Shanghai fühlt sich ein bisschen wie zuhause an: Der Straßenverkehr läuft relativ geregelt ab. Es gibt breite verkehrsberuhigte Einkaufsstraßen mit H&M, Zara, Mango, GAP, daneben Wolkenkratzer, Europäer in Anzügen, eine Promenade am Fluss entlang und auf der Getränkekarte finden wir belgisches Bier. Irgendwie ist es aber auch ganz anders: Ohne Hupen läuft auf der Straße gar nichts und Roller und Mopeds fahren auch bei Rot, die Einkaufsstraßen sind überdimensioniert mit Gucci neben Ralph Loren, Prada, Louis Vuitton, Escada und Cartier. Statt drei haben die Gebäude mindestens 30 Stockwerke, Wolkenkratzer bis zu 90, die Skyline erstreckt sich weiter als das Auge blicken kann. Die Europäer – so genannte Expats (Expatriots) leben in den teuren Wohngegenden und bleiben lieber unter sich, die Mehrheit bilden doch ganz normale Chinesen, die mich anstarren wie eine Außerirdische, die gerade auf ihrem Planeten gelandet ist. Leider ist nur das letzte Stück der Flusspromenade ausgebaut, bis wir dort ankommen laufen wir stundenlang an einer dicken Betonmauer entlang, die jeden Blick auf das dreckig braune Wasser Shanghais unmöglich macht. Tja, und die leckeren belgischen Biere haben ihren Preis: das Glas kostet mindestens 5 €, ansonsten gibt es Tee, der nach Gemüsesaft schmeckt oder einfach nur heißes Wasser.

Wie gesagt: Shanghai fühlt sich ein bisschen wie zuhause an. Aber auch nur ein bisschen. Denn es ist auch so ganz anders als jede andere Stadt, die ich je besucht habe. An Superlativen fehlt es der Stadt dabei nicht: Größte Stadt Chinas (über 20 Millionen Einwohner!), höchste Gebäude, teuerste Einkaufsstraßen, abwechslungsreichste Küche, und so weiter. Als wir Shanghai am Morgen erreichen sind wir erst mal glücklich über das milde, leicht tropische Klima. Zwar ist es erst 8.30 Uhr, trotzdem ist es im T-Shirt angenehm und die Luft ist schön feucht (seit der Mongolei sind wir ein bisschen trockenheitsgeschädigt und da tut ein bisschen Schwüle mal ganz gut).

Wir wühlen uns durch den morgendlichen Metro-Verkehr. Während das Bahnhofsgebäude noch weißglänzend modern ist, bietet die Metro, wie die U-Bahn hier heißt, einen etwas älteren und heruntergekommenen Eindruck. Trotzdem ist alles leicht zu finden, zweisprachig und übersichtlich. Als die Metro zur überirdischen Bahn wird, haben wir einen ersten tollen Blick auf die riesigen Gebäude der Mega-City. Obwohl wir noch gar nicht die Hauptskyline sehen – den Financial District – sind wir doch schon beeindruckt von der Vielfältigkeit der Gebäude, ihrer Höhe und ihrer weiten Verbreitung. Es scheint als hätte jedes Gebäude eine Mindesthöhe von 20 oder 30 Stockwerken.

Nach eine Dreiviertelstunde Fahrt erreichen wir endlich unsere Station am südlichen Rand der Innenstadt. Hier müssen wir nicht lange in der warmen Vormittagssonne warten bis Wilkie, unser Couchsurfing Host in Shanghai, uns abholt. Wir sind uns gleich sympathisch und als wir in seiner schmucken Junggesellenwohnung im 24. Stock ankommen, fühlen wir uns schon so heimisch wie bei einem guten Freund.

Wilkie ist Singapurianer und selbst erst vor drei Monaten nach Shanghai gezogen. Momentan lebt er in der angenehmen Ruhephase zwischen zwei Jobs und wartet darauf, dass sein Headhunter den ganzen Papierkram mit seinem neuen Arbeitgeber regelt. In seiner neurenovierten Wohnung mit Balkon wohnen wir in einem eigenen Zimmer mit riesigem Kingsize Bett und weicher Matratze. Wir fühlen uns wie im 5-Sterne Hotel!

Nachdem wir ein wenig ausgeruht haben nimmt uns Wilkie mit in die Innenstadt, wo wir Shirley, eine Freundin von ihm kennenlernen. Wir fahren im Kaufhaus bis ganz nach oben und probieren dort im “Food Republic” Essen aus ganz Asien: Mit Krabben gefüllte Teigbällchen, dampfgegarte Teigtaschen mit Fleischbällchen Füllung, gebratene Kartoffel-Thunfisch-Puffer, Gemüsesuppe und Reis… Wir sind papp-satt und spazieren anschließend durch die Stadt.

IMG_3495 (Small)

Im Kaufhaus treffen wir zufällig zwei andere Freunde. Shirley und Wilke stehen rechts im Bild.

Obwohl die anderen eigentlich die “Locals” sind und wir die Touris, sind wir doch diejenigen, die eine Straßenkarte organisieren und anschließend den Weg durch die French Concession – ein ehemals französisches Wohnviertel, das sich durch sein europäisches Flair mit Cafés und Platanen-Alleen auszeichnet – suchen. Auch die Expats zieht es häufig zum Wohnen in dieses schicke Viertel.

IMG_3514 (Small)

Wir könnten auch in Paris sein.

IMG_3506 (Small)

Wir erhaschen einen Blick auf eine chinesische Hochzeit “Western Style” mit weißem Kleid, Seifenblasen und rotem Teppich – in Shanghai momentan total im Trend!

IMG_3509 (Small)

Ein typisches Bild: Der mobile Trödelmarkt.

IMG_3518 (Small)

Später geht es noch mal mit Wilkie, Shirley und den beiden anderen zum Tee, Kaffee und Kuchen in eine Café-Bar.

Als es dunkel wird wollen wir noch ein wenig durch die hell erleuchteten Straßen der Großstadt schlendern, den anderen reicht es für heute und sie verabschieden sich in die Metro.

IMG_3527 (Small)

Ecke Nanjing Road, vor dem Jing’an Tempel.

IMG_3522 (Small)

Straßenkreuzung: Stadtverkehr unten, Highway oben, Fußgänger dazwischen.

IMG_3535 (Small)

Nanjing Road hat an Restaurants, Geschäften, unterschiedlichsten Gebäuden und Leuchtreklamen einiges zu bieten.

IMG_3536 (Small)

Wieder in Berlin?!

IMG_3544 (Small)

Ab dem People Square, einem riesigen Park im Zentrum der Stadt, werden die Menschenströme immer dichter…

IMG_3550 (Small)

…vereinigen sich auf dem finalen Stück der Nanjing Road…

IMG_3563 (Small)

…und enden schließlich am Bund – der Aussichtspromenade gegenüber dem Financial District.

„Bag-Watch-Gucci-Prada“, ist der Lockspruch der Schwarzhändler, die uns in dunkle Seitengassen entführen wollen.

Als wir das Gedrücke und Geschiebe satt sind suchen wir die nächste Metro-Station und fahren zurück zu Wilkie.

IMG_3578 (Small)

Die Aussicht aus unserem Luxuszimmer ist aber auch nicht Ohne!

Den nächsten Tag verbringen wir mit Orga-Kram. Wir müssen uns überlegen wie wir unsere letzten zwei Wochen in China verbringen wollen. Immerhin müssen wir spätestens am 23. Oktober das Land bereits wieder verslassen und dann nach Nepal einreisen. Wenn wir über Land einreisen wollen, bleibt uns keine andere Wahl als Tibet zu durchqueren. Da Tibet jedoch eine “Protected Area” (eher gesagt “Restricted Area”) ist, dürfen Touristen nicht individuell und frei durch die Autonomieregion reisen, sondern  müssen eine Sondergenehmigung beantragen, bezahlen und eine offizielle Tour buchen. Beides ist ziemlich teuer und entspricht auch nicht unserer Vorstellung des freien Reisens. Selbst öffentliche Verkehrsmittel dürfen wir als Touristen nicht benutzen – die chinesische Regierung legt großen Wert darauf genau zu wissen, was für Erfahrungen Touristen in der besetzten Region machen. Wir müssen uns überlegen, ob wir die teuren Dienste einer Reiseagentur in Anspruch nehmen wollen. Die Alternative ist Fliegen. Möglichkeiten gibt es mehrere: Von Hong Kong, von Shanghai oder anderswo. Der Preis ist jedoch auch ziemlich teuer. Und eigentlich wollten wir das Flugzeug auf unserer Reise auch lieber vermeiden.

Nach einiger Recherchearbeit stellen wir fest, dass Fliegen oder Tibet-Tour preislich keinen Unterschied machen und entscheiden uns für die Tibet-Tour. Immerhin ist die Region ein ganz besonderes Reiseziel und wer weiß wie lange der tibetische Lebensstil dem Druck der chinesischen Kommerzialisierung noch Stand halten kann. Selbst heute ist es schon schwierig das wirklich ursprüngliche Tibet erleben zu können.

Christian schreibt viele Emails hin und her bis sich herausstellt, dass wir uns in Chengdu einer Gruppe von drei Personen, einem holländischen Paar und einer U.S. Amerikanerin, anschließen können, die eine 7-Tage-Tour über ein Hostel gebucht haben.

Bei Wilkie klingelt es zwischendurch immer mal wieder: Er erhält ein paar Päckchen vom Onlineversand Taobao, einer Art ebay, nur mit Schwarzmarktcharakter. Die Boss Käppis und BMW-Schlüsselanhänger, die er dort kauft sind alle gefälscht, und deshalb auch so preiswert. Wilkie ist ein richtiger Taobao-Holic: “If it’s a best seller, it’s guarenteed good quality and I can buy it really cheap!”, klärt er uns auf – er macht immer einen guten Deal!

IMG_3585 (Small)

Am Abend treffen wir uns auf Bier und Longdrinks mit Shirley und Wilkie in einer Sports-Bar.

Wieder einen Tag weiter und wir treffen uns mit Zhuo, einer Freundin von Wilkie, der sich schon bei uns entschuldigt – eigentlich hätte er lieber mehr männliche Freunde, aber irgendwie gelingt ihm dieses Vorhaben nicht, Frauen scheinen ihn lieber zu mögen und Männer seien nicht an Männerfreundschaften interessiert. Armer Wilkie!

IMG_3604 (Small)

Zhuo führt uns zu ihrer Uni, an der sie erst Journalismus studiert hat und heute selber als Englischlehrerin arbeitet.

IMG_7048 (Small)

Wir genießen die entspannte Atmosphäre und lassen uns von Zhuo inspirieren.

IMG_7052 (Small)

Nachdem wir über den Campus geschlendert sind fahren wir mit dem Mofa-Taxi zum nächsten Restaurant und teilen uns ein leckeres Abendessen Koreanischer Art.

Während Wilkie sich auf ein Date mit einer weiteren weiblichen Freundin macht, fahren wir mit Zhuo zusammen in den Financial District, trinken leckere Fruchtcocktails und spazieren am Ufer mit Blick auf den Bund.

IMG_7066 (Small)

IMG_3633 (Small)

Der Pearl-Tower ist schon ein bisschen größer als der Alex in Berlin.

IMG_3635 (Small)

Zur Mondnacht gibt’s einen Mangonachtisch.

Mit Zhuo zu reden ist sehr angenehm. Sie ist selbst schon viel gereist, kennt viele europäische Länder, vor allem Deutschland – sie war schon in Köln, Düsseldorf, Berlin, Hamburg, München, Mönchengladbach, sogar Münster kennt sie – und hat daher schon viel gesehen und erlebt. Obwohl sie erst 26 Jahre alt ist, verdient sie schon ihr eigenes Geld und ist von ihren Eltern finanziell unabhängig. Durch ihre unterschiedlichen Erfahrungen hat sie einen ganz anderen Blick auf die chinesische Kultur als andere Chinesinnen in ihrem Alter. Sie sagt uns, dass die meisten jungen Frauen ihres Alters so schnell wie möglich heiraten wollen. Zwar hat sie den gleichen Wunsch – Traummann kennenlernen, heiraten, sesshaft werden, Familie gründen – sie ist dabei jedoch wählerischer als die meisten anderen Frauen. Sie erzählt uns, dass es in China nicht nur zwei Menschen sind, deren Leben sich durch eine Partnerschaft überschneiden, sondern auch zwei Familien. Ihre Mutter ruft sie jeden Tag an und fragt, ob sie endlich einen Mann kennengelernt habe und was sie denn vor habe um endlich einen kennen zu lernen. Zhuo versucht sich mit kleinen Lügen und Ausflüchten herauszureden. Dabei ist der Charakter des Partners weniger wichtig als seine Herkunft und sein Einkommen. Doch darauf hat Zhuo keine Lust! Sie wünscht sich einen zuverlässigen Mann, der für sie da ist, sie versteht, ihre Interessen teilt. Traurig, dass diese Dinge, die für uns so selbstverständlich klingen, in der chinesischen Kultur überflüssiger Luxus sein sollen. Wir reden lange über sehr persönliche Dinge mit einander. In Zhuo haben wir eine ganz außergewöhnliche und sensible junge Chinesin getroffen.

Obwohl wir eigentlich schon ziemlich müde sind, testen wir doch noch ein wenig das Shanghaier Nachtleben.

IMG_3641 (Small)

Das M2 ist angeblich zur Zeit einer der angesagtesten Clubs in Shanghai.

Doch obwohl wir keinen Eintritt zahlen müssen werden wir nicht so richtig warm mit der Party-Crowd. Es scheint hier normal zu sein, sich mit einer Gruppe von Leuten einen eigenen Tisch zu mieten, an dem man von niedrigen Lounge Sofas Champagner und Longdrinks schlürft, dazu gibt es Melonenhäppchen für die gute Figur. Die Männer tragen Anzug, die Frauen das kürzestes und knappste was sie an dem Abend aus dem Kleiderschrank gezogen haben, kombiniert mit den passenden Lackhacken und entsprechenden Accessoires sowie einem Iphone dessen Bildschirmbeleuchtung die geschminkten Gesichter blau leuchten lässt. Da eine kleine Flasche des billigsten Biers schon 4,50 € kostet, fragen wir uns was die gedeckten Tische wohl kosten. Dazu kommt noch, dass das Publikum eher einer feiernden Abiklasse gleicht, Leute in unserem Alter finden wir nur unter den anderen “Weißen”, d.h. Europäern, die leicht zu erkennen sind. Wir fragen uns wo die ganzen Scheine herkommen, mit dem all das bezahlt werden muss. Auch die Musik entspricht nicht so ganz unserem Geschmack. Dass DJ tatsächlich ein Beruf sein kann, scheint hier keinen zu interessieren, und so dröhnen die Höhepunkte sämtlicher Charts-Party-Hits in enger Endlosschlaufe über die viel zu kleine Tanzfläche.

Nach einer Stunde sind wir wieder draußen. Wir sind entweder zu müde, zu alt oder zu anspruchsvoll um hier mitfeiern zu können.

Am nächsten Tag heißt es unseren Tibet-Trip fest zu zurren. Wir werden vom allmorgendlichen Feuerwerk geweckt. Die Chinesen scheinen gerne mit lauten Böllern (ohne Farben – macht ja auch tagsüber wenig Sinn) alle möglichen Dinge zu feiern. Chinaböllergekrache gehört mit zum alltäglichen Stadtlärm.

IMG_3645 (Small)Wilkie hat immer noch Besuch von Waiwai.

IMG_3648 (Small) Die reiseerfahrene Zhuo weiß wie sehr wir frisch gebrühten Kaffee vermissen und kocht uns einen leckeren aus Cambodia-Bohnen in ihrer WG.

Danach begleitet sie uns bei der Erledigung unserer To-Do-Liste:

Päckchen mit gebrannten Fotos nach Deutschland schicken, Tickets für unseren Zug nach Chengdu kaufen, Geld für die Reiseagentur überweisen. Alles klappt, wenn auch in letzter Sekunde. Obwohl die Bank vor fünf Minuten geschlossen hat, kommen wir wegen einer Mischung aus exotischem Aussehen, geschickten Überredungskünsten und Glück am Security Chinesen vorbei und können Dank Zhuo’s Geldkarte den Betrag direkt auf das Konto der Agentur überweisen. Als alles erledigt ist sind wir erleichtert und unglaublich dankbar – ohne Zhuo hätten wir das nie so schnell hinbekommen!

Zur Belohnung gibt es leckere Eier-Pudding-Teilchen (Egg Cup Cake).

Zhuo fährt wieder nach hause, wir treffen uns mit Shirley zur Massage.

IMG_3674 (Small)

Unsere erste Massage in China wird wunderbar entspannend!

Danach geht der Stress aber weiter: Wir wollen am Abend Pfannkuchen backen für alle. Dazu brauchen wir eigentlich nicht viel: Mehl, Milch, Eier. Und zum Belegen natürlich Äpfel und Zimtzucker für die süße Version und für die herzhaften haben wir uns Spinat mit Schafskäse und Schinken mit Gouda überlegt. Shirley führt uns in einen japanischen Supermarkt in dem wir all dies bekommen sollen. Tatsächlich finden wir verschiedene Sorten importierten Feta, Gouda und Schinken, doch die normalen Packungsgrößen kosten da schon mal 6,50 €. Auch das Kilo Mehl kostet in der günstigen Variante 3 €. Frustriert entscheiden wir uns für den Mittelweg. Wir verzichten auf Spinat und Schaftkäse und kaufen stattdessen grüne Paprika und Zwiebel, wir lassen den teuren Schinken liegen und nehmen den günstigeren Frühstücksspeck, statt Gouda gibt es Schabletten Käse. Von Zimt hat hier jedoch noch niemand was gehört.

Als wir endlich bei Wilkie ankommen müssen leider die ersten schon wieder gehen. Die Chinesen essen normalerweise vor sechs Uhr abends. Dann stellen wir Wilkies Küchenausstattung auf die Probe: Handmixer? Hat er nicht. Schneebesen? Leider auch nicht.

IMG_7083 (Small)

Also schlagen wir den Eischnee mit der Gabel – wie zu Omas Zeiten.

Den neugierigen Frauen bringe ich das Eiertrennen bei – zum Glück haben wir ein paar Eier zu viel und so darf auch mal eins kaputt gehn. Eine flache Pfanne suchen wir auch vergeblich. Im chinesischen Haushalt hat der Wok Vorrang. Aber zum Glück hat Wilkies Wok eine kleine runde Fläche am Boden und so werden unser Pfannkuchen eben ein bisschen kleiner. Dafür aber genauso lecker wie zuhause und sie schmecken sogar den Chinesen. Obwohl nur die Hälfte der eingeladenen Gäste zum Essen bleiben kann, machen wir uns trotzdem einen gemütlichen Abend mit Käsekuchen zum Nachtisch und einem deutschen Film (“Wir sind die Nacht”), der Fernweh nach Berlin macht. Als ich im Abspann die ganzen deutschen Namen lese, kommt mir diese Sprache schon fast ein bisschen fremd vor und ich kann verstehen, warum wir Deutschen im Ausland häufig als so gebildet und ordentlich wahrgenommen werden. Die deutsche Sprache wirkt und liest sich doch ein wenig vornehmer als Chinesisch, Mongolisch oder Russisch.

Am nächsten Tag machen wir unseren Vertrag für Tibet fertig: Wir drucken die vier Seiten beim Copyshop in der Nähe aus, füllen alles aus und schicken es dann abfotografiert wieder zurück. Jetzt muss nur noch die Arbeit durch die Agentur klappen und unsere Reisegenehmigung erteilt werden.

IMG_3686 (Small)

In den Seitengassen von Shanghai begegnen einem manchmal unerwartete Bilder.

Eine Seitenstraße weiter tobt der Verkehr auf acht Spuren,..

IMG_3695 (Small)

…hier trocknet Wäsche und die Leute spielen Schach.

IMG_3704 (Small)

Wir holen uns ein leckeres Mittagessen in einer kleinen Seitenstraße.

IMG_3707 (Small)

Dann erkunden wir unser Stadtviertel und beobachten die Menschen bei ihren Alltäglichkeiten.

Meine Beziehung zu den Chinesen gestaltet sich zunehmend ambivalenter. Zum einen sind sie furchtbar freundlich und hilfsbereit, vor allem wenn man ein paar Worte Chinesisch spricht. Auch untereinander haben sie keine Scheu auf einander zu zu gehen, sich nach dem Weg zu erkundigen oder sonst aus irgend einem Grund mit einander in Kontakt zu kommen. Auch die ganzen Komplimente, die uns manchmal ganz schwindelig werden lassen, zeugen von starker Höflichkeit. Auf der anderen Seite ekeln sie mich aber auch so an, dass ich am liebsten meine Ohren zustopfen würde um nicht ihr ständiges Hochziehen von Rotze und Schleim aus Nase und Rachen miterleben zu müssen. Ich würde sie dann gerne mit der Pinzette in die heiße Badewanne stecken, einweichen lassen und dann ihre viel zu langen und viel zu schwarzen Fingernägel schneiden, ihre fettigen Haare waschen und ihnen dann saubere Klamotten anziehen. Dann würde ich ihnen erklären, dass Essensreste nicht auf die Straße sondern ins Klo gehören und man sich zum Kotzen auch genau dorthin zurück ziehen sollte. Es ist echt ekelhaft wodurch wir hier stapfen, manchmal will ich gar nicht hinsehen, hinhören, manchmal mache ich es aber auch ganz bewusst und muss dann gleich auf Deutsch meinem Ekel Luft machen. Auch beim Essen gelten hier andere Vorstellungen darüber was appetitlich ist und was nicht. Wobei mir scheint, dass hier alles erlaubt ist und nichts irgendwem den Appetit verderben kann. Stattdessen schmatzen, schlabbern und schlürfen alle weiter, spucken ihre abgelutschten Knochen auf den Tisch und lassen ab und zu mal einen erleichterten Rülpser über den Tisch gleiten. Manchmal habe ich sogar das Gefühl so ein Rülpser diene bei manchen als eine Art Begrüßungsritual: Einmal Rülpsen, Schleim hochziehen, dann kennt man sich, ist fast so gut wie Hände schütteln.

Natürlich sind nicht alle und immer so! Zhuo verdreht auch die Augen wenn neben ihr wieder jemand einen fetten Spuckeflatschen auf die Straße rotzt, in den der nächste sogleich reintritt, und Wilkie kommt ebenfalls ohne Rülpsen aus. Aber der ist ja auch kein Chinese. Mir scheint jedenfalls als würde ein Großteil der Chinesen von diesen – aus europäischer Sicht sehr Ekel erregenden – Tätigkeiten Gebrauch machen.

IMG_3709 (Small)

Vor diesem Hintergrund sieht die Stadt dann auf einmal ganz anders aus.

IMG_3717 (Small)

Doch der sympathische Granatapfelverkäufer rückt alles wieder in freundlicheres Licht.

IMG_3719 (Small)

Chinesische Kultur heißt eben auch: Mitten am Tag im Park tanzen.

IMG_3734 (Small)

In den kleinen Seitengassen stöbern wir nach Souvenirs und Andenken.

IMG_3724 (Small)

Im Großstadtdschungel überqueren wir vielspurige Straßen.

IMG_3740 (Small)

Auf den kleineren Straßen herrscht das ganz normale Chaos.

IMG_3747 (Small)

Im Park lassen die Männer ihre Papierdrachen steigen.

IMG_3762 (Small)

Und in der Altstadt gehen die Menschen geschäftig ihren Besorgungen nach.

Am Abend gibt es ein zweites Mal Pfannkuchen. Auch Zhuo und Shirley sind wieder mit dabei.

Der nächste Tag ist schon unser vorletzter. Wir wandern zum Gelände der Expo 2010 und wollen von dort aus am Wasser entlang zum Bund laufen. Leider ist das verlassene Expo-Gelände nicht für Fußgänger ausgelegt. Wir folgen der Straße und schlängeln uns entlang der bereits rostenden und im Verfall begriffenen Gebäude immer weiter vom Huangpu Fluss weg. Irgendwann haben wir das Expo-Gelände endlich hinter uns gelassen und laufen wieder Richtung Wasser. Doch statt einer schön ausgebauten Flussuferpromenade finden wir nur eine graue Mauer, die die Docklands-City, die seit der Expo auch eher einer verlassenen Geisterstadt gleicht als einer vibrierenden Party und Szene Meile, vor Hochwasser schützen soll. Wir sind enttäuscht. Stundenlang laufen wir in der Mittagshitze entlang der Mauer bis wir endlich den südlichen Abschnitt des Bund, der offiziellen Tourimeile, erreichen.

IMG_3792 (Small)

Die tolle Aussicht lohnt den langen Spaziergang dann aber allemal!

Wir schlendern noch ein wenig durch die Stadt, dann müssen wir auch schon wieder nach Hause. Abends gehen wir mit Zhuo in ein über hundert Jahre altes Nudelrestaurant.

IMG_3809 (Small)

Christian und die Krebse werden sich heute nicht mehr anfreunden.

Nach dem Essen lädt uns Zhuo zu leckerem Milchkaffee und Mango Sorbet ein. Wir reden wieder lange und schön mit einander. Dann leisten wir Shirley noch etwas Gesellschaft in ihrem Singleappartement und lassen uns von ihr mit Tee und Keksen verwöhnen.

IMG_7107 (Small)

Unseren letzten Tag in Shanghai verbringen wir auf der Fuzou Road, wo wir uns vorsorglich den Lonely Planet für Nepal kaufen.

IMG_3813 (Small)

In den kleinen traditionellen Läden auf der Fuzou Road kann man sich alles für die Kaligraphie Notwendige kaufen.

Im Anschluss machen wir noch einen Abstecher ins Shanghai Museum – Eintritt ist frei und die Kunstsammlungen reichen von Töpferkunst, Malerei und Münzen über Minderheiten und Möbel bis Jadeausstellungen. Das Museum gibt einen ganz guten Überblick über die chinesische Kultur.

IMG_3817 (Small)

Ein mit Gold bemalter Buddha aus Holz.

IMG_3823 (Small)

Vasen unterschiedlichster Dynastien.

IMG_3828 (Small)

Ein Gartenzwerg auf einem Kamel?!

IMG_3856 (Small)

Und tibetische Masken.

IMG_3868 (Small)

An unserem letzten Abend gehen wir mit Erika, einer alten Bekannten von Christian, die seit sechs Jahren in Shanghai lebt, essen. Yunnan-Art.

Später kommt Zhuo noch vorbei um sich von uns zu verabschieden.

Morgens müssen wir früh raus. Wir frühstücken und werden von Wilkie und Zhuo verabschiedet. Es ist als würden wir zwei gute alte Freunde zurück lassen und so fällt uns der Abschied aus Shanghai ein wenig schwerer. Ich hätte nicht gedacht, dass mir eine so riesige Stadt gefällt. Doch durch die vielen kleinen Gässchen und unterschiedlichen Leute ist mir die Stadt sehr sympathisch geworden. Wir können uns beide gut vorstellen noch mal wieder zu kommen, vielleicht auch für länger…

Und so wischen wir unsere Abschiedstrauer beiseite und bereiten uns mental auf unsere 3. Klasse Zugfahrt nach Chengdu vor, unser letzter Stopp vor Lhasa!

One response


Do you want to comment?

Comments RSS and TrackBack Identifier URI ?

Ihr Lieben!!
Ich hab mich so über eure Postkarte aus der MMongolei gefreut!! Vielen herzlichen Dank!! Ich lese eifrig mit und denke oft an euch, auch weil ich Charlys Jeans immer wieder in der Kommodenschublade finde.. Lustig, dass ihr Erika getroffen habt und schön, dass euch der Gewürzstreuer nützt :-).
Ich hab am 14.11. Disputation!! Bin schon ganz aufgeregt und muss viel lernen. Und kann dann am 27.11. bzw am 26. auch meinen 30. Geb und die Diss feiern, juchuu!!
Franco ist noch bis zum 9.11. in Argentinien :-(( und Ilkin, der SPD-Kandidat hat gewonnen!!
so, muss dringend schlafen, und schreibe vom iPod, ist kompliziert..
Ganz liebe Grüße!! In Gedanken reise ich mit!! Verena

12. Oktober 2011 22:42

Comment now!
















Trackbacks