Die Sonne blendet mich durch die Fensterscheibe, der Überlandbus wird langsamer und schaukelt uns wach. Ich schaue auf die Uhr, wir haben erst 5.30 Uhr, in einer Stunde sollten wir Vilnius erreichen. Doch dann kommt die Durchsage, wir sind in Vilnius, eine Stunde östlicher. Übernächtigt steigen wir aus. Die zwei Typen auf der Sitzreihe hinter uns packen ihre Bierflaschen zusammen und ziehen schniefend und hustend von dannen. Sie tun mir leid, an jedem Stopp mussten sie diese Nacht raus um zu rauchen und Biernachschub zu kaufen.

Wir laufen durch den Busbahnhof und versuchen uns zu orientieren. Die Sprache, die wir hören klingt ähnlich dem Polnischen, doch die Buchstaben haben noch mehr Häckchen und Akzente.

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Solln wir nicht vielleicht doch wieder in die Heimat?

Wie gewohnt suchen wir den ersten McDonald’s am Bahnhof auf, um uns Vilnius auf Google Maps anzuschauen. Wir können nicht mal Bitte und Danke sagen, doch brechen auf in die Innenstadt. Ein bisschen verloren laufen wir Touristenschildern hinterher. Um uns herum stehen historische Gebäude in unterschiedlichen Baustilen: Klassik, Jugendstil, Gothik. Wir bestaunen die Innenstadt, die als UNESCO Weltkulturerbe ausgezeichnet ist, und besteigen einen kleinen Berg, auf dem sich die Überreste einer alten Festung befinden. Dort machen wir eine Vormittagspause und genießen die Aussicht über die Stadt.

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Die Fassaden sind perfekt, die Straßen wie geleckt: auch das ist Osteuropa!

Doch nicht nur die Innenstadt ist besonders gepflegt. Auch die litauischen Frauen, so scheint uns, achten viel mehr als ihre polnischen Nachbarinnen auf ein ästhetisches Äußeres: Sie schreiten groß, schlank und blond auf eleganten Sandalen und in feinen Kleidern durch die Straßen von Vilnius. Ich fühle mich vollkommen underdressed mit meinen klobigen Wanderstiefeln, der Outdoorhose und den ungemachten Haaren. Sobald wir bei Sigita sind muss ich mich unbedingt umziehen!

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Wir wissen gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollen

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Panoramablick über die Altstadt

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Auf der ehemaligen Festung weht die litauische Flagge

Müde und hungrig werden wir nach zwei weiteren Stunden des Herumirrens von Sigita eingesammelt. Sie läd uns ein in ihr wunderschönes Haus direkt außerhalb der Stadt. Wir essen russische Suppe mit saurer Sahne und Brot und ruhen uns anschließend im Garten aus.

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Im Garten mit Adelé

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So ein Wonneproppen macht Gute Laune

Am Abend lernen wir Donaldas, Sigitas Lebensgefährten und Adelés Vater kennen. Wir schneiden frisches Gemüse und essen Schaschlik-Spieße vom Grill. Um 22 Uhr fallen wir nach einer langen Nacht im Bus und einem langen Tag totmüde ins Bett.

Die Tage bei Sigita und Donaldas werden sehr harmonisch und entspannt. Wir verbringen viel Zeit mit Sigita und ihrer siebenmonatigen Tochter Adelé, die uns mit ihrer kommunikativen Art um den Finger wickelt und auf Trapp hält. Wir brabbeln mit ihr, singen ihr „Backe backe Kuchen“ und „Hoppe hoppe Reiter“, schaukeln und füttern sie und haben dabei mindestens genauso viel Spaß wie sie!

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Adelé schmeckt’s!

Am zweiten Tag in Vilnius machen wir einen Ausflug nach Trakai, wo wir uns eine alte Wasserburg ansehen wollen. Doch der Eintritt ist uns zu hoch und so machen wir einen entspannten Spaziergang am See und rasten bei leckeren Kibinai, mit Schweinefleisch oder Quark befüllte und im Ofen gebackene Teigtaschen.

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Schlendern am See

Zurück bei Sigita kochen wir gemeinsam und backen später noch einen improvisierten Käsekuchen, von dem wir um Mitternacht noch jeder ein Stückchen zu Pfefferminztee mit Honig genießen.

Am nächsten Morgen schlafen wir uns aus. Es ist so schön, dass wir auf der Terasse frühstücken können. Dann bringt uns Sigita zum riesigen Shopping Center Akropolis und wir sind wieder allein. Um 17.30 Uhr treffen wir Yevgenij an einer Tankstelle in der Nähe, einen Russen aus Vilnius, der über Facebook angeboten hatte uns nach Riga mitzunehmen. Wir lassen Vilnius hinter uns. Schade, dass wir nur so wenig Zeit hatten! Litauen scheint noch so viel mehr zu bieten. Wir nehmen uns vor, dass dies nicht unser letztes Mal in diesem wunderbar flachen Land gewesen sein soll und genießen die letzten Sonnenstunden und die schöne Aussicht auf die sommerliche Landschaft.

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