werden gleich zu ihnen eingeladen und erzählen uns noch ein bisschen ausführlicher über unsere Abenteuer des Tages. Durch das dunkle Ulaanbaatar laufen wir wieder zurück ins Golden Gobi.

Am nächsten Tag geht Nina auf ihre Mission Ticketorganisation und wir zwei informieren uns über Züge nach China. Wir entschließen uns noch kein Zugticket zu kaufen. Wir wollen lieber ungebunden reisen und spontan entscheiden. Außerdem gibt es wohl auch Züge, die bis zur Grenze fahre und dann einen Bus weiter nach China, so erklärt uns jedenfalls eine Deutsche, die zufällig auch gerade ein Ticket kauft.

Anschließend fahren wir mit dem Bus bis zum staubigen Busbahnhof, westlich der Innenstadt. Dort kaufen wir uns Tickets für den nächsten Tag um 8 Uhr morgens ins gut 500 km entfernte Tsetserleg (Цэцэpлэг). Nachdem wir das alles organisiert haben kämpfen wir uns wieder durch den Smog der Stadt und gehen noch ein bisschen bummeln auf dem riesigen Schwarzmarkt im Südosten der Stadt. Hier haben wir keine Fotos gemacht. Wertsachen zu zeigen ist auf dem Markt, auf dem es alles gibt, keine gute Idee. Wir staunen über die unzähligen Stände, die thematisch sortiert sind: Erst gibt es Sonnenbrillen und Ledergürtel im Überfluss, dann Haushaltswaren, Klamotten, gefälschte North Face Jacken, Schuhe, sooooo viele Schuhe!, Wollmäntel, Pelzmützen, Stoffe, Garn und Verzierungen, hässliche Wandteppiche mit heulenden Wölfen oder Reitern im Schnee drauf, alles für die Jurte: Fließ und Stoff für die Hülle, Metallöfen und Ofenrohre, Holzmöbel und Betten, Waschschränkchen und Seile aus Pferdehaar, dann gibt es Sättel und allen anderen Pferdebedarf, es gibt Schrauben und Sägen, Beile und Motorsägen. Es gibt einfach alles! Als wir bei den Messingständen mit den typischen Souvenirs angekommen sind, fummelt plötzlich ein Typ an Christians Reißverschlusstasche rum, in der das „Kleingeld“ aufbewahrt ist (die großen Scheine bleiben immer sicher im Bauchgürtel; Münzgeld gibt es in der Mongolei nicht, der kleinste Schein ist 10 Tögrög, also ca. ein halber Cent). Das verdirbt uns ein wenig die Laune und wir haben genug gesehen.

Am Abend gibt es dann ein leckeres Abschiedsessen mit Nina. Sie fährt am nächsten Morgen weiter mit dem Zug nach Beijing, wir fahren nach Tsetserleg. Zum Abschied bekommen wir sogar Geschenke von ihr: Snickers, Bounty, Grafschafter Apfelschmaus und NUTELLA!

Morgens laufen wir verschlafen die Peace Avenue entlang. So ruhig haben wir die Hauptstraße nur bei unserer Ankunft erlebt. Ein alter Opa nimmt uns in seiner Klapperkiste bis zum Busbahnhof mit. Bei unserer Ankunft verlangt er 3000 T. Christian hat aber entweder nur 5000 oder Kleingeld-Scheine. Zum Glück können wir jemanden finden, der für uns den 5000-er klein macht.

Sofort werden wir von einem Typen abgefangen, der uns zu unserem Bus bringt. Um 7 Uhr morgens sind wir die ersten Fahrgäste. Unsere Rucksäcke werden im seitlichen, komplett verdreckten Ladefach verstaut. Langsam kommen auch andere Passagiere. Sie bringen fest verschnürte Pakete, riesige Reisetaschen und leere Wasserkanister. Die Gepäckfächer werden bis oben hin vollgestopft, der Rest wird im Bus oberhalb der Sitze, unten drunter oder einfach auf dem Gang verstaut. Neben uns sind nur noch zwei Asiatinnen die einzigen Touristen an Bord. Wir sind die einzigen Europäer und werden dementsprechend genau beobachtet. Um acht Uhr setzt sich unser Reisebus endlich in Bewegung.

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