Ein ganz normaler Morgen in Ulaanbaatar. Noch ist der Morgenhimmel dunkelblau. Nur langsam bricht die Sonne ihre ersten Strahlen in die noch leeren Straßen. Im Dämmerlicht halten wir das erste Auto an, das uns auf dem Weg zum Bahnhof begegnet. Ein junger Mann sitzt im komfortablen weißen Wagen. Er willigt ein uns zum Bahnhof zu bringen. Als ich frage was es kostet winkt er ab: “I just help!”, erklärt er freundlich. Wir steigen ein. Er spricht überraschend gut Englisch und auch ein paar Brocken Deutsch. Wir unterhalten uns über seinen Job als Marketing Designer und die Mongolei. Am Bahnhof angekommen lehnt er einen weiteren Versuch ihm Geld anzubieten dankend ab. Wir sind überrascht, das ist uns noch nie passiert! “Tschini ner hen be?”, frage ich ihn flüssig (“Wie heißt Du?”) und bin ganz stolz als er mich sofort versteht. Habe ich also doch ein bisschen Mongolisch gelernt!

Wir haben genügend Zeit um unsere letzten Tögrög auszugeben und unseren Zug zu finden, was nicht schwer ist, das Gleis wimmelt von Europäern und Touristen. Als der Zug einfährt sind wir überrascht wie modern er ist: alles ist viel neuer und ordentlicher als in den Zügen mit denen wir bisher gefahren sind. Wir beziehen unsere Kabine und zu uns gesellen sich ein holländischer Hobby-Fotograf, der auf Motivsuche durch Asien reist, und ein junger Engländer, der in Südostasien ein neues Leben beginnen will.

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Ich hätte nicht gedacht, dass mir der Abschied von Ulaanbaatar doch so schwer fällt…

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Ein letztes Mal genießen wir den Blick in die endlose Weite des mongolischen Graslandes.

Am Abend erreichen wir die Mongolisch-Chinesische Grenze. Mittlerweile sind wie ja schon ganz erfahrene Grenzüberquerer, diesmal gibt es jedoch wieder etwas Neues für uns: Bei der Überquerung der Grenze wird das Fahrwerk gewechselt, da die mongolischen, genau wie die russischen, Gleise weiter auseinander liegen als die chinesischen. Dieser Umstand hat seinen Ursprung angeblich im Zweiten Weltkrieg, als die Russen mit dem Bau breiterer Gleise eine deutsche Invasion auf dem Schienenweg verhindern wollten. In der Zeit der Sowjetunion wurde dann die Norm für den Gleisabstand der Sowjetstaaten an die Russlands angepasst – wahrscheinlich wurde in einigen der Sowjetstaaten das Gleisnetz erst durch Russland eingeführt und gebaut – was Handel und Verkehr innerhalb der Union natürlich stark vereinfachte. Obwohl die Mongolei nie Mitglied der Sowjetunion war, stammt das Schienensystem wahrscheinlich auch vom großen Nachbarn im Norden. Alles Spekulationen, die wir im Abteil diskutieren, während die Waggons unseres Zuges von einander getrennt und dann in einer Halle nach und nach erst eingespannt und dann Millimeter für Millimeter in die Höhe gestemmt werden. Sobald der Waggon in etwa 2 m Höhe schwebt, wird das Fahrgestell unter ihm entfernt und ein neues, schmaleres, auf enger liegenden Schienen darunter geschoben.

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Wir können unseren Waggonnachbarn dabei zusehen, wie sie ratlos in der Halle schweben.

Nach den gewohnten Passkontrollen, Einreise- und Ausreisedokumenten, Zolldeklarationen und Kurzbefragungen (“What’s your name?”) dürfen wir beide Grenzposten endlich hinter uns lassen und uns in unsere Betten schmeißen. Zeit zum Schlafen!

Am nächsten Morgen fällt uns sofort auf: China ist nicht Mongolei! Eigentlich war das ja klar, wir sind dennoch überrascht wie sich Landschaft und Architektur über Nacht gewandelt haben: Überall wird etwas angebaut, jeder Zentimeter wird für Mais oder anderes Gemüse genutzt. Die Häuser sind wieder aus Stein, Jurten sehen wir keine mehr.

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Ich krame mein Chinesisch Wörterbuch heraus und beginne mit den ersten Worten. “Nǐ hǎo” kann ich schon mal sagen. Ich lerne die Zahlen: yi, èr, san, sì, wǔ, liù, qi, ba, jiǔ, shí mit den dazugehörigen Handzeichen. Die Chinesen können nämlich mit einer Hand bis zehn zählen. Und was bei uns wie eine Zwei aussieht ist hier eine Acht, was schon mal zu Missverständnissen führen kann!

Außerdem muss man wissen wie man Pinyin, die Übersetzung der chinesischen Bilder in lateinische Buchstaben, ausspricht:

c = ts

ch = tsch

j = dj wie Djerba

h = ch wie auch

q = tj wie tja

r = englisch r wie red

s = ss

w = englisch wa wie water

z = ds

zh = dsch

Chinesisch ist so viel anders als jede Sprache, die ich je versucht habe zu sprechen. Eigentlich ist es aber ganz leicht: Die Sprache ist nach Silben aufgebaut. Jede Silbe hat eine andere Bedeutung. Damit wir die als Bilder dargestellten Silben lesen können, wurde Pinyin eingeführt und Chinesisch somit in lateinischen Buchstaben darstellbar. Manche Silben sind zwar auf Pinyin gleich geschrieben, werden jedoch unterschiedlich betont. Und das ist, wie man sich vorstellen kann, der Teil ab dem es schwierig wird. Sich die fremden Silben zu merken (z.B. shí = Zehn) ist nicht mehr als eine Gedächtnisübung, denn die Silben haben absolut gar nichts mit ihrer Englischen oder Deutschen Übersetzung zu tun. Wenn man aber bedenkt, dass sie in einer anderen Betonung (z.B. shì = Ja oder Sein) eine ganz andere Bedeutung haben, kann man schon mal verzweifeln, wenn man versucht die Worte zu einem einfachen Satz zusammen zu fügen.

Damit man sich ein Bild von der Vielfältigkeit unterschiedlicher Betonungen machen kann, muss man sich der vier bzw. fünf verschiedenen Tonlagen bewusst sein, die im Chinesischen verwendet werden:

1. Ton: der hohe Ton

In Pinyin gekennzeichnet durch einen horizontalen Strich auf dem zentralen Vokal und ausgesprochen als einen monotonen hohen Ton. (Leider ist der Buchstabe hier nicht darstellbar)

2. Ton: der hohe steigende Ton

Die Betonung beginnt auf mittlerem Niveau und steigt dann, wie bei einer Frage, am Ende an. Der zweite Ton ist gekennzeichnet durch einen von links unten nach rechts oben aufsteigenden Strich auf dem betreffenden Vokal. Z.B. nín = höfliche Anrede “Sie”.

3. Ton: der tiefe fallend-steigende Ton

Die Stimme beginnt auf niedrigem Level, fällt dann tief ab und steigt am Ende wieder an. Wie ich finde, der komplizierteste Ton. Dargestellt wird er mit einem nach oben geöffneten Häkchen. Z.B. nǐ = Du.

4. Ton: der hohe fallende Ton

Der vierte Ton beginnt in einer höheren Stimmlage und fällt dann plötzlich ab. In Pinyin wird dafür ein von oben links nach unten rechts fallender Strich verwendet. Z. B. bù = Nein, Nicht.

Der 5. Ton ist kein wirklicher Ton, sondern eher eine kurze und tonlose Aussprache mancher Silben.

Da ich schnell an diesen Betonungsunterschieden verzweifele, versuche ich mich allein auf das Einprägen der Silben zu konzentrieren. “Wǒ jiào Kathrin.” – “Nǐ jiào shénme míngzi?”

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Gemächlich kurven wir durch den Norden Chinas und durchqueren dabei wunderbare Landschaften.

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Leider kündigt sich hier, zwei Stunden vor unserer Ankunft, die Stadt schon durch ihren Smog an.

Endlich erreichen wir Peking und obwohl wir wussten, dass es eine ganz andere Welt sein würde als wir sie aus der Mongolei gewohnt sind, sind wir doch überwältigt von der Größe und der Modernität, die uns empfängt. Wir verlassen unseren Zug und begeben uns auf die Suche nach einer U-Bahnstation. Auf dem Platz vor dem Bahnhof wimmelt es vor schwarzhaarigen Chinesen, die mit Musik in den Ohren, viel zu großen Nerd-Brillen auf den Nasen, Aktentaschen unter ihren Armen und auf Stöckelschuhen stolzierend oder in dicken Sneakers lässig um uns herum wuseln.

Endlich finden wir die U-Bahn und staunen erneut: Alles auf Englisch! Und so leicht zu bedienen. Ein Ticket, egal wohin, kostet 2 Yuan (ca. 30 cent), die Wege sind übersichtlich ausgeschildert und am Bahnsteig trennt eine Glaswand Passagiere und Gleis. Der Zug fährt passgenau ein und Zug- und Glastüren öffnen sich gleichzeitig. Im Innern geht das Staunen weiter: Die Stationen werden durch leuchtende Punkte angezeigt, die freundliche Stimme im Lautsprecher kündigt alle Stationen in vereinfachter Aussprache und auf Englisch an.

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“Tsching-tschang-tschong”, sagt die chinesische Stimme, “Please get ready for your arrival”, bitte sie auf Englisch.

Im Zug werde ich gleich neugierig beäugt. Die Leute gucken interessiert, erstaunt, bewundernd. Sie nicken mir anerkennend zu. Das macht einen aufrechten Gang!

Eigentlich kann man sich hier gar nicht verfahren, uns gelingt es aber dennoch. Als wir an unserer Station nicht den richtigen Ausgang finden, fahren wir einfach noch eine weiter, weil die nächste fast genauso geschrieben wird. Draußen sprechen wir dann ein paar Chinesen an, von denen eine junge Frau dann auch endlich Englisch spricht. Hilfsbereit nimmt sie uns sofort mit und ist ganz aufgeregt uns Fremdlinge durch ihre Stadt zu führen. Wir laufen zurück zur vorherigen Station und sie fragt sich durch bis sie unser Appartement gefunden hat. Leider ist keiner da und wir müssen vor verschlossener Tür warten. Ein anderer junger Chinese, der eigentlich gar kein Englisch kann, bringt uns dann endlich zu unserem wirklichen Ziel, ein Haus weiter. Allein hätten wir das nie gefunden!

Im English and Culture Lab, wo wir als Couchsurfer untergebracht sind, werden wir gleich freundlich und in perfektem Englisch von Zoe, wie wir später erfahren der “großen Zoe” oder “Big Zoe” – einer Bewohnerin, die auch als Tutorin arbeitet, empfangen und zu unseren Zimmern geleitet. Unsere Unterkunft ist diesmal ganz anders als wir es von unseren bisherigen Couchsurfing Erfahrungen gewohnt sind: Wir leben nicht bei einer Privatperson zuhause sondern zusammen mit jungen chinesischen Studenten in einer Art Englischschule. Hier leben und lernen 15 Schüler und Lehrer in vier Zimmern zusammen, getrennt nach Jungs und Mädels. Überall kleben kleine Zettel an den Wänden:  “11.30 pm rule!”, “Study hard daily. Speak English only!” oder “Keep tidy here!”, die die Schüler an die Regeln der Wohngemeinschaft erinnern.

Ich werde in einem 2-er Zimmer untergebracht, Christian zieht ins große Jungszimmer, das er sich mit fünf anderen teilt. Sein Zimmer verfügt über ein eigenes kleines Bad. Ansonsten gibt es noch ein Gemeinschaftsbad mit Uraltwaschmaschine auf dem Flur. Der Arbeits- und Unterrichtsbereich besteht aus zwei aneinander gestellten Schreibtischen, auf denen sich allerlei Laptops, Bücher, Stifte und Zettel stapeln. Außerdem gibt es noch ein paar einzelne Arbeitsplätze an den Wänden. Die Küche ist klein und ziemlich unordentlich und ist allein das Reich der Haushälterin, die hier einmal täglich das Mittagessen kocht und die Böden putzt. Ansonsten sieht die Wohnung aus wie sie nun mal aussieht wenn 15 junge Chinesen gemeinsam hausen: Überall ist es ein bisschen durcheinander und schmuddelig, jeder lässt seinen Kram überall rumliegen, Berge aus Zetteln und leeren Cola-Flaschen türmen sich in viel zu kleinen Mülleimern und im Bad herrscht im schwülen Klima ein Shampoo-und-Duschgel-Chaos.

Wir beziehen unsere Schlafplätze und lernen nach und nach die Studenten kennen: Die große Zoe haben wir ja bereits kennengelernt. Sie wohnt zusammen mit der zweiten, kleinen, Zoe der Wohngruppe im vierer-Mädels-Zimmer. Große und kleine Zoe sind wie Pech und Schwefel. Obwohl sie unterschiedlicher nicht aussehen können – die eine groß und kräftig, die andere klein und zierlich – sind sie doch unzertrennlich und ständig damit beschäftig einander zu necken, zu kitzeln oder anderswie zum Kreischen zu bringen.

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Mit den beiden Zoes teilt sich Jane ein Zimmer, die mir sogleich zeigen will was sie von mir hält!

Wir lernen den 23-jährigen Jack kennen, der sich nach Jack Sparrow aus “Fluch der Karibik” benannt hat und Computer Science studiert. Er kommt jeden Tag mit dem Zug ins English Lab gefahren, da seine Eltern nicht weit entfernt im Süden der Stadt wohnen. Auch Lampard wohnt mit seinen 29 Jahren nicht im English Lab, sondern mit seiner Frau zusammen in der Stadt. Als ältester Student wird er von den anderen immer ein bisschen aufgezogen. Die 22-jährige Sheala kommt ebenfalls nur für ihre Englischstunden ins English Lab. Sie studiert Hotelmanagement und ich helfe ihr bei der Suche einer geeigneten Hotelmanagement Schule in der Schweiz. Nach England oder Australien würde sie aber auch gerne gehen.

Mit Christian im Jungszimmer wohnen der erst 24-jährige Englischlehrer Clint, der nie einen Englischkurs besucht hat und sein American Englisch allein aus dem Internet hat, der wortkarge Tony, der lieber Computerspiele zockt, statt am Unterreicht teil zu nehmen, Andy, ein ABC (American born Chinese) aus Washington, der an der University of Virginia Chinesisch studiert hat und nun in Beijing sein Chinesisch anwenden und erweitern will und Bill, der mit seinen 18 Jahren genau weiß was er werden will: Manager! Seine zurückhaltende Freundin Michelle lebt zusammen mit den zwei Zoes und Jane im Vierer-Mädels-Zimmer. Sie ist bereits 23, was sie jedoch ungerne verrät, und hat schon ein Computer Studium hinter sich. In einem weitern Zimmer leben Daniel und seine Freundin, die wir jedoch nur flüchtig begrüßen, zusammen mit Ada, die ihr Finance Studium nicht besonders interessant findet. In meinem Zimmer lerne ich Charly kennen, die mich mit ihrem flüssiges Englisch überrascht. Ihre gute Aussprache kommt wahrscheinlich von ihrer Lieblingssendung “Nikita”, die sie gespannt im Internet verfolgt. Dort bewundert sie die viel zu schöne U.S. Amerikanische Hauptdarstellerin mit dem perfektem Body dabei, wie sie irgendwelche mysteriösen Fälle löst. Charly erklärt mir, dass nicht sie in dem Bett über meinem wohnt, sondern ihre Schwester, die aber momentan nicht da sei.

Allen Studenten gemein ist der Wunsch im Ausland zu studieren und vielleicht sogar der restriktiven Welt der Chinesen zu entkommen. Alle zieht es in die weite Welt in der Hoffnung an einer renommierten Hochschule in den USA oder Kanada ihre Ausbildung zu erweitern und ihren Karrierechancen damit zu verbessern. Ihr momentanes Studium mögen die wenigsten. Wahrscheinlich folgen sie bei ihrer Studienwahl mehr den Vorstellungen ihrer Eltern als ihren eigenen Träumen. Viele von ihnen äußern auch den Wunsch im Ausland zu leben und dort eine  Familie mit mehr als nur einem Kind – wie es in China Gesetz ist und Verstöße mit Bußgeldern bestraft werden – gründen zu können.

Ich bekomme viel Komplimente: Meine blonden Haare sind hier anscheinend ein absolutes Schönheitssymbol. Ich weiß gar nicht wie ich mit all der Bewunderung umgehen soll: “You are so pretty! So cute! So beautiful!”. Hilfe!

Abends essen wir gemeinsam mit einigen der Studenten bei Haosaozi ( = Schwägerin, genauer: die Frau des älteren Bruders) unser erstes chinesisches Essen.

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Beim Essen (von links nach rechts): Lampard, Ada, little Zoe, big Zoe, Jack, Jane und Bill.

Nach dem Essen ziehen die anderen noch weiter zum Karaoke singen. Wir lassen uns lieber in unsere Betten fallen und schlafen wunderbar!

Am nächsten Morgen nehmen uns Jack und Lampard mit in die Stadt, wo wir uns auf die schwierige Mission begeben einen Lonely Planet China zu erstehen. Wir klappern alle Buchläden ab, die englischsprachige Literatur anbieten, finden auch alle Lonely Planets aller möglichen anderen Länder, doch der von China ist auf mysteriöse Art und Weise verschwunden und nicht auffindbar. Uns werden “Alternativen” angeboten, die jedoch eher schöngezeichneten Bildbänden gleichen als informativen Reiseführern. Wir können es nicht glauben, sind wir Opfer der chinesischen Zensur geworden?

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Am Eingang zur Verbotenen Stadt passt einer ganz besonders auf.

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Im Innern der Mauern sorgen die Jungs in Uniform dafür, dass alles schön sauber bleibt.

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Wieder draußen müssen wir das erste Mal für ein paar Fotos herhalten.

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Auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen Square) direkt gegenüber der Verbotenen Stadt, gibt es wenig Möglichkeiten zum Entspannen…

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…aber viele Motive für patriotische Erinnerungsfotos.

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In einem verwinkelten Wohnviertel stellen wir fest, dass die Chinesen kleine Hunde lieben. Angeblich nur als Haustiere…

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Auch ein Ticket nach Shanghai zu kaufen wird eine größere Herausforderung als wir gedacht hätten. Natürlich spricht keiner der Ticketverkäufer Englisch. Aber zum Glück haben wir ja unsere chinesischen Übersetzer dabei. Doch als wir endlich klar machen können was wir wollen, stellt sich heraus, dass es gar keine Tickets mehr geben soll. Vom 1. bis zum 7. Oktober sind in China Nationalferien, während der die ganze Nation unterwegs ist. Wir geben es vorerst auf, wollen sowieso erst in unseren Guide gucken bevor wir ein Ticket kaufen.

Enttäuscht von unseren erfolglosen Versuchen unsere Chinareise zu organisieren, kehren wir zurück ins Appartement und finden im Internet heraus, dass die Chinaversion des Lonely Planet tatsächlich nicht in Beijing und auch nicht in Shanghai erhältlich ist. Grund dafür ist angeblich die Darstellung Chinas auf der Landkarte im Einband. Taiwan wird auf dieser Karte nämlich als eigenständiges Land abgebildet und das ist aus chinesischer Perspektive nicht korrekt. Wir fassen es nicht und Christian verfasst eine Email an den Lonely Planet um von unseren Problemen zu berichten.

Zurück im Appartement lernen wir dann endlich auch unsere Gastgeberin Tracy kennen. Die Leiterin des English Lab hat Lehraufträge an unterschiedlichen Orten in China und kommt daher nur ab und zu in ihrer eigenen Schule vorbei, um mit den Studenten und Lehrern zu reden oder um zu unterrichten. Wir finden es toll, dass sie Couchsurfing nutzt um zum einen Fremden wie uns einen Einblick in chinesische Studentenkultur zu bieten und gleichzeitig ihren Studenten eine tolle Möglichkeit bietet ihre Englischkenntnisse anzuwenden und mehr über andere Länder und Kulturen zu erfahren. Auf diese Art erfüllt das Prinzip Couchsurfing ein wunderbar hilfreiches Instrument für beide Seiten. Wir fühlen uns auf jeden Fall wohl unter diesen interessierten und wissbegierigen jungen Menschen, die uns viel über ihre eigene Kultur verraten.

Beijing Subway.

Abends geht es wieder los zum Essen. Lampards Frau zeigt uns ein Markt-Restaurant, in dem wir aus einer Vielzahl an leckeren Snacks unser eigenes Abendessen zusammenstellen können.

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Jeder bestellt was anderes, alle teilen. Mit auf dem Bild: Die Französin Stephanie und eine Kollegin von Lampards Frau.

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Nach dem Essen (von rechts nach links): Die französischen Couchsurfer Gigi und Stephanie, Jack, Andy, Lampard, seine Frau und ihre Kollegin.

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Abendspaziergang am idyllischen See mit Anglern.

Am nächsten Morgen gehen wir im nahegelegenen Walmarkt Supercenter einkaufen. Dort gibt es auf vier Stockwerken scheinbar alles was das chinesische oder europäische Herz begehrt. Die Backwarenabteilung übertrifft das Angebot des Departementstores in Ulaanbaatar bei weitem. In der Fischabteilung dreht sich meine Euphorie über die riesige Auswahl dann in Grauen: Hier liegen lebende Krebse eingeschnürt und mit Preisschildern versehen nebeneinander, Hummer taumeln durch viel zu kleine Aquarien, genauso wie unterschiedliche Arten von Fischen und Schrimps. Sogar ein paar Schildkröten bemitleide ich erschüttert wie sie ihre Köpfe aus ihren Zellen recken.

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Lebend schmeckt besser.

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Was Tierschützer wohl dazu sagen?

Später fahren wir mit der hochmodernen U-Bahn wieder in den Süden der Stadt und schlendern ein wenig durch den Park des Temple of Heaven.

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Hier verbringen viele Chinesen ihren Nachmittag beim Karten- oder Brettspiel.

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Als Touri schaut man sich natürlich den Tempel an…

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…und lässt sich auf dem Zentrumsstein fotografieren (bringt Glück).

Alte Männer lassen ihre Papierdrachen bis hoch hinauf vor die matte Scheibe der Sonne steigen, die ihr difuses Licht auf die Stadt sickern lässt. Wir begeben uns noch auf den sogenannten Pearl Market, ein prallgefüllter Markt auf fünf Etagen, auf dem alles – von der Sonnenbrille über das iphone und die Outdoorjacke bis zur Perlenkette – als Fälschung zu günstigen Preisen zu erstehen ist. Nur eine Raubkopie des Lonely Planets finden wir leider nicht, einen Versuch war es wert…

Mit müden Beinen lassen wir uns wieder von der U-Bahn zu unserem Appartement fahren. Zuhause lesen wir eine Email vom Lonely Planet. Unser Korrespondent – Tom – wird sich mit seinem Asian Sales Manager in Kontakt setzen, verrät er uns, danach erhalten wir Bescheid ob und wenn ja wo wir in Beijing ihren Reiseführer erhalten können.

Charly ist malwieder da. Sie sitzt in unserem Zimmer am Computer und schaut sich voller Enthusiasmus eine Folge Nikita an als plötzlich ein Mann mittleren Alters hereinkommt. Meggy stellt ihn vor: “This is my uncle, Charly’s father”. Aha! Die beiden sind also gar keine Schwestern, spreche ich sie später an, als Charly von ihrem Vater abgeholt wurde. Meggy erklärt mir, dass es in China keinen Unterschied macht, ob man Schwester oder Cousine ist, die Wörter sind die gleichen. Ich frage mich ob das vielleicht an der Ein-Kind-Politik liegt, damit sich die Kinder nicht so allein  fühlen. Immerhin hat keiner der Studenten im English Lab echte Geschwister…

Der nächste Tag wird der nebligste. Bei feucht-schwüler Luft und einer gefühlten Sicht von hundert Metern fahren wir zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2008.

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Birdsnest: Das Stadion in Vogelnest-Form.

Eine gute Nachricht gibt es jedoch an diesem Tag: Tom hat wieder geschrieben. Im Novotel, direkt an einer U-Bahn Station könnten wir unseren Reiseführer bekommen. Wir machen uns sofort auf den Weg und halten wenig später das über tausend Seiten starke Buch in den Händen. Nie haben wir uns so über einen Lonely Planet gefreut – das hätten wir nicht gedacht! Wir sind stolz diese Mission erfolgreich abschließen zu können.

Nach dem olympischen Spaziergang schonen wir unsere Kräfte und fahren zurück ins Appartement. In unserem neuen Ratgeber studieren wir den Abschnitt über die Chinesische Mauer und entschließen uns kurzfristig am nächsten Morgen dort hin zu fahren – hoffentlich wird das Wetter besser…

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Ein Stück Pekinger Skyline.

Wir haben Glück: Am nächsten Morgen strahlt die Sonne! Das erste Mal seit unserer Ankunft vor vier Tagen. Wir hatten schon befürchtet in Beijing gäbe es keine Tage mit blauem Himmel.

Zusammen mit Bill und Michelle brechen wir um 8 Uhr morgens auf. Wir haben uns überlegt nach Huánghuachéng zu fahren, einem laut Führer touristisch nicht entwickelten Abschnitt, auf dem man die Mauer – trotz offiziellen Verbots – angeblich leicht besteigen könne.

Zunächst müssen wir jedoch mit dem Bus nach Huáiróu fahren um von dort aus mit dem Minibus zu dem  Mauerabschnitt zu gelangen. Nur dass wir den zweiten Teil auch mit dem öffentlichen Bus zurücklegen wollen. Zum Glück haben wir ja unsere beiden Chinesen dabei und Bill ist alles andere als schüchtern. Sobald wir nach eineinhalb stündiger Stau-Fahrt unseren Bus endlich verlassen werden wir sofort von den lokalen Minibus- und Taxifahrern überfallen: Alle wollen uns zur Mauer fahren. Doch mit Bill’s und Michelle’s bestimmter Wortwahl werden wir die penetranten Typen bald wieder los. Wir versorgen uns noch mit Wasser und Keksen und finden dann heraus, dass es einen öffentlichen Bus gibt, der uns bis zur Mauer mitnehmen kann.

Gegen Mittag fahren wir aus der Stadt heraus und befinden uns gleich auf kleinen ländlichen Sträßchen. Um uns herum rascheln die trockenen Maisfelder im warmen Wind, die Landschaft wird hügeliger und vor den einfachen Steinhäusern der Menschen liegen Maiskolben und Kastanien zum Trocknen aufgestapelt. Die Menschen sehen nach Arbeit aus, sie bewirtschaften ihre eigenen kleinen Felder und entlang des schmalen Bächleins saust unser eher gemächlich fahrender Bus durch die bereits sinkende Nachmittagssonne.

Die erste Irritation ist ein Schild mit der englischen Aufschrift “Lake Side View”, dessen Pfeilrichtung wir folgen. Davon habe ich gar nichts gelesen. Eigentlich sollte es doch nach Huánghuachéng gehen, doch die Verhandlungen nach Richtung und Ort haben wir schon lange an Bill abgegeben. Zwar habe ich ihm unser Buch immer wieder unter die Nase gehalten und dabei versucht ihm den unaussprechlichen Namen unseres Wunschziels verbal in sein Gedächtnis zu rufen, doch sicher ob wir dahin fahren wo wir hin fahren wollen, bin ich natürlich nicht.

Doch wir sitzen nun mal in diesem Bus und so werden wir wie alle Mauertouristen (außer uns noch ein paar Chinesen) an der Endstation bei der “Lake Side View” rausgeschmissen.

Nun gut, dann wollen wir mal los, denke ich mir und schaue schon etwas nervös auf meine Armbanduhr: 13.30 Uhr. Wir haben fünfeinhalb Stunden bis hierhin gebraucht. Wenn wir genauso lange für den Rückweg brauchen, können wir eigentlich gleich schon wieder umdrehen. Außerdem fährt der letzte schnelle Bus ab Huáiróu laut Reiseführer schon um 17.30 Uhr. Einen langsamen Bus gibt es jedoch bis 19 Uhr. Ok, alles kein Problem. Jetzt nur gleich schnell zur Mauer, damit wir noch ein bisschen wandern können. Wir schleichen durch die Touri-Ziel-Gerade auf den Eingang zu: 34 Yuan (ca. 4 €) pro Person. Mit Studentenausweis nur die Hälfte. Wir müssen Bill nicht darum bitten uns einen Ausweis zu besorgen, er beginnt ganz von allein alle möglichen Zettelchen und Papiere aus unser aller Portemonnaies zu begutachten und sucht diejenigen heraus, die in seinen Augen als Ausweis durchgehen könnten. Das ganze geschieht direkt vor den Augen der Ticketverkäuferin – wir fragen uns ob das dreist, dumm oder in China ganz normal ist??

Bill verschwindet mit Michelle bei einem Kastanienverkäufer, wir warten. Ich schaue zu den Bergkämmen hinauf, auf denen die gewaltige Mauer thront. Nicht mehr lang…

Natürlich klappt die Betrügerei nicht und wir zahlen den normalen Eintritt, ist mir auch egal, ich werde langsam ungeduldig, immerhin ist es mittlerweile schon 14 Uhr. Schnell durch’s Eingangstor, dann erste Weggabelung und Schild. Wo kommt man hier auf die Mauer? “Underwater Wall” finden wir und Bill will gleich dahin, nein das wollen wir nicht. Orientierungslos geht es weiter.

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So ein hässlicher Staudamm kann die Vorfreude auf das Mauererlebnis doch nicht trüben!

Wir überwinden den Damm – komisch, davon habe ich im Führer gar nicht gelesen – und sind oben angekommen, wieder unschlüssig ob es rechts oder links zu unserer Mauer geht. Bill ergreift erneut die Initiative und erkundigt sich bei der freundlichen Aufpasserin im Staudamm-Häuschen.”Aha”, übersetzt er teilnahmslos “you can not climb the wall. It’s illegal.” WHAT? So ein Quatsch!

Wir trennen uns von den beiden, Bill und Michelle wollen nämlich gar nicht auf die Mauer wie wir jetzt herausfinden, sie wollen zur “Underwater Wall” und am Stausee spazieren gehen. Na gut, dann werden wir halt allein unsere Mauer erklimmen! Immerhin stand ja auch im Führer, dass es offiziell verboten sei die Mauer zu besteigen, was soll die arme Frau da auch schon anderes sagen?

Gesagt – getan: Wir finden gleichen einen steilen Trampelpfad als Aufgang zur Mauerruine.

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Wenige Minuten später spazieren wir oben auf einem überraschender Weise teilrestaurierten Stück Mauer.

Doch so wirkliche Zufriedenheit will sich bei mir noch nicht einstellen. Hatte ich mir das Ganze doch ein wenig anders vorgestellt: Ich wollte die Aussicht genießen, sehen wie sich die Mauer bis in die Ferne über die Berge und Felsen schlängelt und ich dachte, wir könnten Kilometer weit laufen. Stattdessen ist das Stückchen Mauer nach etwa einem Kilometer und ohne besondere Aussicht schon zu Ende, weiter geht es nicht.

Da wir nicht lange Zeit haben laufen wir schnell wieder zurück zum Staudamm. Wir wollen es auf der anderen Seite probieren, wo die Mauer viel höher ist. Wir treffen Bill und Michelle wieder, die unseren Mauer-Eifer nicht verstehen können. Michelle fürchtet sich vor den herumfliegenden Käfern und so gehen die beiden lieber noch ein bisschen spazieren. Wir suchen derweil einen Aufgang zur hohen Mauer. Wir wollen es schaffen – und stürzen uns  voll Motivation von der ehemals mongolischen Seite aus ins Gebüsch.

Erst sind es nur dichte Rankengewächse, deren weiche Blätter und Spinnenweben uns streifen. Von Stein zu Stein klettern wir immer höher der steilen Mauer entgegen. Dann wird der Untergrund rutschiger. Wir halten uns an immer trockener werdenden Sträuchern fest, unter uns poltern die Steine den Hang hinab. Die ersten Dornen kratzen mir über die Arme, viele kleine Splitter in Fingern und Handinnenfläche – So ein Mist! Dann weiter, tiefgeduckt, mit dem Kopf zwischen den Schultern, Augen zukneifen und immer gut festhalten, nur dass es keinen Halt gibt. Wir ruhen aus, sind geschafft, zerkratzt an Armen und Händen, trockene Strauchkrümel in Hose und Schuhen. Die Mauer können wir nur auf der anderen Seite des kleinen Tals sehen, wie weit wir von ihr auf unserer Seite entfernt sind wissen wir nicht. Wir kriechen direkt unterm Dornbuschgeflecht.

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Aussicht im Gebüsch.

Während Christian sich allein auf die Suche nach der Mauer macht, hocke ich verkrampft an einer vertrockneten Wurzel klammernd am Hang und will mich nicht mehr bewegen, weil alles weh tut. Und obwohl er irgendwann tatsächlich fündig wird, ist uns bereits klar, dass das Erklimmen der Chinesischen Mauer von mongolischer (nördlicher) Seite aus eine recht dumme Idee ist, die zum Scheitern verurteilt sein muss. Wir geben auf und rutschen, von Stacheln und Felsen gebremst, den staubig steinigen Hang zurück ins Tal.

Übersät mit Kratzern und ein paar Sträuchern in den Haaren geben wir uns geschlagen – immerhin haben wir’s versucht…

Mittlerweile ist es bereits 15.45 Uhr und wir wollen uns auf den Rückweg zum Bus machen. Bill und Michelle sind noch bei der “Underwater Wall” und wir müssen noch mal eine halbe Stunde auf sie warten. Um 16.30 Uhr kommt unser Bus zurück. Auf dem Rückweg durch die abendliche Sonne erspähe ich dann auch noch das Straßenschild nach Huánghuachéng, das jedoch in eine andere Richtung zeigt als in die aus der wir gerade kommen. Traurigkeit überkommt mich als meine Vermutung bestätigt wird: Wir waren tatsächlich an der falschen Stelle und fahren jetzt daran vorbei, wo wir eigentlich hin wollten. Ich werde sauer, unser Bus fährt furchtbar langsam, den 17.30 Uhr Bus zurück nach Beijing kriegen wir sowieso nicht mehr, immer mehr Leute steigen in den Bus, glotzen mich neugierig an. Ich starre aus dem Fenster – was für eine Enttäuschung! Da bin ich einmal in Beijing und verpasse die Chinesische Mauer! Nicht, dass ich da unbedingt hin wollte, aber da wir jetzt schon mal den Aufwand betrieben haben, stundenlang im Bus gesessen haben, Eintrittsgelder und Fahrtickets bezahlt haben, wäre es doch schön gewesen, wir hätten auch tatsächlich die Stelle gefunden, die wir uns ausgesucht hatten. Wütend schmolle ich die ganze Fahrt, wütend auf den Lonely Planet, weil er ungenaue Angaben macht, wütend auf Bill, weil er uns falsch geführt hat, wütend auf die blöden Chinesen, weil sie für so eine langweilige Attraktion wie einen See und eine “Underwater Wall” auch noch Eintrittsgeld verlangen und wütend auf den Busfahrer, weil er viel zu langsam fährt!

Um ca. 18 Uhr sind wir wieder zurück in Huáiróu. Zum Glück fährt auch noch ein schneller Bus und ich kann mich wieder ein bisschen abkühlen. Ich versuche mich mit der Tatsache abzufinden, dass es wohl diesmal kein richtiges Mauererlebnis für mich geben sollte und freue mich einfach auf die Dusche zu Hause.

Bevor wir den vollgepackten Bus endlich verlassen können, müssen wir noch fast eine Stunde auf einer Strecke von etwa einem Kilometer im Stau stehen. Sobald der Bus hält fliehen wir und fahren mit der U-Bahn zurück. Wir haben alle furchtbaren Hunger, zum Mittagessen gab es heute nur Kekse, Chips und Bonbons. Bill führt uns in ein Hot Pot Restaurant “Little Sheep”. Hot Pot ist eine chinesische Spezialität und erinnert ein bisschen an Fondue: In der Mitte des Tisches steht auf einem Gaskocher eine zweigeteilte Schüssel, in deren einer Hälfte würzige Fleischbrühe mit ein paar Zwiebeln, in der anderen feurige Chilisuppe blubbert. Dazu bestellen wir hauchdünn geschnittenes Fleisch und jede Menge Gemüse, das wir erst in die Suppe schmeißen und dann gar gekocht wieder herausfischen. Natürlich alles auf Reis, mit Chop Sticks (Essstäbchen) und mit ein paar Fleischspießen dazu. Bill demonstriert uns erneut, dass er jeden Essenswettbewerb gewinnen würde, ganz gleich welcher Kategorie: Ob Geschwindigkeit, Lautstärke oder Menge, Bill brilliert in allen Disziplinen! Gesättigt verlassen wir das Restaurant spät abends.

Zurück im Appartement erzählen wir natürlich von unserem Misserfolg, woraufhin uns der junge Englischlehrer Clint erst mal eine Motivationsrede über das Scheitern hält: Er erzählt uns wie viele andere Leute vor uns schon gescheitert seien und dass sie nach vielen erfolglosen Versuchen irgendwann ihr Ziel erreicht hätten und heute berühmt seien. Sein Fazit: Wir sollen uns von unserem Scheitern nicht entmutigen lassen, wir sollen es einfach noch mal probieren.

Am nächsten morgen stehen wir um 6.30 Uhr auf, sitzen um 8.00 Uhr im Bus nach Huáiróu. Heute sind wir nur zu zweit unterwegs. In Huáiróu angekommen stellt sich uns die Frage: Versuchen wir es noch mal mit Huánghuachéng oder sollen wir es mit einem anderen Mauerabschnitt probieren? Der andere Mauerabschnitt heißt Jiànkòu und beginnt im Dorf Xizhàzi. Nach Huánghuachéng kennen wir ja bereits den Weg, jedenfalls bis zur Weggabelung. Ab da sind wir jedoch nicht sicher, ob wir bis zur Mauer laufen können und haben außerdem die Befürchtung am Ende wieder an genau der gleichen Stelle zu landen wie am Vortag. Also wollen wir versuchen nach Jiànkòu zu kommen. Im Kiosk von gestern kaufen wir wieder ein bisschen Proviant ein und fragen die Verkäufer nach dem Mauerabschnitt. Ein junger Chinese kommt dazu mit sehr rudimentären Englischkenntnissen. Er macht uns deutlich, dass es keinen Bus direkt in den Ort gibt, wir müssten ein Taxi nehmen. Zufälliger Weise hat die Kioskbesitzerin auch gleich eine Visitenkarte parat, auf der ein Taxifahrer seine Dienste anpreist. Sie ruft ihn gleich an und findet heraus, dass die Fahrt 70 Yuan (ca. 7,50€) kostet. Nein zu teuer, wir ziehen ab, zur Bushaltestelle, wo wir gestern den Bus genommen haben. Wir halten allen Chinesen unseren Lonely Planet mit den chinesischen Schriftzeichen unter die Nase doch keiner kann uns helfen. Dann kommt plötzlich eine junge Chinesin zu uns: “Can I help you?”, fragt sie freundlich: Gerne! Aber auch sie weiß nichts von einem Bus, der nach Xizhàzi fährt. Wir wechseln die Straßenseite und probieren es an der gegenüberliegenden Bushaltestelle mit der gleichen Strategie. Schnell haben sich ein paar Taxifahrer um uns versammelt, die uns alle lautstark deutlich machen wollen, dass es keinen Bus dorthin gibt. Wir wollen das aber nicht glauben, immerhin leben ja auch Menschen in diesem Dorf, die einen Bus brauchen um in die Stadt und wieder zurück zu kommen. Dann taucht plötzlich die junge Chinesin wieder auf, sie habe gerade mit ihrer Mutter telefoniert und es gäbe doch einen Bus. Wir steigen in einen der nächsten Busse, sie will uns zur richtigen Bushaltestelle bringen. Wir erfahren, dass sie Schülerin ist, doch heute frei hat. Sie ist ganz aufgeregt uns zu helfen und verteidigt uns auch an der nächsten Bushaltestelle gegen die penetrant schimpfenden Taxifahrer. Diese geben jetzt zwar zu, dass der Bus, den sie uns rausgesucht hat, tatsächlich nach Xizhàzi fährt, nur argumentieren sie jetzt, dass wir dann nicht mehr zurück kämen, es gäbe nämlich keinen Bus zurück. So wirklich wollen wir auch das nicht glauben. Nur die Tatsache, dass unser Bus erst in einer Stunde, um 11.30 Uhr, kommt und dann sicher mindestens eine Stunde unterwegs sein wird, macht uns ein bisschen unentschlossen. Wir rechnen Zeit – am Ende bleibt uns dann doch nur wenig Zeit um auf die Mauer zu kommen, bzw. diese erst mal zu finden. Aus der Erfahrung von gestern sind wir vorsichtig geworden. Doch wir stellen bald fest, dass wir uns in einer recht guten Position befinden: Ein Taxifahrer nach dem anderen macht uns sein Angebot. Erst sind es 80 Yuan pro Person hin und zurück, nein, zu teuer. Ok, dann für 140 Yuan für beide hin und zurück. Nein, immer noch zu teuer. Wir haben Zeit, warten entspannt auf unseren Bus. Der nächste bietet für beide Hin- und Rückweg 120 Yuan. Wir machen unser Angebot: 100 Yuan. Die Taxifahrer zeigen uns den Vogel, sie schreiben 56 km auf unseren Handelblock, außerdem vier Stunden insgesamt, das ist ihnen zu wenig Geld. Wir weichen nicht ab, können ja auch mit dem Bus fahren. Keiner scheint uns mehr mitnehmen zu wollen, sie zeigen uns die kalte Schulter. Doch wir lassen uns nicht erweichen und warten weiterhin geduldig ab. Dann kommt endlich unser Mann, der korpulente Typ mit den schwarzen Zähnen. Er winkt uns gleich zu sich, wir zeigen ihm unser Angebot, doch er scheint bereits Bescheid zu wissen und willigt ungeduldig ein, los jetzt, wir fahren!

Also gut, wir steigen in seinen alten schwarzen VW Santana, ein Taxometer gibt es nicht, der Preis ist fix – hoffen wir… Ohne ein Wort zu verlieren saust er mit uns um die Kurven der ländlichen Umgebung. Pferde stehen auf der Straße herum, überholt wird schonungslos: Vor Kurven, in Kurven und trotz Gegenverkehr. Geschwindigkeit ist immer so schnell wie möglich. Ich halte mich fest, hoffentlich geht alles gut! Es geht die Berge hinauf, wir haben einen ersten schönen Blick auf die Mauer und auf die grün bewachsenen Hügel: “Feicháng piàoliang!”, versuche ich Kontakt auf zu nehmen – “Sehr schön!””. Doch der Mann mit dem runden Gesicht und der verspiegelten Sonnenbrille reagiert nicht. Ok, dann eben nicht. In Serpentinen geht es wieder abwärts, über kleine Brücken, durch’s Tal, an winzigen Steinhäuschen vorbei. Nach einer dreiviertel Stunde kommen wir an eine Schranke, wir sollen bezahlen, scheucht er uns. Der Eintritt kostet hier 20 Yuan pro Person. Während Christian die Tickets kauft und ich im Auto warte, erfrage ich noch seinen Namen und verrate ihm, dass ich Kaǐsèlín heiße. Diesmal bekomme ich sogar ein Lächeln. Unweit des Eingangs hält er an und deutet uns, dass wir uns in drei Stunden hier wieder treffen. Auch sollen wir die erste Hälfte – 50 Yuan – schon mal bezahlen. Alles klar, jetzt nur schnell los!

Wir folgen einem geschwungen weißbetonierten Weg durch Obstbaumplantagen und ein Maisfeld. Dann geht es in den Wald und aufwärts, immer weiter, wir machen große Schritte, laufen fast. Ein Mann mit seiner Tochter kommt uns entgegen: “Nǐ  hǎo!”, dann fragen wir auf Englisch wie weit es noch bis zur Mauer ist, zwanzig vielleicht dreißig Minuten erklärt er uns. Keine fünfzehn Minuten später sind wir oben.

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Hier oben sieht es doch schon anders aus als am Stausee von gestern!

Wir sind ganz beglückt, dass wir “unsere Mauer” endlich gefunden haben. Und es ist genau so wie wir es uns vorgestellt hatten: Die Mauer ist original und kein bisschen restauriert. Überall haben sich Büsche, kleine Bäumchen und Blumen auf den Steinen ausgebreitet und schmücken so die historische Ruine. Außer uns treffen wir nur zwei weitere Touristengrüppchen.

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Perfektes Mauerwetter!

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Teilweise ist die Mauer so steil wie eine Leiter. Oder eine Achterbahn…

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Heute werden wir wirklich belohnt!

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Erfüllt von diesen wunderbaren Eindrücken und mit viel Sonne im Gesicht können wir die Mauer endlich hinter uns lassen.

Pünktlich um viertel vor drei treten wir den Rückweg an und sprinten in gleichem Tempo wie wir aufgestiegen sind wieder hinunter. Unser Fahrer ruft schon an. Er sagt etwas, wir sagen, dass wir unterwegs sind, keiner versteht was der andere sagt aber trotzdem ist klar, dass es gleich zurück nach Huáiróu geht. Unten angekommen wartet er bereits und bugsiert uns ungeduldig in seine Karre. In gewohntem Tempo und riskanten Überholmanövern sausen wir wieder durch die grünen Hügel. Ich blinzele noch mal “meiner” Mauer hinterher – heute war’s schön!

Am Ende erweist sich unser Fahrer noch als kleiner Kavalier, als er uns direkt an der richtigen Bushaltestelle rausschmeißt. Ohne große Worte nimmt er dann sein Geld entgegen und ist sogleich verschwunden. Kurz darauf fährt auch unser Bus ein – ein freundlicher Opi freut sich uns helfen zu können und schupst und drängelt uns bis ganz nach vorne, so bekommen wir auch gute Sitzplätze. Wenn kein Geld involviert ist, sind die Chinesen unglaublich hilfsbereit, das haben wir jetzt schon häufiger erlebt.

Auf der staufreien Rückfahrt lerne ich die Sätze: “Zuótián wǒ gǎndào yíhàn. Jintián wǒ gǎndào gaoìng!” – Gestern war ich enttäuscht. Heute bin ich glücklich! Als ich später Meggy meine Sätze aufsage ist sie ganz stolz auf mich, dass ich so schnell Chinesisch lerne und natürlich, dass der heutige Tag so erfolgreich für uns war. Auch Clint fühlt sich in seiner Rolle als Motivator bestärkt und ist zufrieden mit unserer Willensstärke. Beim gemeinsamen Abendessen fühlen wir uns immer noch wie oben auf der Mauer und genießen gleichzeitig das heimatliche Gefühl, das wir mit unserer Umgebung und den Studenten verbinden.

Meggy und ich liegen noch lange im dunklen Zimmer und reden. Erst sind es die üblichen Lektionen: Wie spreche ich dies auf Chinesisch aus und was bedeutet das. Doch dann schwenkt unser Thema auf China und was ich vor unserer Reise über dieses riesige Land wusste. Ich bin mir der Sensibilität dieser Frage gleich bewusst und fange harmlos mit “viele Menschen” und “stark wachsende Wirtschaft” an. Doch Meggy will mehr wissen, sie will über das System sprechen, worauf ich gerne eingehe. Sie verrät mir, dass sie auch weiß, dass in ihrer Heimat die Rechte von Systemkritikern weniger wert sind als die der Regierung. Sie weiß auch, dass die Menschen in ihrem Land weniger Freiheiten haben als z.B. die Menschen in Deutschland und sie ist sich darüber im Klaren, dass die meisten Menschen in China sehr arm sind, einfach leben und noch viel weniger über die Machenschaften der chinesischen Regierung wissen als sie selbst. Sie sagt aber auch, dass sie von Folter und Menschenrechtsverletzungen nichts mitbekommt, was ja auch verständlich ist, immerhin gibt es ja die Zensur. Ich erzähle ihr von der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern und der Kraft des Volkes. Sie ist ganz Ohr. Ich wäge die Vor- und Nachteile der Demokratie ab und sie stimmt mir zu, dass langwierigere Entscheidungsprozesse, mehr Diskussionen und kurzfristigere Veränderungen immer noch besser sind als kein Recht auf eigene Meinung und keine Möglichkeit zur Mitbestimmung. Die Rechtfertigung der Zensur sagt sie sei, dass die Menschen zu ungebildet seien, alle Informationen aufzunehmen und abzuwägen. Doch wir sind uns einig, dass das nur jemand behaupten kann, der etwas zu verbergen hat. Meggy schließt unsere Unterhalten mit der Erkenntnis, dass die Menschen in China mehr Bildung brauchen bis sie ihre komfortable Routine verlassen und sich zur Wehr setzen. Für die meisten Menschen ist es leichter den Regeln zu folgen, auch wenn sie sie nicht verstehen.

Am nächsten Tag ist der Nationalfeiertag der Chinesen: 1. Oktober. An diesem Tag vor 62 Jahren hat Mao vom Balkon des Eingangstors zur Verbotenen Stadt die Volksrepublik China ausgerufen.  Diesen Tag verbringen wir im “Summer Palace”, der Sommerresidenz früherer Herrscher.

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Palast und Park sind wunderschön. Aber wegen des Nationalfeiertages auch gut besucht!

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Beim Chinesisch Unterricht werde ich zur Attraktion.

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Meggy hé wǒ: Liǎng wèi fÄicháng piàoliang péngyou!

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Wunderschönes Beijing!

Am Abend tun wir das was man in Peking nicht versäumen darf: Wir gehen Peking-Ente Essen!

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Die Ente ist köstlich!

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Den restlichen Abend lassen wir – ganz klassisch – mit Karaoke ausklingen.

Natürlich singen uns die Chinesen (Meggy, Jack und little Zoe) routiniert unter den Tisch. Mit heiseren Kehlen geht es erschöpft ins Bett.

Am nächsten Tag lautet unsere Mission: Kochen für alle Mann. Und da wir uns für Kartoffelsalat mit Frikadellen entscheiden, kaufen wir drei Kilogramm Kartoffeln, ein Kilo Gewürzgurken, zwei Kilo Gehaktes, viel Joghurt, Eier und Zwiebeln. Nach Senf und Mayonnaise müssen wir lange suchen und bekommen beides schlussendlich nur im etwas weiter entfernten Carrefour. Obwohl alle Produkte für sich allein seltsam schmecken und wenig mit den Originalen aus Deutschland zu tun haben, wird die Mischung aller Zutaten doch sehr lecker und überraschend geschmacksecht! Wir bekommen alle 16 Mäuler satt – ein voller Erfolg!

Der Abend ist auch sonst ein besonderer: Michelle verlässt das English Lab und das ist für die Studenten Grund genug eine kleine Party zu organisieren. Mit Chips, Süßkram, Wein, Reisschnaps und verschiedenen Fruchtsäften kommt die Party schnell in Gang. Tony macht den DJ.

Bald wird eine leere Plastikflasche herangezogen und wir spielen das gute alte Flaschendrehen. Wir fühlen uns ein bisschen wie mit 15.

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Meggy erfährt, dass Jack sie küssen soll. Charly (die Cousine daneben) freut sich.

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Irgendwann müssen sie alle mal ran: Der Lippenstift geht rum…

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Ada, mach den Catwalk!

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Es folgen Kuchen und eine Kiste Bier vom Kiosk.


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Ihren Höhepunkt hat die Party im Sauf-Kartenspiel “Chinese Poker”.

Am Ende (gegen 1 Uhr!) fühl auch ich mich leicht betrunken und falle müde in mein Bett.

Unser letzter Tag in Beijing. Heute Abend um 21 Uhr fahren wir mit dem Nachtzug nach Shanghai. Ich würde an diesem letzten Tag gerne ein wenig durch Beijing schlendern, ohne viel Touristentrubel, sondern einfach dorthin gehen wo die Bewohner Beijings shoppen, zum Frisör oder zum Mittagessen hingehen. Christian will zu Hause bleiben, Fotos auf DVD brennen und ein bisschen entspannen. Ich frage Meggy ob sie Lust hat mich zu begleiten und mir bei der Suche zu helfen. Als ich mich fertig mache um los zu ziehen, wird mir mitgeteilt, dass noch andere mitkommen wollen: Das französische Paar hat wohl gleiche Vorstellungen. Auch Jack, Tony und Ada und die kleine Zoe wollen mitkommen. Also warte ich, dass auch die anderen sich bereit machen. Doch dann gibt es erst Mittagessen, also warte ich das Mittagessen ab, wonach alle noch ein bisschen ausruhen wollen. Um 13 Uhr soll es dann endlich losgehen, aber Tony muss noch seine Haare waschen (mit ungewaschenen Haaren verlässt er nicht das Haus), eine andere muss sich noch die Zähne putzen, die nächste noch mal Pipi, und so verlassen wir erst um 14 Uhr das Haus. Ich bin schon ein bisschen ungeduldig, immerhin wollte ich bereits um 10 Uhr los und eigentlich auch mal ohne die ganze Bande sondern ganz entspannt einfach zu zweit. Ich sage das Meggy, die sich entschuldigt und vorschlägt, sich später von den anderen abzusetzen.

Endlich geht es los. Sheala kennt den Weg und sagt uns wo es hingeht. Am Eingang der U-Bahn verabschieden sich Tony und Ada von uns, sie haben ein Date und verbringen das natürlich zu zweit. Warum wir dann auf Tony und seine Haare warten mussten, bleibt mir unklar.

Zuerst fahren wir mit der Bahn, dann steigen wir um in den Bus, dann befinden wir uns plötzlich am Eingang irgendeines Parks. Der Eintritt kostet: 10 Yuan das einfache Ticket oder 20 Yuan das all inclusive Ticket. Ich protestiere, doch Meggy kauft für uns beide das teurere Ticket. Als wir durch das Tor den Park betreten, mit See, Tretboten, Brücken, Promenade und viel zu vielen Touristen, fange ich langsam an zu verzweifeln: Genau hier wollte ich eben NICHT hin!

Meggy kauft mir einen Zuckerbeeren-Stab zur Besänftigung.

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Dann soll ich mich auch noch damit fotografieren lassen.

Wir schlendern weiter durch den Park, stellen uns vor die Neun-Drachen-Wand um uns wie tausend andere Chinesen davor fotografieren zu lassen, stehen hier blöd in der Gegend rum, warten da auf irgendwen. Als ich erfahre, dass wir uns als nächstes ein Tretboot mieten wollen platzt mir fast der Kragen und ich wende mich noch einmal an Meggy, sage ihr, dass ich wirklich keine Lust habe meinen letzten Tag hier und so zu verbringen. Dass wir mit unserem Ticket noch andere Sachen sehen können ist mir egal, ich würde jetzt gerne gehen und mit ihr allein noch woanders hin fahren! Meggy versteht mich sofort und erzählt den anderen, ich müsse mich auf meine Abfahrt am Abend vorbereiten. Mittlerweile ist es 15 Uhr und wir laufen – statt wie sonst immer die U-Bahn zu nehmen – zu dem Ort, den Meggy mir zeigen möchte.

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Auf dem Weg durch die belebten Straßen kaufen wir uns eine Portion „Stinkendes Tofu“ – Meggy’s Lieblingssnack.

Am Ende erreichen wir endlich die kleine Gasse, die Meggy mir zeigen wollte.

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Zwar wimmelt es auch hier vor Menschen, aber wenigstens sind wir zu zweit und können ein bisschen schlendern.

Um 18 Uhr bin ich wieder zuhause. Schnell meine Sachen gepackt, dann heißt es Abschied nehmen. Zum Glück ist Tracy auch da, so können wir uns nochmal persönlich bei ihr für die tolle Zeit in ihrer Englischschule bedanken. Auch von Clint und Bill können wir uns verabschieden. Jane will mich gar nicht mehr loslassen und sagt mir, dass sie mich vermissen wird, ein anderes Mädel sagt mir zum Abschied noch schnell wie schön sie mich findet. Ein bisschen traurig fahren wir mit dem Aufzug ins Erdgeschoss.

Schnell noch beim Walmarkt ein kleines Abendessen einkaufen, dann zum Bahnhof. Der Prozess dort erinnert eher an einen Flughafen: Erst müssen unsere Taschen auf’s Fließband und durch den Scan, wir laufen durch den Metalldetektor. Mit Hilfe meines Büchleins finden wir zumindest die richtige Wartehalle. Dort ist unser Zug bereits angeschrieben und zusammen mit vielen hundert anderen Chinesen warten wir in der überfüllten Halle auf den Aufruf unseres Zuges. Als es dann endlich losgeht, müssen wir unsere Tickets beim Durchqueren eines Tores vorzeigen, damit wir den Massen durch den langen unterirdischen Gang bis zum Gleisaufgang folgen können. Unser Zug steht bereits bereit: Ein hochmoderner weiß glänzender Zug. Alles ist digital ausgeschildert, wir finden schnell unseren Wagon und dann auch unsere Plätze. Das Abteil sieht anders aus als wir es uns vorgestellt hatten. Eigentlich ist es ein Schlafabteil mit vier Betten, zwei oben zwei darunter, wie in den anderen Zügen mit denen wir bisher über Nacht unterwegs waren, nur dass wir hier zu sechs Personen untergebracht sind. Zunächst sitzen wir mit den anderen beiden chinesischen Paaren zusammen und versuchen uns zu unterhalten. Obwohl mein Chinesisch ungefähr genauso rudimentär ist wie die Englischkenntnisse einer der Männer, schaffen wir es doch uns über Herkunft, Zielbahnhof, unsere Reise und unser aller Profession auszutauschen – und das obwohl weder Psychologie noch mental oder emotional in meinem Buch aufgeführt sind. Ich beschreibe mich daher schlussendlich als einen Doktor, der Menschen hilft wenn es ihnen schlecht geht. Die Hauptsache ist ja, wir verstehen uns!

Gegen Mitternacht geselle ich mich zu Christian ins obere Bett, die anderen beiden Paare teilen sie die restlichen drei Betten.

Die Nacht wird zwar nicht besonders erholsam, trotzdem können wir immer wieder einschlafen und bequemer als im Sitzen ist es allemal! Zu Beijing sagen wir innerlich Bye-bye – die lebensfrohe Stadt hat uns sehr gut gefallen! Wir wollen auf jeden Fall wiederkommen und auch unsere chinesischen Freunde wieder sehen.

Jetzt freuen wir uns aber auf die Mega City Shanghai: Über 20 Millionen Einwohner und die modernste Stadt Chinas – auch eine neue Couchsurfing Erfahrung wartet auf uns. Wir sind gespant!

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