Die Nacht wird ein bisschen durchwachsen. Der Typ unter mir schnarcht als würde er durch einen Strohhalm Milchshake schlürfen. Die Frau gegenüber hat nicht kapiert, dass sie ihre Bettlampe ausknipsen kann und verbirgt so die ganze Nacht ihr Gesicht unter ihrem Arm, um nicht geblendet zu werden. Dass mich ihr helles Licht ebenfalls blendet, hat sie anscheinend nicht gemerkt. Um 7 Uhr morgens ist für die vier Leute unter uns die Nacht dann auch endgültig vorbei, Sie gesellen sich zusammen auf die unterste Liege und unterhalten sich lautstark und wieder überkommt mich die Vermutung, dass es in asiatischen Sprachen vielleicht gar nicht möglich ist zu flüstern, wegen der Betonung. Aber irgendwie kann das ja auch nicht sein. Die könne sich einfach nicht vorstellen, dass wir um diese Uhrzeit vielleicht noch schlafen wollen, wo wir es ja könnten. Ein bisschen angenervt wälzen wir uns auf unseren Pritschen hin und her, Bewegungsfreiheit sieht anders aus. Ich halte es irgendwann nicht mehr aus in meiner kleinen Zelle, klettere hinab und genieße die morgendliche Landschaft durch die geöffneten Fenster in den Wagontüren.

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Good Morning Vietnam!

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Ganz schön nebelig heute…

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…doch nach und nach setzt sich die Morgensonne durch…

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…und dann sind wir am Meer!

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Christian bei den Mädels.

Endlich erreichen wir Danang, unseren Zielort. Von hier aus müssen wir jetzt irgendwie nach Hoi An kommen. Die zwei Städte liegen etwa 30 km von einander entfernt. Wir verlassen den Bahnhof und finden draußen den typischen Taxischwarm, der uns bereits an der Tür abfängt. Jetzt brauchen wir einen Bus, mit dem wir fahren können, aber wir haben keine Ahnung wo einer abfährt. Drei Backpacker laden gerade ihr Gepäck in ein grasgrünes Taxi. Wir sprechen sie an, sie zahlen 400.000 Dong (ca. 14,40 €) für die Fahrt nach Hoi An, ganz schön teuer!, finden wir, die drei zucken mit den Schultern. Einer der drei erklärt, es gäbe keinen Bus, bzw. sei die Bushaltestelle drei Kilometer von hier entfernt. Dahin zu kommen koste dann wieder in der Rikscha und auf den Stress habe er keinen Bock. Er schein sich ja richtig auszukennen! Wir fragen den Fahrer was er für die Fahrt mit uns fünf haben will. 100.000 pro Person, für die drei wird’s also billiger, die freuen sich. Wir denken uns, viel zu teuer aber was soll’s. Wenn der Bus wirklich so schwer zu finden und so umständlich ist, geben wir halt 7 Euro fürs Taxi aus, verdammt! Widerwillig steigen wir ein. Sofort fängt der eine Typ, der sich hier anscheinend so gut auskennt, an, irgendwelche Reiseweisheiten von sich zu geben. Er gibt den anderen beiden, ein Pärchen auf Vietnamreise, Tipps, wie sie sich in diesem korrupten, chaotischen Land durchzuschlagen haben: “Ihr müsst von allem die Preise wissen, sonst hauen sie euch übers Ohr. Ihr müsst einfach wissen was wie viel kostet!”, die zwei lauschen andächtig. Und was glaubt er was der Taxifahrer gerade mit uns hier macht? Ich gucke raus und versuche die Laberbacke zu ignorieren. Er ist anscheinend schon durch ganz Südostasien gereist und präsentiert sein Wissen in locker lässigem Tonfall – alles halb so wild. Bangkok sei ziemlich chaotisch, eine typische Stadt eben. Mmh, uns hat Bangkok super gefallen! Irgendwann richtet er das Wort dann auch mal an uns, die er bisher ganz gut ignoriert hat. Wie lange wir schon unterwegs seinen, will der Unwissende wissen. Ich schmunzele in mich hinein und warte auf Christians Antwort, dem ich gerne das Wort überlasse. Acht Monate?? Da sagt er nix mehr. Jetzt sind die anderen zwei aufmerksam und fragen uns, bzw. Christian, ich halte mich zurück, bin immer noch von diesem Wuchertaxi genervt, aufgeregt aus. Mongolei? Wow! Und Indien? Wie war das denn?

So vergeht die Fahrzeit wie im Flug und wir erreichen schnell das Hotel der zwei, die sich freundlich von uns verabschieden. Wir bleiben mit dem erfahrenen Backpacker zurück. Er hat noch keinen Plan, wo er unterkommen soll, lässt sich aber mit uns an unserem Hotel absetzen. Dann trennen sich unsere Wege: “Have fun.” – “You too.”, tschüss.

Unser Hotel ist super! Wir haben übers Internet gebucht und bekommen daher ein besonders schönes Zimmer, immerhin können wir nachher im Internet eine Bewertung abgeben. Alles ist neu, sauber und modern. Wir schmeißen uns aufs Bett – Federkern!

Bevor wir irgendwas anderes machen, frühstücken wir erst mal. Im Innenhof unseres Hotels gibt es sogar einen Pool, an dem bereits zwei dunkelbraun getoastete Typen mit dicken Oberkörpern und tätowierten Gliedmaßen in der knallenden Sonne brutzeln. Nach dem leckeren Frühstück leihen wir uns zwei Fahrräder und radeln zum nah gelegenen Strand. Das letzte Mal Fahrrad gefahren sind wir in Pokhara! Und können es immer noch! Die Landschaft ist wunderschön, es ist warm, mittlerweile haben sich ein paar Wolken vor die Sonne geschoben und mildern so ihre Kraft. Als wir die Häuser hinter uns lassen rauscht neben uns der grüne Reis, überall verzweigen sich kleine Flussläufe, auf denen Holzbötchen schaukeln. Die Palmen schütteln im angenehmen Wind ihre Köpfe. Wir strampeln eine Brücke hinauf und lassen uns auf der anderen Seite runter rollen. Als wir die Strandpromenade erreichen, will uns ein Typ anhalten. Wir sollen unsere Fahrräder auf einem Fahrradparkplatz abstellen und dafür wohl wieder bezahlen, nein danke! Wir fahren einfach an ihm vorbei und biegen in die Strandpromenade ein. An einem Hotel wollen wir unsere Räder abstellen, werden von einem Aufpasser jedoch gleich darauf hingewiesen, dass hier nur Hotelgäste parken dürften, außer wir bestellen etwas im Hotel natürlich. Wie bitte? Ich habe noch nie im Leben dafür zahlen müssen, mein Fahrrad irgendwo abzustellen! Wir fahren kopfschüttelnd weiter – Touriabzocke! Wir erreichen eine weitere Hotelanlage, alles ist ruhig und gepflegt. Wir stellen auf dem Bürgersteig auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Räder ab und warten schon darauf, dass uns wieder jemand daran hindern will. Doch als keiner kommt, machen wir uns schnell aus dem Staub. Leider funktioniert das Schloss meines Fahrrades gar nicht, hoffentlich ist es gleich noch da…

Wir laufen um die Anlage herum und bahnen uns einen Weg zum Strand. Der Sand ist samtweich, wir müssen unter ein paar Palmen hindurch, dann stehen wir auf dem langen Strand. Rechts und links niedrige Hotelanlagen, doch wenige Menschen. Endlich wieder am Wasser! Diesmal ist es der Pazifik, genauer gesagt, das Südchinesische Meer. Leider haben wir keine Handtücher, trotzdem stecken wir mal einen Zeh ins Wasser, es ist überraschend kalt!

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Wie schön wieder am Meer zu sein!

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Nach ein, zwei Stunden (Fahrräder sind zum Glücke beide noch da) radeln wir wieder zurück ins Hotel und duschen uns den Sand vom Körper – in unserer Super-Wannendusche, was für eine Luxus!

Zu Fuß laufen wir in die Stadt, es fängt ein bisschen an zu regnen, hört aber bald wieder auf. Wir haben uns ein Restaurant rausgesucht, in dem es authentisch vietnamesisches Essen geben soll. Wir erwarten viel Suppe, stattdessen bekommen wir gelbe sautierte Nudeln, Pfannkuchen mit Shrimp Füllung und White Rose (schwabbelige Reisküchlein mit Soße und Röstzwiebeln oben drauf). Zum Nachtisch gibt es für mich ein Mango Sorbet, für Christian eine Kugel Rum-Rosinen Eis, das uns beide ganz schön beschwipst, nicht zu knapp Rum drin! Wir können uns gar nicht mehr richtig artikulieren (haben ja auch seit Silvester keinen Alkohol mehr konsumiert!) und beschließen einen Ernüchterungsspaziergang in die Altstadt zu unternehmen. Das war eine super Idee! Wir bekommen einen ersten Eindruck von der historischen Innenstadt. Die Gebäude sind ausnahmslos im französischen Kolonialstil und jetzt im Dunkeln ist alles schön beleuchtet.

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Schön romantisch…

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…mit den ganzen Papierlampions.

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Die überdachte Brücke sieht jedoch so gar nicht französisch aus, die muss noch älter sein…

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Die erste Nacht wieder im unbeweglichen, trockenen, insekten- und nagetierfreien Zimmer ist wunderbar! Wir schlafen wie die Murmeltiere auf unserer Federkernmatratze. Am nächsten Morgen stehen wir früh auf zum Frühstücksbuffet, das wieder inklusive ist. Und heute kommen wir wirklich auf unsere Kosten! Der Essensraum ist bereits gefüllt mit vielen anderen Hotelgästen, wir sind froh, noch einen Platz zu bekommen. Das Buffet ist überwältigend: Cornflakes, klein geschnittenes Obst (Wassermelone, Ananas, Dragon Fruit), frische Milch, Kaffee, Tee, verschiedene Säfte, kleine Küchlein, Baguette, Butter, Marmelade (nur das Nutela fehlt…), dann das warme Buffet: Reis, Kartoffeln, Nudeln, Gemüse, Fleisch… An einem kleinen Tisch bereitet eine Frau Rührei und Pfannkuchen nach Wunsch direkt für einen zu. Wir sind im Schlaraffenland und nutzen die restlichen eineinhalb Stunden, um uns voll zu futtern, was für ein Festmahl!

Bis wir auschecken müssen haben wir noch ein bisschen Zeit und die nutzen wir dann zur Siesta, nach dem ganzen futtern. Dann deponieren wir unsere Taschen im Foyer des Hotels, leider geht’s heute Abend schon wieder weiter nach Nah Trang, der Party Hauptstadt. Wer hätte wissen können, dass dieses Hotel so ein Glücksgriff wird? Aber die Zeit drängt uns auch weiter, wir sind ja nicht zum Urlaub machen hier!

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Also ziehen wir wieder los in die Altstadt. Wir biegen in eine Seitengasse ein und befinden uns plötzlich auf dem lokalen Markt.

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Hier gibt’s Nudeln.

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Gemüse und Fisch.

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Eier!

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Gerupfte Hühner.

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Hier werden Nudeln zu Chips getrocknet.

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Hauptsächlich gibt es hier aber eins: Fisch!

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Glitschige Fischhalle.

Die Frauen – hier verkaufen ausschließlich Frauen! – ignorieren uns komplett. Sie wühlen sich mit fischigen Fingern an uns vorbei, diese kleinen Kreaturen mit den Strohhüten, die wir eher in China als hier vermutet hätten. In China haben wir hingegen keinen dieser “Chinahüte” gesehen.

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Dieses Hutzelweiblein will uns ihren getrockneten Fisch andrehen.

Dann schlendern wir durch die historischen Gassen. Uns fällt auf, dass die Altstadt nicht nur französisch, sondern auch japanisch angehaucht ist. Alle, die mal Anspruch auf Vietnam erhoben haben, haben hier ihre Spuren hinterlassen.

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Gelb ist die Farbe der Wahl.

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Das sieht doch ziemlich chinesisch aus.

Wir stolpern in eine Galerie, die sich in einem versteckten Hinterhof befindet. Ein junges Mädel führt uns durch die offenen Räume. Die Bilder zeigen eigentlich alle farbige Klekse, die scheinbar willkürlich auf die Leinwand geschleudert wurden. Manche davon sehen aus, als hätte sie ein Kind gemalt, andere zeigen eine farbliche Harmonie, die uns gefällt. Das Mädchen erklärt uns, dass die Bilden von ihrem Bruder stammten. Wir werden eine Leiter hinauf geführt und befinden uns im Atelier, recht klein für einen so produktiven Künstler, und lernen auch den Bruder, den Künstler selbst, kennen. Er zeigt uns alle seine Bilder, einige habe er mit seinem elfjährigen Sohn zusammen gemalt. Ganz ehrlich, so sehen die auch aus… Wir verdrücken uns wieder. Dann suchen wir ein günstiges Restaurant. Gar nicht so leicht in dieser Touristenhochburg, in der Schwärme von japanischen Touristen in den lustigen Buggy-Rikschas durch die Straßen gekarrt werden. Japaner sind immer ein Zeichen für steigende Preise – die zahlen alles, um nicht ihr Gesicht zu verlieren. Doch wir werden fündig. Einen Teller voll gibt’s hier (ähnlich in Luang Prabang) für 20.000 Dong.

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Die japanische überdachte Brücke finden wir auch wieder. Sie wurde 1593 erbaut.

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Hafenbecken von Hoi An.

Am frühen Nachmittag gönnen wir uns dann eine Rosinenschnecke und einen exzellenten Kaffee in einem alteingesessenen französischen Kaffeehaus. Die Auswahl ist exklusiv, die Preise auch… Aber egal, mit unseren Kleinigkeiten kommen wir den ganzen Nachmittag aus und können ein bisschen die historische Atmosphäre genießen.

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Rikschafahrer mit ihren Kinderwagen-Gefährten.

Als die Sonne milder wird, machen wir uns auf die Suche nach der Busstation. Auf dem Rückweg wollen wir nicht 200.000 für ein Taxi ausgeben, sondern mit dem Bus fahren. Wir erfahren, dass der Bus an einer anderen Station abfahre, drei Kilometer vom Zentrum entfernt, der letzte führe um 17 Uhr. Wir haben mittlerweile viertel nach vier, das wird ganz schön knapp. Ohne Eile gehen wir zurück zum Hotel, wir gehen nicht davon aus, dass wir den 17 Uhr Bus noch bekommen können, sondern hoffen auf eine andere, ebenfalls günstige Alternative.

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Auf dem Rückweg wieder am Markt vorbei.

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Beim Hotel angekommen, fragen wir nach den Optionen. Doch offensichtlich gibt es nur diesen einen Bus oder ein Taxi, dass dann 16 US$ kosten soll, das sind ja über 300.000 Dong! Nein, vielleicht doch den Bus? Die Uhr zeigt zwanzig vor fünf, das wird knapp! Sie könne uns ein Taxi zur Busstation besorgen, schlägt die nette Frau hinterm Tresen vor. Oder, sie besinnt sich, wir könnten auch mit dem Shuttle fahren, das führe in zehn Minuten, den Bus sollten wir dann noch bekommen. Alles klar! Also doch den Bus. Wir warten gespannt auf den Shuttle Fahrer, von dem jetzt alles abhängt. Wir packen noch zwei betont gelangweilt in der Gegend herumblickende Hipster ins Auto, von Kopf bis Fuß tätowiert, obercool, wortkarg. Sie werden in der Innenstadt rausgeschmissen – hier hin hätten die auch laufen können! Wir werden weiter gefahren. Wir halten unterwegs, der Fahrer holt allen möglichen Kram aus seinem Auto und lädt ihn bei einem anderen Hotel ab. Unser Bus fährt aber um fünf!, rufen wir ihm nervös nach. Wir erreichen die Busstation um fünf, der Bus steht parat, wir steigen ein und los geht die Fahrt. Also doch ein Bus! Wir müssen wieder an den oberschlauen Super-Backpacker denken, der entweder doch absolut keinen blassen Schimmer von den hiesigen öffentlichen Verkehrsmitteln hatte oder einfach zu faul war und uns dann angeschmiert hat. Egal, jetzt zahlen wir zusammen 50.000 für die Fahrt, die natürlich etwas länger dauert. Aber wir haben ja Zeit. Unser Zug nach Nah Trang geht erst um 22 Uhr, da können wir in aller Ruhe nach Danang fahren. Unterwegs wird immer wieder gehalten, irgendwelche Kisten und Bündel, aus denen irgendein grünes Gemüse ein paar Blätter streckt, aus dem Bus ausgeladen, ein Typ mit Roller wartet bereits am Straßenrand auf die Warenübergabe, oder andersherum: Irgendwer schmeißt einen Sack Limetten in den Bus, den wir dann ein paar Kilometer durch die Gegend fahren. In der Stadt quetscht sich unser Bus dominant zwischen Schwärme aus Rollern hindurch, mindestens zwei Personen pro Roller, Frauen, Männer, alle fahren, mit Helm und Mundschutz gegen die Abgase. Wir werden an einer Ecke rausgeschmissen. Der junge Busbegleiter deutet uns, dass wir nur um die Ecke müssten, dann wären wir schon am Bahnhof. Wir folgen seinen Anweisungen und finden auch gleich das Bahnhofsgebäude. Aber da wollen wir jetzt ja noch gar nicht hin, immerhin haben wir noch ewig Zeit und könnten ja vorher noch was zu Abend essen. Also laufen wir wieder zurück zur Hauptstraße und laufen zurück in die Richtung, aus der unser Bus gekommen ist. Wir wollen ein kleines feines Nudelrestaurant finden, aber nirgends sieht es nach Essen aus, überall Klamotten und zwar richtige Geschäfte, Ketten, richtig schick hier. Es wird bereits dunkel und wir haben keine Lust mehr mit unseren Taschen zu laufen.

In einer dunklen Seitenstraße entdecke ich ein Restaurant, das einen guten Eindruck macht. Wir lassen uns nieder, ich schlüpfe auf der Toilette aus meiner kurzen Hose raus, die hier – abseits der Touristenströme – ziemlich unangemessen ist und ziehe gemütliche Schlafklamotten für die Zugfahrt über. Natürlich gibt es wieder die Hälfte der Speisekarte nicht, also bestellen wie von der anderen Hälfte. Eine Großfamilie kommt mit einem großen grünen Taxi vorgefahren und lässt sich einen Tisch weiter nieder. Plötzlich schwirrt ein großes Insekt über unsere Suppenschüsseln hinweg und verschwindet irgendwo unterm Nachbartisch. Eine fette Motte, denke ich gleichgültig, die tut ja nix, da fängt es am Nachbartisch an zu schreien. Eins der Mädels springt auf, das Insekt brummt wieder los und landet auf der andern, der kleineren, die sofort anfängt zu kreischen und hysterisch heult. Armes Ding, denk ich, da hebt das riesige Insekt wieder ab und schwirrt durch die Luft, lässt sich oben an der Wand auf einem kleinen Absatz nieder. Da sehen ich es und Schrecken erfüllt mich: Eine riesige, glänzende, kackbraune Kakerlake, mit langen geschwungenen Fühlern, die nervös auf ihrem momentanen Rastplatz hin und her marschiert, unschlüssig wo es sie als nächstes hinzieht. Ach du Scheiße!, entfährt es mir, das ist eine Riesen-Kakerlake! Und die fliegt! Und das tut sie auch gleich wieder, als hätte ich sie aufgefordert, dabei hatten wir schon kurz auf den Gecko gehofft, der in ihrer Nähe auf Beute wartete, doch der zog beim Anblick dieses Kolosses aus glänzendem Chitin gleich den Schwanz ein und bewegte sich auf seinen Gummifüßchen ein paar Schritte zurück. Und jetzt fliegt sie, taumelt, unkontrolliert, kommt im Sinkflug auf uns zu, ich springe vom Stuhl, ist mir egal was die anderen von mir halten. Zum Glück, denn da landet sie auch schon, auf meiner Stuhllehne! Ekel überkommt mich, da krabbelt das Ding, das so groß ist wie mein Daumen, nur dicker und tastet suchend mit seinen Fühlern in der Gegend herum. Mittlerweile sind die Bedienungen auf die Unruhe im Speiseraum aufmerksam geworden. Eine wagt sich einen Schritt vor, doch auch sie schreckt vor dem Insekt zurück, keiner traut sich in ihre Nähe. Ich wage es, Christian für die Aufgabe der Tötung in Betracht zu ziehen doch sehe in seinem Gesicht, dass er eventuell nicht einverstanden ist. Noch während ich zaghaft formuliere: “Mach du die doch platt…”, hebt der Brummer schon wieder ab und beginnt aufs Neue seinen trudelnden Schwirrflug. Die Kakerlake landet eine Stuhllehne weiter, da kommt die Restaurantleitung, eine selbstbewusst auftretende Frau, vorgeprescht. Sie hält eine Speiskarte in der Hand, holt aus, zögert, schlägt dann doch zu. Die Kakerlake fällt auf den Boden, ein Stück ihrer weißen Füllung bleibt an der Stuhllehne kleben. “Ist die jetzt tot??”, will ich sofort wissen, Christian beugt sich runter, kann sie aber nirgends entdecken, “Oder kriecht die jetzt in meine Tasche??”, meine Tasche steht noch offen in unmittelbarer Nähe. Die mutige Mörderin kommt mit einem Lappen zurück, reinigt die Stuhllehne und sucht dann das verletzte Insekt, das in dem Moment aus seinem Versteck hervorschießt und einen letzten Fluchtversuch zu Fuß startet, doch die Frau ist erbarmungslos: Sie packt das flüchtende Tier mit dem Lappen und drückt zu, ein lauten Krachen des Chitin Panzers, alle schauen betreten weg, das war’s dann wohl. Na dann, Guten Appetit!

Nach dem Essen laufen wir zurück zum Bahnhof, kaufen uns noch eine Packung Kekse für die Fahrt und den Hunger am nächsten Morgen. Dann lassen wir uns in der Wartehalle nieder und warten gemeinsam mit vielen anderen auf die Einfahrt unseres Zuges.

2 responses


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oh wie schön!!! wie cool! ich will ich auch noch mal nach vietnam! fahrt ihr durchs mekong delta? bin gepannt, wies euch da und in hoh chi minh gefällt… dicke umarmungen aus münster*

28. März 2012 16:11

gerade in saigon ;) aber morgen geht’s schon nach cambodia (sihanoukville), leider keine zeit für nochmal mekong… next time! liebsten gruß aus hcmc!!

28. März 2012 17:53

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