Unser Aufenthalt in Ełk ist kurz und wenig ereignisreich: Ula, unsere Gastgeberin, holt uns am frühen Nachmittag vom Bahnhof ab und setzt uns in der Wohnung, in der sie mit ihren Eltern zusammen lebt, ein herzhaftes Mittagessen vor. Als hätten wir die letzten Tage nicht genug gegessen…

Später schlendern wir ein wenig am See entlang, der das verschlafene Städtchen streift. Überall kann man Tretbötchen mieten, Jetski fahren oder auf der Wasserbanane reiten. Aber uns steht der Sinn mehr nach Ruhe und einem Kaffee. Wir genießen die Abendstimmung am See, ein wenig abgelenkt durch eine mittelmäßige Coverband, die das Seeufer beschallt.

IMG_0809

Spaziergang an der durch EU-Mittel finanzierten Seepromenade

IMG_0810

Die im wahrsten Sinne des Wortes malerische Hauptstraße von Ełk

IMG_0814

Abendstimmung am See

IMG_0816

Architektonisches Highlight

Wir schlafen lange aus und spazieren wieder in die Stadt hinein. Beim Reisebüro buchen wir ein Busticket für die kommende Nacht von Augustów nach Vilnius. Von Ełk nach Augustów sind es nur 40 km, die wir mit dem Bus bewältigen können, doch wir wollen es jetzt mal mit Hitch Hiking versuchen. Also Schildchen malen, an die Straße stellen, Daumen raus und LÄCHELN!

IMG_0819

Doch unsere flehenden Blicke zeigen keinen Erfolg. Niemand will für uns anhalten. Entweder die Autos sind voll oder sie fahren nicht nach Augustów. Anders können wir uns unsere glücklosen Versuche nicht erklären. Niedergeschlagen steigen wir wieder bei Ula ins Auto – sie hatte netterweise am Straßenrand mit uns gewartet und sammelt uns nun wieder ein um uns zum Bahnhof zu bringen. Dort steigen wir in den altersschwachen Bus, der uns auf holprigen Straßen doch noch an unser heutiges Ziel bringen soll…

IMG_0831

Draußen setzt die Dämmerung ein

In Augustów wollen wir uns erstmal orientieren. Um 1 Uhr nachts soll hier unser Bus nach Vilnius fahren. Da es nur einen Platz gibt, über den anscheinend alle Busse fahren, gehen wir einfach mal davon aus, dass auch unser Bus hier abfahren wird. Mit unseren letzten Zloty laufen wir zum Lidl und kaufen uns ein Abendessen bestehend aus Joghurt, Chips und Müsliriegeln. Wir speisen auf dem Marktplatz und suchen uns dann eine warme Kneipe, in der wir unser letztes Geld für Bier ausgeben.

IMG_0837_2

Bis die Kneipe um 23 Uhr schließt spielen wir Scrabble

Mit drei To-Go Kaffeebechern voll Bier ausgestattet tigern wir wieder durch die immer stiller werdenen Straßen von Augustów. Wir suchen uns eine windgeschützte Niesche am Marktplatz und begnügen uns mit den restlichen Chips, dem Bier und Musik aus dem ipod. Ein Typ kommt vorbei und fragt uns zunächst auf Polnisch, dann auf Englisch ob wir keine bessere Bleibe für die Nacht hätten. Wir erklären dem Besorgten unsere Situation, dass wir nur auf den Bus um 1 Uhr warten. Beruhigt geht er weiter. Wenige Minuten später kehrt er zurück mit zwei Flaschen Bier in der Hand. Eine hält er uns hin, er könne uns nur eine Flasche abgeben, denn mehr Geld habe er nicht dabei gehabt. Wir bitten ihn sich zu uns zu setzen und dankend ablehnend setzt er sich sofort hin. Seine Erscheinung ist schon ein wenig beängstigend: In seinem Mund stehen nur noch wenige dunkle Zahnstummel, sein kahlgeschohrener Schädel ist übersäht mit Narben, hektisch schaut er sich ständig um. Wir halten uns und unsere Wertsachen ein bisschen fester.

IMG_0838

Der Marktplatz auf dem wir uns vorübergehend einquartieren

Im Gespräch erfahren wir, dass er in Irland lebte und dort Englisch gelernt hat. Wenn ihm jedoch etwas nicht auf Anhieb einfällt erklärt er immer wieder nervös, dass „my English is not perfect!“, kein Problem, doch er wirkt jedes Mal so als könne er im nächsten Moment ausflippen. Wir erfahren, dass er ein richtiges Urgestein in Augustów ist. Hier geboren, hier aufgewachsen und nach Irland wieder zurück gekehrt. Jetzt erwartet seine Freundin ein Baby von ihm, einen Sohn, in zwei Monaten!

Um halb eins bringt er uns noch zur Bushaltestelle. Dann verlässt er uns. Zum Abschied stellen wir uns einander vor, Pawel heißt er, Paul. Er bietet uns an, falls der Bus doch nicht kommen sollte, könnten wir auch bei ihm übernachten. Wir danken und hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt.

Und tatsächlich, in die Stille der Nacht dringt plötzlich immer deutlicher wahrnehmbar das Brummen unseres Überlandbusses. Obwohl kein Schild darauf hinweist, hält er wie gehofft am Busbahnhof und lässt uns einsteigen. Zum Glück ist der Bus nur sehr spährlich befüllt. Die Passagiere haben sich fast alle auf eine eigene Sitzbank zurückgezogen. Wir machen es uns gemütlich. Es riecht nach Schlaf und Käsefüßen. Die Nacht wird unruhig, immer wieder fährt der Bus Stationen an und bewegt sich auf holprigen Nebenstraßen.

Unser Résumé für Polen steht an. Wir sind zwei Wochen lang durch Polen gereist. Haben viel gesehen und doch nur einen kleinen Ausschnitt besucht. Besonders in Erinnerung werden uns unsere positiven Couch Surfing Erfahrungen bleiben. Wir hätten nicht gedacht, dass es so unkompliziert funktioniert und wir so gut mit dieser alternativen Art zu Reisen klarkommen. Wenn wir an Polen denken, fallen uns gastfreundliche Menschen ein, interessierte Menschen, die uns vorbehaltlos aufnehmen und in ihre Familien integrieren. Wir empfinden dies als eine wunderbare Bereicherung und somit sozusagen als unsere erste große Lektion auf dieser Reise.

Doch auch die Natur Polens werden wir in guter Erinnerung behalten. Diese Friedlichkeit. Die kleinen Grasfröschchen, die vor unseren Schritten davonspringen und ihre anmutigen Jäger, vor deren Größe wir jedes Mal erschrecken, wenn wir sie aus nächster Nähe durch das Busfenster sehen.

Wir haben festgestellt, dass wir Plattenbauten und ihre Bewohner nicht von Außen bewerten sollten. Im Innern verbergen sich helle und mit allem Komfort ausgestattete Wohnungen und die Bewohner haben neben dieser meist noch ein oder zwei weitere Wohnungen z.B. am See oder in der Innenstadt…

Wir sind ein wenig wehmütig Polen nach so vielen schönen Erlebnissen schon zu verlassen. Doch wir sind auch neugierig auf die baltischen Länder! Litauen, Lettland und Estland liegen vor uns. Leider haben wir für diese drei Länder insgesamt nur eine Woche Zeit. Viel zu wenig, darüber sind wir uns im Klaren. Wir halten einfach jetzt schon fest: Wenn es uns gefallen sollte, wovon wir schwer ausgehen, kommen wir einfach das nächste Mal für längere Zeit wieder!

Comment now!
















Trackbacks