Plötzlich kommt Bewegung auf: Die Tür zum Cockpit wird geschlossen, die Piloten setzen ihre Kopfhörer auf. Die Stewardess läuft einmal gebückt den Gang entlang, verteilt Wattebäusche und Bonbons. Wir stopfen uns die Watte in die Ohren, um uns vor dem Lärm der Motoren zu schützen. Die Propeller unterhalb der Flügel drehen sich immer schneller und wir rollen in schnellem Tempo auf die Startbahn. Ohne zu Stoppen geben die Jungs vorne Gas und kurz Zeit später schweben wir über Kathmandu. Es dauert nicht lange und wir überfliegen grüne Hügel und bestaunen erneut die terrassenförmig angelegten Felder. Die Hügel werden immer höher, der Kamm eines Hügels wird zum Fuß eines Berges. Wir tauchen in die weißen Wolken ein und können kurzfristig den Schatten unseres Flugzeugs, umrahmt von einem Regebogen in den Wolken, unter uns betrachten. Dann erblicken wir plötzlich weiße Gipfel über den Wolken am Horizont – gigantische Berge! Wir fliegen aufs Himalaya zu und halten den Atem an. Alle schauen gespannt aus den Fenstern. Dann verschwinden wir kurzfristig in den Wolken, aus dem Cockpitfester ist nichts als weißliches Grau zu sehen. Als wir die Wolkenhülle wieder verlassen umgeben uns steile Felswände. Sie sind so nah, dass wir Bäume und Sträucher genau erkennen können. Eben schweben wir noch hoch über den saftig grünen Hügeln, jetzt ragt neben uns die felsige Wand weit empor. Wir fliegen auf einen Hügel zu, kommen ihm immer näher, dann setzen wir geschmeidig auf, die Landebahn ist kurz und steil, doch so stehen wir innerhalb von Sekunden. Es ist 15.30 Uhr, wir sind in Lukla, 2.840 Meter hoch.

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Start- und Landebahn in einem.

Tag 1: Lukla – Thado

Das “Gepäckband” ist eher durch einen Tresen zu beschreiben, hinter den unser Gepäck unliebsam geschmissen und geschupst wird. Wir zeigen dann auf unsere Gepäckstücke und bekommen sie gegen einen Coupon, den wir bei Abgabe erhalten haben, ausgehändigt.

Jetzt müssen wir nur noch Anne Marie und Steve finden. Wir laufen durch den kleinen Ort, der um die Start- und Landebahn herum aufgebaut ist. Dann finden wir auch die anderen beiden. Verena ist mittlerweile Teil unserer Gruppe, ihre dänischen Freunde bleiben die Nacht in Lukla.

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Erste Trekkingeindrücke. Was uns wohl erwarten wird in den kommenden Tagen?

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Erste Hängebrücke. Es wird nicht die letzte sein.

Wir laufen bis in die starke Dämmerung, bis wir Thado (2.580m) erreichen. Dort finden wir auch gleich eine recht gemütliche, sehr neue und daher auch sehr saubere Unterkunft. Für uns alle zusammen, Christian und ich im Doppelzimmer mit gemütlichem Doppelbett, die anderen drei im Dreierzimmer, kostet die Übernachtung 300 Rs (60 Cents pro Person!). Wir bestellen uns ein leckeres Abendessen, auf das wir jedoch eine Stunde warten müssen – dabei sind wir die einzigen Gäste!

Tag 2: Thado – Namche Bazaar

Wir schlafen alle hervorragend, bis um 7.30 Uhr die Wecker klingeln. Auf unser Frühstück warten wir jedoch bis um 8.30 Uhr, dann können wir endlich los. Wir haben einen längeren Tag vor uns, da wir gestern erst so spät gestartet sind und es nicht mehr bis zum Tagesziel Phakding geschafft haben. Heute müssen wir also bis nach Namche Bazaar (3.440m), ein ziemlicher Höhenunterschied! In Namche werden wir dann auch zwei Nächte zur Akklimatisierung bleiben.

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Sie zeigt mir die Toilette (eher eine Art Komposthaufen) und bekommt dafür Schokolade.

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Die Wanderung nach Namche ist schön und anstrengend. Vor allem das letzte Stück geht nur noch bergauf. Anne Marie und Verena sind dabei immer ganz hinten, Steve und ich ganz vorne, Christian irgendwo dazwischen. Auf dem Weg nach oben machen wir immer wieder kurze Pausen, doch die anderen kommen nicht mehr in Sicht. Oben angekommen pausieren wir am Polizeiposten und nach nach trudelt erst Christian und dann auch Anne Marie ein. Doch auch die hat Verena länger nicht gesehen, da die viel zu langsam war. Wir wissen nicht ganz was wir tun sollen. Die Jungs am Polizeiposten wollen schließen, wir werden kalt, die Nebelschwaden werden immer dichter… Steve geht Verena entgegen und kommt schließlich mit ihrem Rucksack auf dem Rücken und ihr kreidebleich an seiner Seite zurück. Verena ist total fertig, will nur noch irgendwo ankommen. Wir laufen in den Ort und stürmen das erstbeste Hostel. Die Zimmer sind klein, dreckig und feucht. Die Kissen haben schwarze Punkte und im Flur riecht es nach Gas für die heiße Dusche. Doch die Zimmer kosten nur 50 Rs pro Nacht, 25 RS pro Person pro Nacht, wir checken ein.

Im hosteleigenen Restaurant lesen wir, dass uns wenn wir außerhalb des Hostels essen, 1.000 Rs für das Zimmer berechnet werden. Trotzdem warten wir über eine Stunde auf unser langersehntes Abendessen. Während wir warten rollt sich Verena versunken in Yogaübungen zur Verwunderung aller über den Restaurantboden.

Tag 3: Namche – Thame – Namche

Am nächsten Morgen treffen wir uns um 7.00 Uhr zum Frühstück auf das wir trotz Vorbestellung warten müssen. Dann brechen wir zu unserer Tageswanderung nach Thame auf.

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Morgensonne über Namche Bazaar.

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An Yaks (mal stürmisch wild, mal schüchtern scheu) auf dem Weg müssen wir uns wohl gewöhnen.

Die Wanderung wird anstrengend aber erfüllend. Verena fühlt sich nicht gut genug um mit zu kommen und verbringt den Tag in Namche.

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Die Landschaft ist dabei erfrischend abwechslungsreich.

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Der Nachmittag bringt Wolken.

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Zurück in Namche gibt es noch eine kleine Tanzeinlagen von den Mädels aus Thame.

Auf dem Rückweg bekommt Christian Knieschmerzen und so ziehen wir nach dem Abendessen noch mal los, um Wanderstöcke für ihn zu kaufen. Obwohl alle Läden mit gefälschtem Equipment bereits geschlossen haben, finden wir einen Original-Preis Laden, der noch offen ist und dessen Besitzer uns zu dem Laden seines Kumpels führt, wo wir nach Ladenschluss noch Wanderstöcke für Christian und eine Schirmmütze gegen die Sonne für mich kaufen können.

Tag 4: Namche – Tengboche

Am nächsten Morgen verlassen wir ohne aufs Frühstück zu warten um 6.30 Uhr Namche Bazaar und müssen erst mal einen steilen Berg besteigen.

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Die Aussicht gibt Anlass für gelegentliche Verschnaufpausen.

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Oben angekommen finden wir zwar leicht den kleinen Flughafen von Namche (der letzte auf unserem Weg), der auch alle 20 Minuten von einem Flugzeug angeflogen wird, verfehlen jedoch den Aussichtspunkt auf Mt. Everest, ebenfalls der letzte, jedenfalls vorläufig.

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Flugzeug im Abflug.

Beim Abstieg nach Khunjung bin ich enttäuscht, dass wir den Aussichtspunkt verpasst haben.

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Dabei haben wir ihn da schon gesehen! Haben ihn nur nicht erkannt.

Wir essen ein schnelles Brunch im Ort und steigen dann weiter ab, nur um am frühen Nachmittag wieder 400 Meter aufzusteigen.

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Bevor es zum Aufstieg nach Tengboche geht, heile ich meine Hühnerfüße-Phobie (Thank you Anne Marie!!!!). Die Packung trage ich seit Lhasa mit mir herum. Lecker war’s trotzdem nicht…

Die Tage werden immer kürzer. Die beste Sicht haben wir bei Sonnenaufgang. Doch schon gegen Mittag bilden sich die ersten Wolken, ziehen dann als Nebelschwaden am Nachmittag vom Tal her auf und verhindern so jede schöne Aussicht.

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Man kann dabei zusehen, wie die Wolken zu uns aufsteigen.

Wir finden eine spartanische aber ganz gemütliche Unterkunft in Tengboche – die “Trekker’s Lodge” – leider wimmelt es in unserem kleinen Zimmer von kleinen Langbeinspinnen, die Christian alle an ihren haardünnen Beinchen aus dem Zimmer schmeißen muss.

Tag 5: Tengboche – Pheriche

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Guten Morgen!

Am nächsten Morgen warten wir wieder auf unser vorbestelltes Frühstück und kommen – obwohl wir bereits um 5.30 Uhr aufgestanden sind – erst um 7.00 Uhr los.

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Wir steigen erst ab und müssen dann wieder aufsteigen. Gegen Mittag ist Verena wieder weit hinter uns und wir wissen nicht was wir machen sollen. Zurücklassen wollen wir sie natürlich nicht, aber warten macht uns kalt. Christian und ich warten während Anne Marie und Steve weitergehen. Kaum sind die beiden um die Ecke, taucht Verena total k.o. auf. Sie weiß nicht ob sie es bis zu unserem heutigen Ziel (Pheriche, 4.200 m) schafft. Wir laufen weiter, Verena hinterher, Steve und Anne Marie haben wir schnell eingeholt.

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Als wir eine kleine Trinkpause machen wird von zwei Nepalesen ein ziemlich massiver Yak-Bulle den Weg entlang getrieben. Einen einzelnen von diesen Haarteppichen auf vier Beinen sieht man selten und dieses Exemplar bekommt besonders viel Aufmerksamkeit: Sein Horn ist durch ein Seil mit seinem einen Vorderbein verbunden, so dass er nur schleppend voran kommt. Auch durch den Steg zwischen seinen Nasenlöchern ist ein Ring, an dem ein Seil befestigt ist, gezogen, über welches er von einem der Männer energisch vorwärts gezogen wird. Der zweite Mann bearbeitet das Tier von hinten, indem er ihm am wuschelig ausgefransten Schwanz zieht. Wir merken gleich, dass dies keines der gemächlich daher trottenden Tiere ist, die uns sonst hier begegnen, sondern dass wir vor diesem tonnenschweren Kaliber ein bisschen mehr Respekt haben sollten. Als er an Steve und mir vorbei getrieben wurde, scheint die Situation wieder sicher zu sein und wir lehnen uns auf unseren Felsen zurück, um uns noch ein wenig von der strahlenden Sonne wärmen zu lassen. Doch Christian, der bereits weiter gelaufen ist, lernt den Bullen noch auf eine intensivere Art kennen: Als dieser nämlich auch ihn passiert hat, reißt er sich plötzlich aus dem vielleicht etwas locker gewordenen Griff seiner zwei Betreuer los, macht auf der Stelle kehrt und galoppiert – sofern das mit seinem am Vorderbein befestigten Horn möglich ist – schnaubend und Staub aufwirbelnd ungelenk auf Christian zu. Der kriegt es (verständlicherweise!) mit der Angst zu tun und rettet sich mit einem beherzten Satz ins Gebüsch vor der näherkommenden Zottelwalze, die zwei erschrockenen Männer eilen schreiend ihrem wildgewordenen Schützling hinter her. Zum Glück ist dieser durch sein Handicap zu langsam, um entkommen zu können, und wird schnell von den Jungs eingeholt, die ihn zurück auf den Weg bringen.

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Die Berge um uns herum werden immer beeindruckender, die Luft wird dünner, wir befinden uns jetzt wirklich mitten im Himalaya. Nach einem anstrengenden Marsch erreichen wir einen Ort, der sich als Dingboche herausstellt, wir haben die Abzweigung nach Pheriche verpasst. Dingboche wäre an sich auch ok, liegt uns aber ein bisschen zu hoch (4.500 m) und wir beschließen die kurze Anstrengung auf uns zu nehmen und über den Hügel weiter nach Pheriche zu gehen. Verena ist weit und breit nicht zu sehen.

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Wir sammeln noch mal all unsere Kräfte und erklimmen ein letztes Mal für heute einen Hügel. An ein paar Steinhaufen, die durch Gebetsfahnen verbunden sind, treffen wir auf eine Gruppe, die uns Pheriche am Fuße des Hügels zeigt und uns den Apfelkuchen im Himalayan Hotel empfiehlt. Ich laufe voraus, wenn der Apfelkuchen gut ist, dann muss die Lodge auch gut sein. Als einzige ohne Wanderstöcke springe ich den steilen Hang hinunter wie eine Bergziege – zum Glück machen meine Knie keine großartigen Probleme.

Als erste bin ich im Ort und laufe suchend die Hauptstraße entlang. Das Himalayan Hotel macht schon von außen einen komfortablen Eindruck. Von innen überzeugt es mich sofort: Große Küche, alles sauber, das Personal freundlich und hilfsbereit. Ich frage nach fünf Betten (wir reservieren vorsichtshalber für Verena ein Bett) und bekomme ein großes sauberes Doppelzimmer und ein gemütliches Drei-Bett-Zimmer gezeigt. Ich schlage sofort zu, erfahre dann, dass die Zimmer 200 Rs bzw. 300 Rs kosten, wenn das dritte Bett leer bleibt, kostet das 3-er Zimmer ebenfalls nur 200 Rs. Mit den Zimmerschlüsseln in der Hand empfange ich triumphierend die anderen, die mir total erledigt entgegen kommen. Alle sind erleichtert und überglücklich in einem so angenehmen und sauberen Ort untergebracht zu sein.

Den restlichen Tag verbringen wir bei köstlichen (aber auch teuren) Apfel-, Schoko- und Möhrenkuchen (um die 350 Rs pro Stück), heißer Schokolade und guten Büchern im gut geheizten Gemeinschaftsraum. Ich habe mir am Wasserhahn mit Eiswasser die Haare gewaschen und erfreue mich an ihrem frischen Duft. Über die Lautsprecher klingen Lieder unserer Eltern (Beetles, Rolling Stones, Bob Dylan, Guns and Roses…). Nach dem Abendessen, das mit “hot towels” für Hände und Gesicht eingeläutet wird,  holt ein Kanadier seine Gitarre hervor (die trägt sein Porter für ihn) und drückt Anne Marie und mir eine Kopie seiner Liedersammlung in die Hände. Am Ende singe ich mit ihm im Duett “Summer Wine” von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood und der ganze Raum lauscht.

Tag 6: Pheriche – Dingboche – Pheriche

Der nächste Tag ist wieder ein Akklimatisierungstag für uns. Anne Marie und Steve geht es leider nicht so gut und sie bleiben lieber im gemütlichen Hotel. Christian und ich  wollen eine Tagestour nach Dingboche machen. Wir besteigen den Hügel vom Vortag und treffen oben Verena. Sie hat es ebenfalls bis Pheriche geschafft, sich jedoch einer anderen Gruppe angeschlossen.

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Wir gehen noch ein wenig höher. Ganz oben sind es 5.000 Meter! Ich will es ausprobieren, Christian steigt ab nach Dingboche. Der Weg nach oben ist steil und lang. Jeder Schritt wird zur Atemprobe. Je weiter ich nach oben komme desto toller wird die Aussicht und desto stärker schlägt mein Herz.

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Ich habe Christian gesagt, dass ich um 14 Uhr bei ihm bin, jetzt ist es 13 Uhr, doch ich habe bestimmt noch 45 Minuten steilen Aufstiegs vor mir. Ich schleiche weiter, einen Fuß vor den anderen. Endlich gönne ich mir eine Pause und sehe Wolken aufziehen, die Spitze ist sicher schon bewölkt, die erhoffte Aussicht ist damit hinüber.

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Das und mein Versprechen an Christian ist Grund genug im Sherpa-Tempo  abzusteigen. Eine halbe Stunde brauche ich im Laufschritt bis ich in Dingboche bin, meine Füße tun weh, meine Beine sind schlapp. Christian wartet schon seit einer halben Stunde auf mich und möchte weiter. Wir laufen den Weg zurück, den wir am Vortag gelaufen sind, auf der Suche nach dem Abzweig, den wir verpasst haben. Der Weg geht anfangs bergab, trotzdem habe ich Probleme vorwärts zu kommen. Ich huste trocken und werde immer langsamer. Aber wir müssen weiter, denn es ist bereits 15 Uhr und erfahrungsgemäß zieht ab 16 Uhr der Nebel auf.

Wir finden den Abzweig und müssen nun nur noch über den Pheriche-Pass. Ich quäle mich die Schritte nach oben, bin völlig außer Atem und würde am liebsten auf der Stelle zusammenbrechen. Als oben auf dem Pass Pheriche in Sicht kommt, sammele ich meine letzten Kräfte, jetzt geht es bergab.

Um halb vier sind wir wieder im Hotel. Wir wechseln unsere nassen Klamotten, machen unsere Dehn- und Yogaübungen im Zimmer und wärmen uns dann bei Tomatensuppe und Apfelkuchen wieder auf.

Um 20 Uhr sind alle wieder bereit ins Bett zu gehen. Wenn es draußen dunkel und kalt wird, ist das auch das Beste. Ich schlafe wieder um 20.30 Uhr, eingemummelt in dicke Socken, Wollunterwäsche, Fließjacke, Daunenjacke, Daunenschlafsack und Hoteldecke obendrauf. Wach sind wir um 6.30 Uhr, draußen kommt die Sonne raus.

Tag 7: Pheriche – Dhugla

Heute wollen wir nach Dhugla (4.620 m) laufen, nur 2 1/2 Stunden entfernt, dafür aber 400 Meter höher als Pheriche. Das Hostel, das diesen Ort ausmacht, soll ein “Shithole” sein – so drückt es jedenfalls der neuseeländische Expeditionsführer aus, der uns stattdessen empfiehlt auf den 5.000-er hinter Pheriche zu steigen und mit einem Buch und genügend Essen und Trinken den Mittag dort zu verbringen und dann am nächsten Tag direkt ins 5-6 Stunden entfernte aber schon 700 m höhere Lobuche aufzusteigen. Wir wollen uns das “Shithole” erst anschauen bevor wie unsere Entscheidung fällen. Mehr als 500 Meter sollte man auf dieser Höhe eigentlich nicht innerhalb eines Tages gewinnen. Außerdem zeigen alle von uns Anzeichen von Höhenkrankheit: Kopfschmerzen, Müdigkeit, leichte Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Frieren, laufende Nase, Husten und Anne Marie musste sich in der ersten Nacht in Pheriche sogar mehrfach übergeben.

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Langsam geht’s wieder bergauf.

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Blick zurück auf Pheriche.

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Nach knapp zwei Stunden gemächlichen Anstiegs erreichen wir das ein-Haus-Dorf Dhugla und ich reserviere sofort zwei Doppelzimmer. Das “Shithole” ist gar nicht soo schlimm und so sind wir froh, dass wir hergekommen sind. Als Christian und ich auf den Pass steigen wollen, der uns morgen erwartet, um den Akklimatisierungsprozess zu unterstützen (ganz nach dem Motto “Climb high, sleep low”), läuft uns Verena mit leidender Miene über den Weg. Sie habe ihre neue Gruppe laufen lassen und ob wir nicht im Dreierzimmer übernachten wollen. Doch wir haben bereits zwei Doppelzimmer reserviert, Verena zieht ins Einzelzimmer.

Der Aufstieg zum Pass ist anstrengend, begleitet von Kopfschmerzen und dauert 1 1/2 Stunden. Oben machen wir es uns im Windschatten mit Bounty, Erdnüssen, viel Wasser und Musik in den Ohren gemütlich. Anne Marie und Steven gesellen sich wenig später dazu.

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Als es sich nach etwa einer Stunde zu zieht steigen alle wieder ab. Auf halber Strecke begegnet uns… Verena, die gleich umdreht und mit uns wieder absteigt. Nun sind wir wieder zu fünft. Wir verbringen den Nachmittag und frühen Abend im “Shithole” und ziehen uns nach und nach ab 19 Uhr in unsere halbwegs sauberen Betten zurück.

Morgen früh müssen wir wieder den Pass hinauf und dann weiter ins 4.950 m hohe Lobuche.

Tag 8: Dhugla – Lobuche

Die Nacht in Dhugla wird anstrengend. Noch nie hatte ich solche Schwierigkeiten einzuschlafen – jedenfalls auf dieser Wanderung. Erst liege ich einfach nur wach und komme gedanklich nicht zur Ruhe: Was haben wir schon alles erlebt auf unserer Reise? Wir sind schon eine Ewigkeit unterwegs! Dann werde ich immer wieder wach, weil ich halb erstickt nach Luft ringe als habe ich aufgehört zu atmen. Ich hole tief Luft – das ist eigentlich ein gutes Zeichen der Anpassung an die Höhe. Unangenehm ist es aber trotzdem. Dann schlafe ich trotz Kälte und dreckigem Bett gut.

Um 6 Uhr werde ich von allein wach, Christians Wecker will uns mal wieder nicht wecken. Also übernehme ich seine Aufgabe und mache Christian wach. Um 7 Uhr verlassen wir das eher ungemütliche Hostel ohne zu frühstücken und steigen wieder den Pass hinauf. Diesmal geht es viel besser und ohne Kopfschmerzen. Nach 50 Minuten sind wir bereits oben. Leider schließt heute ein Frühnebel das “Tal” von den holen Spitzen der Berge ringsum ab und verhindert so die sicher beeindruckende Sicht.

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Nach dem Pass tauchen wir in eine Mondlandschaft. Die dünne Wolkenschicht, die das Gerölltal überzieht und die dadurch drückende Sonne machen die Atmosphäre noch eindringlicher. Wir passieren viele Steinhaufen, die an verunglückte Kletterer erinnern. Nach guten 1 1/2 Stunden durch das Gletschertal erreichen wir unser Tagesziel Lobuche auf 4.950 Metern Höhe.

Wir suchen unsere Unterkunft, das “Himalayan Eco Resort”, das wir bereits in Pheriche reserviert hatten. Die Nacht im Doppelzimmer kostet hier stolze 18 US$ oder 1.260 Rs, ein Vielfaches der bisherigen Übernachtungen. Doch wir hoffen auf Komfort und Hygiene, die den Preis rechtfertigen würden. Unser erster Eindruck ist auch erst mal positiv: Große saubere Zimmer, saubere Betten und freundliches Personal.

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Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben gehen wir zu zweit noch ein bisschen Höhe gewinnen.

Wir steigen auf etwa 5.200 Meter (schon erstaunlich, dass ich mich vor nur ein paar Tagen so gequält habe und jetzt geht es so viel leichter!), schmiegen uns dort in die trockenen aber warmen und weichen Büschchen und genießen für eine Stunde die Aussicht auf die weißen Riesen der Umgebung.

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Mit hämmerndem Kopf steige ich wieder ab und muss es mir erst mal gemütlich machen. Dann treffen wir Anne Marie im Aufenthaltsraum. Sie und Steve sind gegen Mittag nachgekommen, Verena ist auf dem kurzen Weg mal wieder verloren gegangen. Wir bestellen Suppe und Tee und verbringen lesend und schreibend den bereits nebligen Nachmittag.

Tag 9: Lobuche – Kala Patthar – Lobuche

Ich habe ihn gesehen, war ihm so nah und mein Herz wäre mir fast aus der Brust gesprungen! Aber gaaanz langsam – anders kommt man nämlich nicht auf den Kala Patthar, den Hügel auf 5.000 Metern Höhe, hinauf – von dem aus man die Sicht auf den fetten Giganten genießen kann. Aber auch mit Genuss muss man vorsichtig sein. Einmal den Blick gehoben – entweder um die stetig wachsende pyramidenförmige Spitze zu bewundern, die mich schon in Tibet in ihren Bann gezogen hat, oder aber um nach dem langsam näher kommenden Gipfel des Sandhügels zu schielen, der aber jedes Mal noch enttäuschend weit entfernt ist. Und das Herz schlägt bis zum Anschlag, der Kopf pocht und der Atem wird unkontrollierbar, ohne dabei die erhoffte Menge Sauerstoff zu liefern. Schnell senke ich den Blick wieder auf den sandigen Untergrund, der steil und von Steinbrocken unterbrochen vor mir ansteigt. Tief durchatmen. Nicht ablenken lassen. Dann weiter, einen Fuß vor den anderen. Es ist nicht die Kraft, die fehlt, sondern die Luft. Auf der Hälfte des Hügels wird mir übel, auch ein Zeichen der Höhe. Ich schleiche weiter, versuche den Rhythmus zu halten: Einatmen, linker Fuß, Ausatmen, rechter Fuß, Einatmen durch die Nase, linker Fuß einen Schritt nach vorne, Ausatmen durch den Mund, rechter Fuß einen Schritt nach vorne. Auf einem Felsen wartet Christian bereits auf mich. Obwohl er den Rucksack mit dem Wasser trägt, scheint ihm die Höhe nicht so viel auszumachen wie mir. Aber vielleicht sind es auch seine Wanderstöcke, die ihn weit nach vorne bringen… Ich schleiche auf seinen Felsen zu, die Übelkeit wird schlimmer. Endlich kann ich mich niederlassen und atme tief durch, mein Herz beruhigt sich langsam, mein Kopf hört auf zu klopfen. Nach wenigen Minuten fühle ich mich wieder vollkommen normal – bis auf die Übelkeit. Als wir weiter laufen muss ich mich stark dazu anhalten langsam zu gehen, ich weiß womit ich meine Selbst- oder Situationsüberschätzung sonst büßen würde.

Morgens haben wir uns um 6.30 Uhr aus unseren halbwarmen Schlafsäcken geschält, unser eisgekühltes Zimmer verlassen, schnell eine Schüssel Porridge, einen Pfannkuchen mit Honig und Zucker und ein einfaches Omelette gefrühstückt und sind nach Gorak Shep (5.170 m) aufgebrochen.

Die Nacht war nicht besonders erholsam für mich gewesen. Erst kalt, dann heiß, dann Pipi, dann Migräneanfall. Das erste was ich morgens mache ist eine Kopfschmerztablette nehmen. Über 4.500 m steigt mir die Höhe einfach in den Kopf.

Es ist es auch draußen kalt und ungemütlich, doch dann vertreibt ein zügiges Tempo – ohne unsere schweren Rucksäcke – die Kälte und die durch den Hochnebel drückende Morgensonne taucht die raureifüberzogenen Hügel um uns herum in eine mystische Atmosphäre. Wir steigen einen kurzen Pass hinauf und befinden uns bald in der Fels- und Steinwüste eines trockenen Gletschers. Unter uns erblicken wir blau leuchtende Eisberge und -höhlen, überzogen mit Felsbrocken und Geröll. Eine weitere Stunde laufen wir auf und ab durch die bleichen Steine, manchmal gluckert Wasser weit unter uns, und langsam löst sich der Nebel auf und wir haben Blick auf die riesigen Berge um uns herum.

Kaum haben wir Gorak Shep erreicht, eile ich zum Buddha Guesthouse, um uns Zimmer für die übernächste Nacht zu reservieren, Gorak Shep ist angeblich immer ausgebucht. Dann will ich los – Christian kann mich nicht mehr halten – ich will meinen Berg wiedersehen! Der 1 1/2 stündige Aufstieg auf 5.545 Meter stellt sich schnell als Kraft- und vor allem Willensprobe heraus. Wer hier hinauf steigt, der will wirklich hoch und den besten Blick aus nächster Nähe auf den Mount Everest haben. Und anscheinend gehören wir dazu. Warum sonst raffen wir uns immer wieder auf, drosseln unser Tempo, atmen tief durch, verschnaufen, setzen einen Fuß vor den anderen?  Trotz Atemnot. Trotz hämmerndem Herzen. Trotz bohrender Kopfschmerzen. Trotz Übelkeit.

Oben angekommen schleicht sich dann ein kleines Gefühl des Triumphes zwischen all die Symptome: Wir haben’s geschafft!

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Endlich da, Auge in Auge mit Mount Everest (der Riese im Hintergrund).

Doch das Gefühl währt nicht lang – die Übelkeit zwingt mich zum Abstieg. Hundert Meter weiter unten geht es schon wieder etwas besser, trotzdem steigen wir bald wieder auf moderate 5.170m nach Gorak Shep ab. Als wir das Buddha Guesthouse betreten, bin ich kreidebleich. Meine Tomatensuppe kostet mich viel Überwindung, doch danach geht es mir tatsächlich besser. Auf uns wartet jedoch noch die zweistündige Rückkehr nach Lobuche. Unterwegs weht uns ein eisiger Wind Schneeflocken ins Gesicht. Doch als wir wieder in unserer Eco Lodge ankommen, sind wir stolz auf unsere Leistung und vor allem erleichtert wieder im Warmen zu sein. Leider wird im Innern mit Petroleum gekocht und geheizt und so sind meine Kopfschmerzen schnell wieder auf gewohntem Level.

Hier oben fällt uns immer wieder auf, dass wir als Individualwanderer mehr und mehr in der Minderheit sind. In allen Lodges begegnen wir Reisegruppen, die organisiert wandern. Das heißt mit Guide und Portern, die das Gepäck voraus tragen. Die Porter kommen uns unterwegs häufig entgegen (oder überholen uns), beladen mit zwei oder drei riesigen Reisetaschen, die unglaublich schwer sein müssen. Wir sind froh, dass wir auf unserer Wanderung niemanden beschäftigen – weder Porter noch Guide – denn wir kämen uns schon komisch vor, wenn jemand anderes unser Gepäck für uns tragen würde. Auch der Kontakt mit den Guides erscheint uns merkwürdig: Der Guide reserviert einem Plätze im Restaurant, springt auf wenn man etwas wünscht, gibt für einen die Bestellung auf, bestimmt wo es am nächsten Morgen hingeht… Eine Mischung aus Aufpasser und hörigem Diener. Wir sind froh frei zu sein!

Tag 10: Lobuche – Gorak Shep – Mt. Everest Basecamp – Gorak Shep

Am nächsten Morgen soll es dann kollektiv nach Gorak Shep – inklusive Rucksäcke – gehen. Wir stehen um halb sechs auf, keiner hat so richtig Bock, es ist dunkel draußen, es ist arschkalt und wir sind ziemlich fertig. Trotzdem ziehen wir uns in unserer Gefriertruhe an – einfach die Regenhose über die lange Unterhose und die Regenjacke über Daunen- und Fließjacke und Langarmshirt – dazu noch die Handschuhe griffbereit, die Mütze bleibt natürlich an. Wir frühstücken gegen 6.00 Uhr, kommen aber erst um viertel vor sieben los, alles dauert mal wieder länger.

Draußen sind die Beine wie mit Blei gefüllt. Steve und Anne Marie machen schon nach ein paar hundert Metern Pause, ich zwinge mich weiter zu laufen, Christian ist ganz vorn, ihm ist kalt und er läuft, um warm zu werden. Wir erreichen den Pass, quälen uns mit unseren schweren Taschen auf dem Rücken rauf, gestern – ohne Taschen – ging das irgendwie viel leichter!

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Doch heute ist das Wetter dafür traumhaft!

Blauer Himmel, strahlende schneebedeckte Berge. Heute können wir wirklich sehen welche Riesen uns umgeben. Und so entdecken wir schon früh Pumo Ri, den 7.160 Meter hohen Berg hinterm Kala Patthar, und dann auch den unscheinbaren 5.545 m hohen Hügel, der uns am Tag vorher so viel Kraft gekostet hat.

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Vor dem eindrucksvollen Pumo Ri wirkt der Sandhügel Kala Patthar ein bisschen lächerlich.

Steve und Anne Marie haben wir schon länger nicht gesehen. Aber wir laufen weiter, da wir vor 10 Uhr im Buddha Guesthouse sein  müssen, um unser reserviertes Zimmer zu bekommen. Auf der Achterbahnstrecke über den trockenen Gletscher passieren uns immer wieder Yakkarawanen, vor denen wir uns zwischen den Felsen verstecken. Als die Karawane vorbei gezogen ist und ich wieder auf den Weg treten will, tritt das letzte Yak plötzlich nach mir aus. Es verfehlt meine Wade nur knapp und sein Huf knallt kraftvoll gegen einen Stein. Hätte es mein Bein getroffen, wäre ich sicher nicht nur mit einem blauen Fleck davon gekommen! Seitdem habe ich noch mehr Respekt vor den haarigen Biestern und warte bis sie sich auf ungefährliche Distanz entfernt haben bevor ich aus meinem Versteck komme.

Um kurz nach neun erreichen Christian und ich Gorak Shep und holen gleich einen Zimmerschlüssel ab. Der zweite Schlüssel muss noch besorgt werden. Wir bestellen uns ein frühes Mittagessen, da wir ja gleich zum Everest Basecamp wollen. Steve kommt wenige Minuten später und teilt uns mit, dass Anne Marie umgekehrt sei, sie habe nicht mehr laufen können. Wir sind schockiert – sie hatte sich doch den ganzen letzten Tag ausgeruht! Wir überlegen was wir jetzt tun sollen: Auf sie warten? Ohne sie zum Basecamp laufen? Sie tut mir furchtbar leid. Nicht nur, dass es ihr anscheinend sehr schlecht gehen muss. Auch war sie ursprünglich diejenige, die unbedingt zum Basecamp laufen wollte. Schon in Tibet hatte sie mir erzählt, dass sie schon seit Jahren den Traum habe, zum Everest Basecamp zu laufen. Und jetzt sollte sie scheitern? In ihrer Situation wäre ich sicherlich unsagbar enttäuscht und wäre, bevor ich aufgebe, notfalls auf allen Vieren bis zum Basecamp gekrochen. Hoffentlich bekommt sie noch einmal die Chance ihren Traum zu erfüllen.

Über Handy ruft sie von Lobuche aus bei uns im Buddha Hotel an und erklärt uns, dass sie versuchen wird abzusteigen und wir daher nicht auf sie warten sollen. Nachdem wir unser Essen beendet haben, brechen wir – nun nur noch zu dritt – auf zum Mount Everest Basecamp. Der Höhenunterschied zwischen Gorak Shep und Basecamp beträgt nur etwa 200 Meter, trotzdem ist die etwa zweistündige Wanderung relativ anstrengend. Die Luft ist dünn, das Herz arbeitet hart und der Kopf fängt bei jeder Steigung an zu hämmern. Doch wir werden auch für die Strapazen entschädigt: Das Panorama ist perfekt mit wolkenloser Sicht auf alle weißen Riesen in unserer Umgebung, zu denen sich unerwartet auch Mt. Everest gesellt. Ich kann’s kaum glauben – da sehe ich ihn noch mal! Und im Reiseführer stand, es gäbe keine Sicht – da hatte der Autor beim Schreiben wohl nicht so gutes Wetter wie wir…

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Da ist er wieder, der größte Berg der Welt!

Es geht wieder ganz schön rauf und runter, dann über einen Kamm und hinunter auf den Gletscher. Wir müssen über riesige Felsbrocken balancieren und mir wird mal wieder ein bisschen mulmig bei dem Gedanken, dass sich das auch alles mal eben in Bewegung setzen kann… Dann befinden wir uns auf dem Gletscher, unter uns Eis, das mit kleinen und größeren Steinen bedeckt ist. Immer wieder werden die Eishügel unterbrochen von Eisseen, auf die die sonnenbeschienenen Eisklippen stückchenweise abschmelzen. Teilweise sind die Klippen nach innen gewölbt und ich sehe zu wie die anderen über die in der Luft hängenden Eisflächen laufen. Ich flitze schnell hinterher und hoffe, dass das Eis uns hält.

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Gletscher-Spaziergang.

An den sonnenbeschienenen Bergen um uns herum ist das nicht immer der Fall. Mehrmals hören wir – und dann sehen wir es auch – wie sich ein Eisbrocken am steilen Hang löst und donnernd mit einer Schneewolke folgend hinab rollt. Wir sind beeindruckt von den Naturgewalten.

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Endlich erreichen wir einen dicken Stein, auf den jemand provisorisch mit Edding “Mount Everest Base Camp” geschrieben hat. Doch wir haben gehört, dass das tatsächliche Basecamp, in dem die Bergsteiger vor ihrem Anstieg campieren, noch ein Stück weiter sein soll. Steve bleibt bei den anderen Touris am Stein, Christian folgt mir über den tropfenden Gletscher bis wir nach einer weiteren halben Stunde endlich das verlassene Basislager der im Frühling aufsteigenden Mt. Everest Bezwinger finden. Es ist wenig spektakulär: Wir erkennen zu geraden Ebenen flach gepresste Steine, auf denen wohl die Zelte der Kletterer stehen, zu Tischen formierte Steine und einen Steinofen. Alles ziemlich verlassen und ein bisschen schief und krumm, da das darunter liegende Eis seine Form ständig verändert.

Mit Kopfschmerzen laufen wir wieder zurück zu Steve. Wir treten den Rückweg an und ich klage über jede Steigung.

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Noch ein mal ein letzter Blick auf Nuptse (7.860 m) und Mount Everest (ganz links).

Völlig erschöpft erreichen wir Gorak Shep und ich lege mich erst mal ins Bett. Auf Steve’s Wunsch hin haben wir statt eines Doppel- und eines Einzelzimmers, ein Dreierzimmer bekommen. Dieses liegt mal wieder an der Hausecke und ist mit zwei Außenwänden, an denen sich jeweils ein Dünnglasfenster befindet, bereits tagsüber kalt. Außerdem erzählt uns Steve die ganze Zeit von seinem anhaltenden Durchfall, was uns nicht gerade glücklicher macht mit ihm diese Nacht ein 10 Quadratmeter kleines Zimmer zu teilen. Ich schlafe erst mal komatös ein bis zwei Stunden, dann weckt mich Christian, mein Kopfschmerz ist überwältigend und ich nehme eine Tablette.

Der Aufenthaltsraum im Buddha ist klein und proppenvoll. Alles hustet, schnieft und schleudert seine Bazillen um sich – schlimmer als hier wird es nicht, das ist uns schon klar (denn höher geht es nicht), trotzdem ändert das nichts an dem unwohlen Ekelgefühl, das uns umgibt. Auch mein rasselnder Husten hält an – bei den Keimen, die hier umher schwirren, bleibt eine Erkältung nicht aus. Und auch sonst befinden wir uns hier wohl am Limit was Gesundheit und Hygiene anbelangt. Das Essen ist nicht nur sehr teuer, sondern auch geschmacklich und hygienisch gewöhnungsbedürftig. Gemüse und Fleisch sollte man gleich auslassen, wir bestellen nur Frittiertes.Das Fett liegt schwer im Magen. Das einzig tolle ist der heiße Mango Saft, den es hier zu einem recht günstigen Preis (90 Rs pro Becher) gibt.

Als meine Kopfschmerztablette zu wirken beginnt, habe ich endlich wieder die Kraft mich mit den zwei deutschen Männern zu unterhalten, die wir schon überall getroffen haben. Sie sind mit einem Guide unterwegs und sind von Dingboche aus nach Chhukhung gelaufen und von dort aus erst auf den Chhukhung Ri  (5.550 m) gestiegen und dann über den Kongma La Pass (5.535 m) nach Lobuche gelaufen. Sie erzählen, dass dies der schlimmste Tag für sie war und sie am liebsten da oben auf den Steinen liegen geblieben wären. Dagegen sei der Aufstieg auf den Kala Patthar ein gemütlicher Spaziergang gewesen. Mir wird ganz anders – den Weg hatten wir auch mal ins Auge gefasst, auf unserer Karte ist er als ganz normale Trekkingroute eingezeichnet…

Die Nacht wird sehr unangenehm, ich schlafe wenig, habe Kopfschmerzen, die Sherpas schnarchen und husten direkt vor unserer Zimmertür, Steve schnarcht so laut, dass ich ihn wecke und bitte auf der Seite zu schlafen, Christian grunzt auch ein wenig, ich sprühe immer wieder Nasenspray nach um nicht zu ersticken und die Jungs gehen abwechselnd aufs Klo – Steve mit chronischem Durchfall…

Tag 11: Gorak Shep – Pheriche

Am nächsten Morgen will ich nur weg. Wieder eine Kopfschmerztablette zum Frühstück – dann laufen bis Lobuche. Dort gibt es erst mal Frühstück, Händewaschen (ein Waschbecken gabs in Gorak Shep nicht) und neues Wasser auffüllen (das aus Gorak Shep ist voll mit irgendwelchen Schwebeteilchen, die wie Haare aussehen – lecker!). Dann machen wir uns an den weiteren Abstieg, bis nach Pheriche wollen wir, im Eco Resort in Lobuche erfahren wir, dass Anne Marie gestern schon nach Pheriche abgestiegen ist.

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Pheriche, wir kommen!

Der Abstieg ist toll! Die Luft wird angenehmer, meiner Kopfschmerzen verschwinden, die Kraft kommt zurück in die Beine. Die Luft riecht nach Heidebüschel – wie Zimt find ich und freue mich auf den Apfelkuchen im Himalayan Hotel.

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Wir laufen am Bächlein entlang, das Tal nach Pheriche herunter, und genießen die tolle Aussicht auf Arakam Tse (6.423m), Cholatse (6.335m), Taboche (6.367m) und die perfekte Spitze von Ama Dablam (5.630 m), der uns schon auf den Hinweg so treu begleitet hatte. Irgendwie sieht alles schöner aus, so ohne die Mühen des Aufstiegs. Nur die Füße tun mir weh als wir endlich das Himalayan Hotel erreichen. Wir bekommen ein tolles Zimmer mit Doppelbett und einem eigenen Badezimmer! Für 500 Rs die Nacht. Den Luxus wollen wir uns gönnen.

Zuerst wasche ich meine Klamotten und dann mich von Hals bis Fuß mit kaltem Wasser an unserem Waschbecken. Dann wehen meine Sachen auf der Leine und ich bekomme eine heiße Schokolade und ein Stück Kuchen. Anne Marie hat Tränen in den Augen als sie uns wieder sieht. Zum Glück geht es ihr wieder besser. Ich habe ihr einen Stein vom Basecamp mitgebracht über den sie sich freut.

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Freudiges Wiedersehen in Pheriche.

Wir verbringen einen gemütlichen Abend quatschend und lesend mit Anne Marie. Steve ist immer noch blass und zieht sich immer wieder ans Feuer oder auf die Toilette zurück.

Die Nacht im Doppelzimmer wird warm und unglaublich erholsam. Wir schlafen zehn Stunden durch und faulenzen den ganzen nächsten Tag.

Tag 12: Pheriche

Ausschlafen – Frühstücken – Lesen – Quatschen – eine heiße Schoki – ein Stück Kuchen – Lesen: So vergeht der Tag, der wie die Nebelschwaden draußen faul an uns vorbei zieht. Was für ein Genuss!

Tag 13: Pheriche – Tengboche

Ein bisschen wehmütig verlassen wir Pheriche, schauen uns immer wieder um – Tschüss ihr Berge!

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Abschied von Pheriche und den hohen Bergen.

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Der weitere Tag versinkt im Nebel. Tengboche wird bitterkalt. Wir ziehen wieder in die uns bekannte Lodge mit der sonst so tollen Aussicht aber können diesmal die Hand vor Augen nicht sehen und der Lodgebesitzer sieht nicht ein für uns den Ofen anzuschmeißen. Frieren.

Tag 14: Tengboche – Namche Bazaar

Ohne Frühstück verlassen wir die Lodge. Nachdem wir den Berg hinter uns gelassen haben, essen wir an der Brücke, die mich jetzt an die Hühnerfüße erinnert.

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Auf dem Hügel von Tengboche.

Auf dem Weg den steilen Berg von Tengboche hinunter kommen uns wieder viele Sherpas mit ihren schweren Lasten entgegen. Alles was wir oben gegessen haben, wurde von Sherpas in großen Körben, die sie über eine Schlaufe um ihre Stirn hauptsächlich mit Hilfe ihrer Nackenmuskulatur tragen, hinauf transportiert. Die Jungs – meistens um die 20 Jahre, manchmal sogar jünger, selten älter – sind dabei nur spärlich ausgestattet: Einfache Turnschuhe (weiter unten tragen sie ausschließlich Badelatschen), Trainingshosen oder olle Jeans und dreckige Daunenjacken, in denen sie auch schlafen. Handschuhe und Mützen sehen wir selten. An dem Morgen erleben wir, dass ein Sherpa über 60 kg trägt. Er hat in seinem Korb auf dem Rücken sechs 10 Liter Kanister voll Kerosin, das blau in den Behältern hin und her schwappt, auf einander gestapelt und verschnürt. Obendrauf thront eine Palette San Miguel Dosenbier.

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Alles grün. Und grau…

Nach dem Frühstück an der Brücke geht es wieder hoch und weiter in den Nebel. Namche lässt lange auf sich warten und wir sind völlig fertig und durchgefroren als wir endlich in unserer Lodge ankommen. Mit Steve und Anne Marie gibt es mal wieder ein freudiges Wiedersehen.

Tag 15: Namche Bazaar – Everest View Point – Namche Bazaar

Der Abend senkt sich über Namche Bazaar. Der fürsorgliche Kellner unserer Unterkunft mit dem passenden Namen “Panorama Lodge” zieht gerade die Vorhänge zu. Jetzt wuselt er wieder fleißig wie immer um die Familie des Hauses, die mittlerweile aus vier Generationen besteht. Der Jüngste der vier Generationen bekommt gerade wieder die volle Aufmerksamkeit seiner jungen, manchmal etwas schnippischen Mutter. Wenn sie ihren wenige Monate alten Sohn nicht selbst  verhätschelt, tut es entweder die Großmutter des kleinen Prinzen oder deren mittlerweile ergraute, faltige aber anscheinend robuste und gesunde Mutter – die Repräsentantin der ältesten Generation des Hauses. Ein gewisser Wohlstand aller ist nicht zu übersehen – und wir genießen ihn auch! Auf weichen, mit geknüpften Läufern abgedeckten Bänken, an deren dicke Kissen wir uns nach so einem gemütlichen Tag voller Sonne, frischer Luft und leckeren Genüssen gerne schmiegen.

Endlich wieder ein sonniger Tag, kaum Wolken, wenig Wind. Alle um uns herum sind erleichtert, denn nach Tagen des dichten feuchten Nebels stecken in Lukla, dem maximal paar hundert Seelen Ort mit einzigem Flughafen mit Anschluss an Kathmandu, nach Gerüchten zwei Tausend Reisende fest, die sehnsüchtig auf ihre Rückreise nach Kathmandu warten. In Lukla gibt es seitdem angeblich keinen Platz mehr und nichts zu Essen. Keine schönen Aussichten für diejenigen, die in Namche auf die Bestätigung oder Verschiebung ihres Fluges warten. Uns berührt das Ganze nur nebenbei. Denn wir haben von Anfang an geplant zu Fuß von Lukla weiter eine Woche Richtung Westen zu laufen und ab Jiri dann in den Bus nach Kathmandu zu steigen.

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Ein letztes Mal genießen wir das Panorama.

Unser Tag heute ist ein Abschiedstag. Von den hohen Bergen: Am Morgen laufen wir noch einmal hoch auf den Berg von Namche und genießen die wolkenfreie Aussicht auf die sechs-, sieben- und acht-Tausender der Umgebung: Ama Dablam, Mt. Everest usw.

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Das Gemeinschaftswerk aus Nebel und Frost: Eisverzierte Bäume.

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Mittagspause mit schönen Aussichten.

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Wir könnten noch Tage hierbleiben…

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…um uns die Bilder fester einzuprägen.

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Tschüss Namche! Du Touristengrube!

Aber auch ein Abschied von Namche: Nachmittags schlendern wir durch die touristischen Gässchen des Trekkerdorfs, feilschen mit den Händlerinnen, stocken unsere Bounty-, Snickers- und Marsvorräte auf und gönnen uns noch ein teures Stück Apfelkuchen und einen Kaffee in der deutschen Bäckerei & Konditorei des Ortes (leider jedoch nicht zu empfehlen). Dazwischen sitzen wir im sonnenbeschienenen Aufenthaltsraum unserer Lodge, lassen unsere Rücken von der durch die Glasscheiben scheinende Sonne wärmen und nebenbei meine Haare trocknen, die ich kurz davor unterm eiskalten Wasserhahn zum zweiten Mal auf unserem Trek gewaschen habe.

Tag 16: Namche Bazaar – Thado

Der heutige Tag ist ein Genuss: Zuerst der steile und lange Abstieg von Namche ins Tal. Dann sind wir wieder am Fluss, der wenige Meter unter oder neben uns in leuchtend türkis-blauer Farbe gewaltig herabstürzt. Überall flattern kleine Schmetterlinge um uns herum, auf den Ackern der hübschen Steinhäuschen wachsen üppig grün die Salate und verschiedenen Gemüsesorten. Zwischen dunkelgrünen Tannen, Obstbäumen, deren Blätter sich im Herbstlicht der Sonne gelblich-orange verfärben, und kühlen Schatten spendenden Büschen wandern wir den ganzen Tag, der durch kein einziges Wölkchen überschattet wird.

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Alles tut so gut: Wärmende Sonne – Rauschendes Wasser – Duftende Luft.

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Wo soll ich zuerst hinschauen?

Wir durchqueren erneut alle Stationen unseres Hinwegs, die mir jedoch häufig völlig fremd vorkommen. Ein anders Licht und die umgekehrte Richtung sind vielleicht Grund für die neue Wahrnehmung. Diese ist jedoch eine ganz besonders angenehme.

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Erst hab ich noch Zeit mich von “meinem Berg” zu verabschieden, der auf dem Weg von Namche nach unten ganz unscheinbar noch ein letztes Mal (dieses Mal aber wirklich! Oder…?) durch die Bäume unseres Rastplatzes hindurch lugt. Dann haben wir unterwegs immer wieder einen tollen Blick auf die schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge und ich mache viele Fotos. Das Licht ist herrlich und der Weg, obwohl vollkommen überfüllt durch die vielen Touristen, die bei dem guten Wetter endlich einfliegen konnten (zum Glück nur auf der “Gegenspur”), ist wunderbar romantisch und übervoll mit genüsslichen Eindrücken.

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Beim Mittagessen erfreuen wir uns nicht nur an den langsam wieder sinkenden Essenspreisen.

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Religiöse Kunst.

Dann sind wir wieder in Thado, da wo alles begann in der einen von drei kleinen Lodges und hoffen, dass wir nicht wieder stundenlang auf unser Essen warten…

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Abends leuchtet uns ein voller Mond.

Tag 17: Thado – Bupsa

Wir laufen durch saftig tropische Landschaften umflattert von Schmetterlingen, summenden Fliegen aber auch krabbelnden Spinnen.

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Am nächsten Morgen.

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Kirschblüte im November??

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Hier sind es nicht mehr Yaks, sondern Maultiere, die die Lasten transportieren.

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Wir steigen den ganzen Nachmittag auf…

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…und genießen die wunderbare Aussicht…

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Auf der Strecke von Thado nach Bupsa laufen wir bis in den Abend hinein. Als wir oben auf dem Pass sind, haben wir den Sonnenuntergang gerade verpasst. Bis nach Bupsa ist es noch eine Stunde bergab. Nach 20 Minuten müssen wir unsere Lampen anziehen, aus dem Baum über uns schauen zwei leuchtende Augen in den Schein meiner Lampe. Ein Affe??

Im Dunkeln stapfen wir durch Bachläufe, über im Schein unserer Lampen silbern glitzernde Felsbrocken und lose Steine, die mir schmerzhaft in die Fußsohlen piksen. Jeder Schritt wird zur Qual. Mittlerweile ist es fast sechs Uhr und wir sind heute um acht Uhr los gelaufen. Ich habe das Gefühl meine Füße haben noch nie so sehr geschmerzt. Ich muss die Zähne fest zusammen beißen und könnte heulen.

Aber da muss ich wohl durch, wir wollten auf dem Pass nicht übernachten sondern nach Bupsa. Die Sterne leuchten schon und der Mond steht hell und rund am Himmel als wir den Ort endlich erreichen. Wir müssen einmal ganz hindurch laufen bevor wir die Everest Lodge finden, die uns unterwegs von einem Paar empfohlen wurde. Der Besitzer, ein breiter Nepalese mittleren Alters und vom Aussehen her ein Sherpa, steht gerade vor seiner Lodge als wir erledigt und heilfroh, endlich am Ziel zu sein, eintreffen. Meine Stirnlampe ausknipsend laufe ich ihm entgegen: “Namaste!”, er kommt freundlich grüßend auf mich zu und fragt ob er helfen kann. Ja, kann er: Wir brauchen ein Zimmer. Ich versichere mich noch, ob dies wirklich die Everest Lodge ist und folge ihm dann ins Innere, wo uns gleich seine freundlich lächelnde, beleibte Frau begrüßt sowie ein paar weitere Nepalesen, die gemeinsam in der Küche zusammen sitzen. Wir werden eine steile Holztreppe nach oben geführt und finden uns gleich im urgemütlichen Holzzimmer mit zwei separaten Holzbetten wieder, die unser Gastgeber sogleich zusammen schiebt, um ein großes Bett draus zu machen.

Nachdem wir die beengenden Schuhe von den Füßen gestreift haben und die schwitzigen Klamotten gegen gemütliche Baumwolle gewechselt haben, geht es zum Abendessen in den Aufenthaltsraum. Dort sitzt schon eine Dreier-Männer-Truppe zusammen und wärmt sich am elektrischen Ofen. Nach dem Essen kommt das Highlight des Abends: Unsere erste warme Dusche nach siebzehn Tagen! Und was für eine: In einem kleinen Holzschuppen wird eine Stirnlampe an einen Nagel gehängt, oberhalb gibt es eine Ablage für Klamotten und Seife. Über einen Hebel wird das Wasser aufgedreht. Schnell wird das Wasser schön warm und fast heiß. Meine Haare muss ich malwieder mehrmals waschen damit das Shampoo schäumt. Draußen ist es angenehm kühl, mild schon fast, keinesfalls kalt.

Wunderbar sauber kuscheln wir uns in unsere Betten. Nachts wird es tatsächlich kühl.

Tag 18: Bupsa – Nunthala

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Wieder ein sonniger Morgen.

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Wir sind überwältigt von all den Farben und der Fülle an Leben!

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Der nächste Tag ist übervoll mit knallbunten Blumen, Palmen, Melonenpflanzen, farbenfrohen Vögeln, Schmetterlingen, sprudelnden Bächen, kühlendem Schatten, wärmender Sonne und … Spinnen! In einem schaurig-schönen Rhododendron-Märchenwald beeindrucken uns erst die riesigen kunstvollen Spinnennetze, dann lassen uns ihre riesigen achtbeinigen Bewohnerinnen schaudern, die lauernd scheinbar schwerelos in der Luft hängen. Die Blase drückt aber hier traue ich mich nicht ins Gebüsch! Ich bin froh als wir wieder aus dem Wald raus und in der Sonne sind…

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Acht Beine und ein dicker Körper versperren die schöne Sicht.

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Ohne Spinnen lässt sich die Aussicht doch viel besser genießen!

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Nach dem Mittag fangen meine geplagten Füße wieder an zu schmerzen und ich bin froh als wir Nunthala endlich erreichen und unsere Zimmer in der Shangri-La beziehen können.

Leider wird der Abend kalt und nicht so richtig gemütlich. Im kalten Zimmer wird uns in Schlafsack und Daunenjacke jedoch bald warm.

Tag 19: Nunthala – Junbesi

Am nächsten Morgen warten wir eine halbe Stunde auf unser bestelltes Frühstück und müssen erst drohen, ohne Frühstück loszuziehen, damit wir endlich unsere Chapati mit Rührei bekommen. Um 8 Uhr geht es weiter.

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Beim Aufstieg haben wir noch mal einen schönen Blick auf die Berge, aus denen wir kommen.

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Heute geht es hauptsächlich bergauf, das ist angenehm für die Knie und die Füße. Wir genießen tolle Aussichten, feiern den 11.11.11 um 11.11 Uhr (”Und wenn dat Drömmelsche jeht!”) mit Aussicht auf… Mount Everest! Diesmal aber wirklich zum letztem Mal. Wirklich!

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Als wir anhalten, um nach dem Weg zu fragen, will man unbedingt ein Foto mir uns – also wollen wir auch eins!

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Dann wird meine nächtliche Begegnung bestätigt: Affen!

Die Unterkunft in Junbesi – eine Empfehlung von Susanne und Bernhard, die wir unterwegs kennenlernen – ist so verlockend schön, wir sind kurz davor sind noch einen Tag zu bleiben. Doch da es sich zugezogen hat, beschließen wir doch weiter zu gehen…

Tag 20: Junbesi – Sete

Heute sind wir im Nebel gefangen. Von Junbesi aus müssen wir bergauf, immer weiter, durch einen gruseligen Märchenwald, aus dem Nebelschwaden aufsteigen, die Bäume sind mit dickem Moos überwachsen, von den Ästen hängen lange Flechten, Bäume liegen umgestürzt und halb aufgeweicht am Wegesrand.

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Schaurig schöner Wald.

Dann werden die großen Tannen weniger und die Rhododendronsträucher mehr. Steil, steil geht es nach oben in den immer dichter werdenden Nebel. Dann sind wir auf dem Pass, 3.500 Meter hoch (das letzte Mal waren wir in Namche so hoch), die Aussicht reicht bis zum ausgestreckten Arm. Wir laufen auf dem Grad und Essen im Himalayan Restaurant zu Mittag. Zum Glück zieht eine Truppe Belgier gerade weiter und wir können uns direkt vor das warme Küchenfeuer setzen. Dort wärmen wir uns die klamme Kälte aus den Gliedern und beobachten dabei interessiert wie die Mutter mit ihren zwei Töchtern uns das Mittagessen zubereitet. Die Feuerstelle hat oben mehrere Löcher auf denen die Töpfe beheizt werden. Wenn alle “Platten” belegt sind, stellt die Mutter auch mal einen Topf direkt auf die glühenden Äste. Derweilen schwitzt der Sohn beim Käsestampfen, wobei er einen großen Klöppel in einem Fass voll Milch gleichmäßig hoch zieht und runter drückt, die Milch-Käse-Masse macht dabei schmatzende Geräusche.

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Das Mittagessen wärmt uns auf.

Dann geht es wieder runter, die Wolken verlassen wir dabei nicht und ihre Tropfen verfangen sich in den Haarspitzen, die unter unseren Mützen hervorschauen.

In Sete angekommen checken wir als erste Gäste des Tages in die “Sherpa Guide Lodge” ein und bekommen ein schönes Zimmer mit Blick in den Nebel.

Abends kuscheln sich alle um den altersschwachen Ofen unter der Schräge der Treppe in die Sitzkissen, Susanne und Bernhard sind auch wieder dabei.

Tag 21: Sete – Bhandar

Am nächsten Morgen geht es erst mal steil und lange bergab. Als wir schon keine Lust mehr haben, taucht unter uns am Fluss endlich Kinja auf. Dort gibt es zwischen tropischen Pflanzen und vielen kleinen Hausfliegen ein verfrühtes Mittagessen.

Der Aufstieg nach Bhandar ist lang, jedoch nicht so lang wie wir erwartet hatten, führt uns durch wunderschöne tropische Landschaften und … in den Nebel.

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Es ist schon ein seltsames Bild: Ein Blumenmeer aus leuchtend gelben und blass-lavendelfarbenen Blüten vor einem einfachen Steinhaus, daneben Kälbchen und Zicklein, die genüsslich saftiges Grün kauen, Wasser plätschert im Überfluss aus Steinbrunnen, Hühner picken vergnügt aufgeweichten Mais und all das im feuchten üseligen Nebel. November in den Tropen.

Auch leuchten uns überall die dicken Orangen entgegen. Sie hängen saftig an den Bäumen und ziehen die Äste schwer nach unten. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Wie lange habe ich kein Obst mehr gegessen? Das einzige Obst, das ich in den letzten Wochen zu mir genommen habe, waren die winzig klein geraspelten  Apfelstückchen, die in meinen Apfelpfannkuchen verarbeitet wurden. Wie gern würde ich jetzt so eine Apfelsine pflücken, schälen und genüsslich verspeisen! Doch in die Gärten der Leute traue ich mich nicht. Ein Junge verkauft das Stück für 100 Rs. Touristprice!

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Die neunjährige Juna schenkt mir bei unserer Ankunft in Bhandar eine Blume.

Wir erreichen Bhandar am frühen Nachmittag und werden von der Besitzerin der “Shobha Lodge” mit kostenloser Übernachtung und kostenloser heißer Dusche in ihre Lodge gelockt. Nach der Dusche lesen wir ein paar Stündchen, dann sitzen wir bei Krishna, der Besitzerin, in der gemütlichen Küche, essen Dal Bhat und gebratene Kartoffeln und unterhalten uns nett mit ihr und ihrer jüngsten Tochter, die im Ort Nepalesisch unterrichtet.

Tag 22: Bhandar – Jiri

Heute wird unser längster Tag. Von Bhandar bis Jiri ist eine ganz schöne Strecke und viele heben respektvoll die Augenbrauen, wenn wir ihnen unterwegs von unserer Tagesetappe erzählen. Aber wir sind fit und voll drin im Wandern. Also geht es um sechs Uhr ohne Frühstück in Bhandar los. Auf dem nächsten Pass pausieren wir eine Stunde zum Frühstück. Der Lodgebesitzer macht netterweise eine Reservierung für den Bus nach Kathmandu am nächsten Morgen.

Dann steigen wir knapp zwei Stunden nach Shivalaya ab und essen dort bei einem Bruder von Krishna zu Mittag. Dann geht es wieder rauf auf den Berg, wieder ein paar Stunden. Von oben müssen wir dann noch mal eine gute Stunde bis nach Jiri absteigen. Um 14.30 Uhr sind wir überraschend früh in Jiri. Schon von oben hören wir das unverwechselbare Hupen der Busse, das wir schon fast vergessen haben. Die Straße ist schlammig und es beginnt zu regnen kurz bevor wir Jiri erreichen. Es ist dreckig, die Menschen sehen irgendwie hektischer aus als in den Bergen. Müssen wir wirklich schon wieder zurück in die Stadt?

Wir werden gleich von zwei Typen angequatscht. Der eine ist derjenige, bei dem wir die Tickets bestellt haben, der andere ist der Besitzer der “Sherpa Lodge” (auch ein Bruder von Krishna), in der wir die Nacht verbringen wollen. Wir gehen erst unsere Tickets abholen. Als wir wieder gehen wollen, wird der Typ sauer, er hat natürlich damit gerechnet, dass wir in seiner Lodge übernachten, aber wir haben uns schon für die andere Lodge entschieden und lassen ihn beleidigt stehen.

Später am Nachmittag, wir schmökern gerade über unseren Büchern bei Ingwer-Tee und einer Schüssel Popcorn, taucht plötzlich der Ticket-Typ wütend in unserer Lodge auf. Er wolle die Ticket wieder haben, da jetzt die rechtmäßigen Besitzer (Susanne und Bernhard) angekommen seien, das Geld legt er uns auf den Tisch. Wir sehen gar nicht ein, ihm die Tickets wieder zu geben. Wir haben sie bei ihm reserviert und er hat einfach den Fehler gemacht und zu wenig Ticket gekauft. Die Diskussion geht hin und her bis unser Lodgebesitzer eingreift und zusammen mit dem Typen loszieht um noch zwei Ticket zu besorgen.

Eine heiße Dusche gibt es auch heute Abend – in was für einem Luxus wir plötzlich leben!

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Bei einem kleinen Spaziergang entdecken wir dann doch noch ein paar schöne Ecken in Jiri… und ich kaufe mir eine Orange!

Am nächsten Morgen stehen unsere Gastgeber extra früh mit uns, auf um uns Frühstück zu machen, und uns zu verabschieden. Um zehn vor sechs sitzen wir bereits auf unseren Plätzen im Bus.

Susanne und Bernhard kommen auch bald dazu und dann geht die Fahrt los. Zurück nach Kathmandu. Zu Computer und Internet, Straßenlärm und Smog. Haben wir das vermisst?

Der Bus kurvt durch die grüne Landschaft, bis nach Kathmandu sind es nur ca. 200 km, die Fahrt ist aber mit mindestens acht Stunden angegeben. Als wir an einem anderen Reisebus vorbei fahren, springt plötzlich ein junger Typ hinter dem anderen Bus hervor und knallt voll gegen unser rasendes Fahrzeug. Er fliegt sofort nach hinter und landet auf seinem Hintern. Einige Passagier schreien leicht auf und der Busfahrer hält an. Alle stürmen raus zum Verletzten, der sich den Arm hält. Offenbar ist ihm jedoch nicht so viel passiert, er steht schon wieder auf und läuft über die Straße. Er wird umringt von einer Menschentraube und ich kann beobachten wie ihm ein Pflaster auf seinen rechten Arm geklebt wird. Dann kommt er aber doch mit in unseren Bus, da der wohl schneller ist als der andere.

Dier Unfall sitzt allen ein bisschen in den Gliedern. Zum Glück auch dem Busfahrer. Der hupt jetzt vor jeder Kurve nicht ein sondern drei Mal. Die Bremsen quietschen laut.

Während der Fahrt wird der Verletzte von hinten weiter nach vorne gesetzt, am Fenster muss er sich übergeben. Wir wollen ihm Schmerztabletten anbieten, aber sein Begleiter, der ihm eine völlig durchgeblutete Binde, die um seinen verletzten Oberarm gewickelt ist, wechselt, lehnt dankend ab: Er habe keine Schmerzen.

Die Frau hinter mir hat gleich zu Beginn der Fahrt mit dem Erbrechen begonnen und lehnt sich schon wieder an meinen Sitz um sich in eine bereits ziemlich volle Plastiktüte zu übergeben. Auch eine andere Frau muss immer wieder würgend ihren Mageninhalt los werden. Als sie irgendwann erschöpft einschläft, lässt sie ihre volle Tüte auf den Boden sinken, deren Inhalt sich daraufhin langsam gleichmäßig über den Boden verteilt.

Zum Mittagessen halten wir in einem offenen Restaurant, in dem es Dal Bhat für alle und für 90 Rs pro Person gibt. Wir essen uns satt. Dann geht es weiter. Ohne weitere Zwischenfälle fahren wir nach Kathmandu. Als wir uns der Stadt nähern werde ich immer trauriger: Die Tiere, die Menschen leben im Dreck hier. Ich sehe Hähne mit schmuddeligen Federn und dreckigen Kämmen, Hunde mit offenen Stellen und kaum noch Fell auf der schuppigen Haut, die aus einer schmierig schlammigen Pfütze trinken. Kinder stehen mit schwarzen Füßchen zwischen Blechdosen, Plastikfaschen und anderem unidentifizierbarem Müll spielen, Frauen schauen traurig in die Luft, es stinkt nach verbranntem Plastik – die Menschen leben im Dreck.

Wie lange sollen wir hier bleiben? Wann geht es wieder in die Berge?

Doch bevor es weiter geht wollen wir ein paar Tage ruhen, in der lauten, dreckigen und übervollen Stadt. Wir sind froh, dass wir den Trek gesund und ohne Komplikationen hinter uns gebracht haben und träumen noch von blau leuchtenden Gletschern, schneebedeckten Gipfeln und einem Blick über das Dach der Welt…

2 responses


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Jaaa! The chicken-foot! We were waiting for that picture!!! Could not entirely understand what you wrote about it, but I assume it tasted great!
Wonderful pictures about your travel through EBC!
Enjoy the rest of your trip!

7. Dezember 2011 16:03

Thank you! And the chicken feet did NOT taste good, ask Anne Marie, they were horrible. I still don’t understand the Chinese, how can enjoy such disgusting food?? Evertime I saw a chicken on the trek (and there were many!) I had to stare at their feet – disgusting!

I hope you have more tasty experiences in Southeast Asia and Sjoukje at home for Christmas!!

Enjoy!!

12. Dezember 2011 09:10

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