Pokhara, Pokhara, was hast Du nur mit uns gemacht? Hast uns in Deinen Bann gezogen, uns gelähmt und Deine Lethargie, Deine Entspanntheit, Deine Leichtfertigkeit auf uns übertragen. Und so vergehen, ohne, dass wir uns versehen, drei Wochen, in denen wir nicht viel mehr machen, als schlafen, lesen, am Computer sitzen, uns die Sonne auf unsere geplagten Glieder scheinen zu lassen und auf unserem Motorroller die Umgebung Pokharas zu erkunden.

Im Bus von Nayapul nach Pokhara fühlen wir uns wie im siebten Himmel. Zwar ist der Bus voll mit Nepalesen und wird während der Fahrt in die größte Stadt der Umgebung (Pokhara hat ganze 200.000 Einwohner!) immer voller, doch das wohlig zufriedene Gefühl des Triumphes nimmt uns während der zweistündigen Fahrt vollkommen für sich ein und lässt uns glücklich lächelnd auf unseren viel zu engen Sitzen in eingezwängten Positionen verharren. Zuerst haben wir die hinterste Reihe mit den fünf engsten und unbequemsten Sitzen noch komplett für uns und unsere Rucksäcke allein. Trotzdem sitzen wir weder bequem noch entspannt. Als der niedrige Gang des Busses bereits mit dicht beieinander stehenden Reisenden gefüllt ist, kommt eine kleine ganz in Rot gekleidete Frau in mittleren Alter auf uns zu und quetscht sich schüchtern lächelnd direkt zwischen uns. Wir versuchen ihr so gut es geht Platz zu machen, doch unsere viel zu langen Europäerbeine wollen einfach nicht in den engen Spalt zwischen unserem und dem Sitz unseres Vordermanns passen. Doch da sitzt sie nun, bescheiden auf einem halben Kinderplatz zwischen uns zwei weißen Riesen und schaut ganz beseelt von einem zu anderen. Sobald ich ihren Blick erwidere, lächelt sie glücklich zu mir hinauf, blickt dann aber ein wenig beschämt weg. Also entschließe ich gerade aus zu gucken oder einfach die Augen zu schließen um ihr genügend Zeit zu geben mich ganz genau in Augenschein zu nehmen.

Die Fahrt ist wie jede Busfahrt in Nepal, kurvig, rumpelig, eng und voll. Ein Mann mit Newari Käppi kommt auf die tolle Idee, ebenfalls in unserer Sitzreihe Platz zu nehmen, und nötigt uns dazu, unsere Rucksäcke zu umschlingen und uns in leidenschaftlicher Umarmung mit ihnen gegen das staubige Busfenster zu drängen. Nebenbei will er dann auch noch Touristenkonversation mit uns führen und fragt mich auf ziemlich gutem Englisch nach unseren weiteren Plänen in Pokhara aus. Keine Frage, er will sich selbst als unser Guide verkaufen, er diktiert mir sogar seine Nummer, ohne dass ich ihn danach frage und verlangt, dass ich ihn nach ein paar Tagen Ausruhen (so viel gönnt er uns dann doch) auf jeden Fall anrufe. Ich schaue mir die krakelige Nummer an, die ich mir mit Kulli auf die Hand gekritzelt habe und freue mich schon, wenn ich sie gleich unter der Dusche im Guesthouse abwaschen kann.

In Pokhara angekommen, verlässt “unser Guide” mit uns zusammen den Bus und winkt uns gleich ein Taxi ran. Der Typi aus dem Bus, dem ich meinen Stock geschenkt hatte, hält mich beim Rausgehen am Arm fest und holt unter den Sitzen…meinen Wanderstab hervor! Oh weh, jetzt begleitet er mich noch immer – Christian war so schlau und hat seine verbogenen Laufstöcke einfach hinten auf der Bank liegen lassen… Wir entschließen uns zu fuß zu gehen. Jetzt sind wir so viel gewandert, jetzt können wir auch noch eben das Stück durch die Stadt laufen. Das Stück wird immer länger und irgendwann wünschen wir, wir hätten doch ein Taxi genommen. Doch dann erreichen wir die Lakeside, die langgezogene Touristenstraße, auf der sich Souvenirladen an Buchgeschäft an Kiosk an Café und Restaurant reiht, jedoch leider am falschen Ende und folgen ihr parallel zum Fewa See bis wir endlich unser Royal Guesthouse erreichen, dass wir vor drei Wochen hinter uns gelassen haben. Die nette junge Besitzerin erkennt uns auf Anhieb wieder. Sie freut sich, dass wir wirklich zu ihr zurück gekommen sind und führt uns zu unserem Zimmer. Wir haben das gleiche Zimmer wie letztes Mal, nur ein Stockwerk höher. So bekommen wir auf unserem Balkon sogar noch mehr Sonne ab und haben eine schöne Sicht auf die Hügel hinterm See und die Berge in der Ferne. Unser Bad ist halbwegs modern mit einem Waschbecken, einer offenen Dusche und einer Toilette zum Sitzen. Wir sind überglücklich wieder zurück zu sein und können es kaum abwarten in die Stadt zu gehen und den entspannten Teil unseres Nepalaufenthalts zu beginnen.

Wir schlendern gerade genüsslich an den vielen kleinen Lädchen vorbei, die abwechselnd Trekking Klamotten, Hippieutensilien, Postkarten und gebrauchte Bücher oder tibetischen Schmuck verkaufen, als wir von einem Motorradfahrer angehupt werden. Erstaunt drehen wir uns um und erkennen Jenny und Guillaume, die auf einem Motorrad der Marke Suzuki sitzen und uns anstrahlen. Das Wiedersehen ist überraschend und freudig! Die beiden sind ebenfalls von ihrem Trek zurück und seit knapp einer Woche wieder in Pokhara. Wir verabreden uns gleich mit ihnen zum Abendessen.

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Ein Trekkertraum geht in Erfüllung: Frühstück im Bett!

Das Essen in Pokhara ist nicht der einzige Grund, der uns hier hält, aber schon mal ein guter Anfang: Zum Frühstück bleiben wir entweder einfach in unserem Bett und bestellen Toast mit Butter und Honig, Banana Lassi, Porridge und Omelette, oder wir sitzen vor dem kleinen Wooden Coffee House, das das Produkt eines niederländisch-nepalesischen Entwicklungsprojekts für die Beschäftigung von Frauen ist, und essen den unschlagbaren Apfel-Rosinen-Pfannkuchen. Das Boomerang Restaurant direkt am See ist auch ein paar Tage lang unser Favorit. Dort sitzen wir auf halbhohen Gartenstühlen mit weit nach hinten geneigter Rückenlehne, schlürfen leckere Fruchtlassis und Tees und nutzen den guten und kostenlosen Wifi-Empfang. Jenny und Guillaume nehmen uns mit auf “ihre” Sonnenterasse, ein kleines unscheinbares Café, genannt Perky Beans, auf dessen einfacher Sonnenterasse wir anschließend Tage damit verbringen groß zu Frühstücken, anschließend riesige Milchshakes (0,4 L!) mit richtigem Eis zu schlemmen und uns zum Nachmittag noch mal ein Stück Kuchen und einen wirklich guten Cappuccino zu gönnen. Nebenbei bekommen wir bei 21 Tagen Sonne richtig Farbe! Jedenfalls im Gesicht und auf den Armen… Was für ein Leben!

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Tee und Kaffee (Kuchen is schon weg) im Bistro Caroline.

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Blick aus der Hängematte.

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Im Garten des Boomerang Restaurant.

Wenn wir nicht einfach den ganzen Tag bleiben, essen, lesen, quatschen und im kostenlosen Internet surfen, gibt es zum Mittag manchmal einfach ein Sandwich in einem der unzähligen Restaurants und Straßencafés. Abends essen wir zu zweit, zu viert mit Jenny und Guillaume oder zu sechst, wenn die beiden noch ihre Freunde Anna-Lena und Ernesto, genannt Junior, dazu holen. Anna-Lena ist eine alte Schulfreundin von Jenny und verbringt mit Ernesto, der professioneller Gleitschirmflieger aus Venezuela ist, den Winter in Pokhara. Bei dem guten Wetter hat Ernesto eine Menge zu tun, bis zu vier Mal muss er täglich mit Touristen vom lokalen Startpunkt in Sarangkot abspringen und mit ihnen in einer Wolke aus anderen Gleitschirmfliegern Richtung See gleiten. Für Ernesto bedeutet das viel zu tun über die Feiertage, aber auch mehr Geld! Über die Wochen entdecken wir viele gute Restaurants in Pokhara, manche teurer, manche günstiger. Einig werden zu unseren Lieblingsplätzen, zu denen wir immer wieder zurück kehren. So zum Beispiel das Café Concerto, gemütliche Jazzbar mit original italienischer Pizza und leckerem Rotwein. Leider ist das Café Concerto wie die meisten anderen Restaurants offen und bei der Jahreszeit ein bisschen kühl. Die Plätze am Feuer sind schnell weg. Trotzdem kommen wir immer wieder – für die Pizza und für den Käsekuchen mit Rosinen, Erdbeersoße und Schlagsahne!

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Abendessen im Café Concerto.

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Abendstimmung im Boomerang.

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Die Mädels aus dem Wooden Coffee House.

An einem Morgen, wir haben gerade lange und lecker im Wooden Coffee House gefrühstückt, entschließen wir uns, mal einen Roller zu mieten. Überall am Straßenrand stehen Männer, die Fahrräder, Motorroller oder Motorräder stunden- oder tageweise vermieten wollen. Mit einem Roller könnten wir Pokhara erkunden und auch mal ein bisschen raus fahren, überlegen wir uns. Doch als wir auf die Straße treten, ist alles anders: Wo sonst Autos, Motorräder und Roller hupend hin und her fahren, spielen jetzt Jungen Fußball. Fußgänger spazieren mitten auf der Straße. Auch die Geschäfte sind alle geschlossen. Wir sind verwirrt – was ist jetzt los? Wir gehen zu einem Mann, der Fahrräder vermietet und fragen was Sache ist. Generalstreik, klärt er uns auf. Christians erste Sorge ist wo wir denn dann wohl heute Abend essen sollen… Heute gibt es also keinen Roller, dafür aber Fahrräder. Mit den cruisen wir dann gemütlich auf den extrem entspannten Straßen umher. Es hätte keinen besseren Tag geben können: kein einziges Auto ist unterwegs, wir können mitten auf der Straße fahren und müssen nur aufpassen keins der spielenden Kinder anzufahren oder von einem schief geschossenen Fußball abgetroffen zu werden. Mitten auf der Lakeside treffen wir Michel, den Münchner vom Trek. Er spielt gerade in gemischten Gruppen aus Nepali und Reisenden Fußball – mitten auf der Straße! Eigentlich wollte er heute nach Kathmandu fahren, erklärt er uns, da jedoch kein Bus fahre, hoffe er auf morgen, da am Abend sein Flieger zurück nach Deutschland gehe, so dass er pünktlich zu Weihnachten wieder zurück in der Heimat wäre. Wir wünschen im Glück und radeln weiter.

Auf dem Weg Richtung Altstadt fahren wir über eine der Hauptverkehrsstraßen Pokharas. Wir überholen eine kleine Gruppe junger Nepalesen, die mit einer Fahne ausgestattet demonstriert. Der Grund für den Streik, wie wir rausgefunden haben, ist die Freilassung eines ehemaligen Regierungsmitglieds, das während seiner Regierungszeit den Tod seiner Gegner veranlasst habe. Nun protestieren seine Gegner (verständlicher Weise) gegen die Freilassung eine Mörders, seine Befürworter unterstützen ihn. Auf mittlerer Höhe der Straße trifft die kleine Gruppe Demonstranten auf ihre Opponenten. Fahnen werden geschwungen, Rufe werden laut. Die Straße ist – wie jede Straße in Nepal – voller loser Steine, die auch gleich als Waffen entdeckt und aufgehoben werden. Zum Glück steht die Polizei direkt am rechten Fleck und mischt die Streithähne auf, so dass sich beide Seiten wieder zurück ziehen. In Kathmandu, so hören wir später, seien die Demonstrationen sehr viel größer gewesen und nicht immer so glimpflich ausgegangen wir die, die wir zu Gesicht bekommen haben. Bevor sich die Situation erneut aufheizt, treten wir lieber in die Pedale und setzen unseren Weg Richtung Altstadt fort.

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Am Bindhya Basini Mandir Tempel in der Altstadt Pokharas.

An einem Tempel in der Altstadt halten wir an. Christian bewacht unsere Räder, ich steige die Stufen hoch zum Tempel. Kaum bin ich oben, kommt ein unscheinbarer junger Mann auf mich zu und erklärt mir in ein paar Sätzen etwas zu jedem der einzelnen Tempel. Ich ahne schon was gleich kommt… Im Haupttempel muss ich meine Schuhe draußen lassen, darf mir eine Statue und ein Bild von Shiva ansehen und bekomme eine Tikka – einen roten Punkt auf der Stirn – von einem ziemlich jungen Priester verpasst. Dann erklärt mir mein selbst ernannter Guide, ich dürfe ihn jetzt bezahlen. Das sehe ich natürlich nicht ein und lehne dankend ab. Doch der lässt sich nicht so schnell abwimmeln und verfolgt mich zurück über den Platz und versucht mich erst zu überzeugen ihm was zu geben, dann wird er böse und will seinen Lohn einfordern. Ich erkläre ihm, dass mir seine Informationen gefallen haben, er sie mir jedoch kostenlos angeboten habe. Wenn er mir von Anfang an gesagt hätte, dass er Geld dafür will, hätte ich mich nicht drauf eingelassen. Ich lasse ihn stehen. Zurück nach Pokhara Lakeside geht es ganz leicht: Bergab können wir uns fast die ganze Zeit einfach nur rollen lassen.

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Mit meiner Tikka fühle ich mich fast schon heilig.

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Der kleine lässt bei meinem Anblick seinen Schläger fallen.

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Die leeren Straßen Pokharas.

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Bruder und Schwester.

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Zurück an der Lakeside.

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Blick am Nachmittag von unserem Balkon.

Am nächsten Tag ist alles wieder beim Alten und wir mieten uns einen Roller. Erst fährt nur Christian, ich habe noch nie auf einem Roller gesessen und bin, zumindest in der Stadt, ein bisschen skeptisch. Wir entschließen uns um den See herum und hoch zur Friedenspagoda zu fahren, die wir von unserem Hotelzimmer aus sehen können. Der Weg hinauf ist ziemlich steil und ziemlich sandig, trotzdem schafft es Christian uns beide auf unserem Geländeroller hinauf zu buksieren. Oben angekommen haben wir einen herrlichen Blick auf Pokhara und – vor allem! – auf die Berge des Annapurnagebiets dahinter.

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World Peace Pagoda.

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Blick auf Pewa Lake, Sarangkot und die Annapurna Berge (Macchapucchare, 6.997 m in der Mitte).

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Kaum außerhalb der Stadt, treffen wir wieder auf die typischen Nepalbilder.

Nun wollen wir unseren Roller nicht mehr hergeben. Plötzlich sind wir mobil, müssen nicht mehr die fünfzehn bis zwanzig Minuten in die Stadt laufen, um Essen zugehen, sondern schwingen uns einfach auf unser Gefährt und sind wenige Minuten später am Ziel! Als nächstes machen wir einen Ausflug zu einem kleinen See, ganz in der Nähe von Pokhara. Wir müssen erst durch den chaotischen Verkehr der Stadt, dann ein paar Kilometer Landstraße fahren, um dann zum See abzubiegen. Dort angekommen führt uns eine holprige Straße um den idyllischen See herum.

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Wir parken unseren Roller auf einer Wiese neben einem Guesthouse und wollen ein bisschen spazieren gehen.

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Nach zehn Minuten Laufen durch die abgeernteten Reisfelder machen wir eine Pause in der Sonne und stehen erst zwei Stunden später wieder auf – nur um zurück zu gehen.

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Im Guesthouse essen wir eine Suppe und unterhalten uns mit der Besitzerin.

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Die Nachbarin der Besitzerin hilft im Haushalt.

Auf dem Rückweg traue ich mich dann endlich auch mal ans Steuer und fahre uns langsam aber mit wachsender Sicherheit zurück zur Landstraße. Der nächste Tag wird noch besser: Wir fahren wieder raus aus Pokhara, diesmal jedoch entlang des Fewa Sees Richtung Westen und sobald wir den Verkehr der Stadt hinter uns gelassen haben, übernehme ich wieder. Diesmal macht es mir richtig Spaß und ich will gar nicht mehr abgeben. Wir fahren durch die kleinen Orte, die sich am See und dann am Fluss aufreihen und grüßen uns mit den neugierigen Kindern. Die Straße wird immer schlechter und wird zur Geländeherausforderung für mich und den Roller. Alles klappt super! Als wir einen breiten und halbwegs tiefen Fluss durchqueren müssen, halten wir an und beschließen Rast zu machen. Wir trinken einen Tee in einem kleinen Dorf und drehen dann um – Flussdurchquerung muss nicht sein. Christian, der Arme, sitzt den Rest des Tages hinten und wünscht sich, ich hätte nicht so viel Spaß am Rollerfahren, ihn lasse ich heute nicht mehr ans Steuer!

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Auf dem Rückweg beobachten wir wieder die Reisernte am Straßenrand.

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Fewa Lake im Abendlicht.

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Weihnachtsdeko Nepalistyle.

In den Tagen vor Weihnachten verändert sich Pokhara Tag für Tag. Obwohl die Nepali überwiegend Hindus und Buddhisten sind, haben sie in Pokhara (und wahrscheinlich auch in Kathmandu) ihre ganz eigene Art der Weihnachtsdekoration und des Weihnachtenfeierns entwickelt. In den Gärten werden die Büsche und Sträucher mit Wattebäuschen dekoriert. Überall kommt buntes Lametta zum Einsatz. Weihnachten hat in einem nicht-christlichen Land keine Bedeutung. Die Nepali scheinen jedoch einen Gefallen daran zu finden, alles zu dekorieren und eine feierliche Stimmung zu erzeugen. Jedenfalls versuchen sie es. Wir sind ein bisschen gerührt.

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Weihnachtsbrunch mit Jenny und Guillaume auf Perky Beans Sonnenterasse.

Eigentlich wollten wir Weihnachten wieder in Kathmandu sein und dort zusammen mit Jenny und Guillaume und vielleicht noch anderen Bekanntschaften feiern. Doch wie es sich ergibt, bewegt sich keiner von uns in die laute große Stadt und so feiern wir den Heiligen Abend zu sechst im Moondance, einem weiteren Favourite, der an dem Abend bis oben hin gefüllt ist mit westlichen Gästen. Zum Glück haben wir einen Tisch bestellt! Als Festtagsmenu gibt es ein Spanferkel, das draußen vor dem Feuer gegrillt wird. Nach zwei Stunden Warten auf unser Essen, knurrt allen der Magen und wir sind betrunken (der Wein kam sofort). Das Essen ist köstlich und auch ein bisschen feierlich.

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Endlich Essen! Anna-Lena und Guillaume schlagen zu.

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Mein Weihnachtsteller: Italien Chicken mit Baslamico-Dressing.

Der Macchapucchare Kiss zum Nachtisch (Zwei Keksplatten mit Schokopaste dazwischen,  obendrauf eine dicke Schicht Sahneeis mit Schokosoße als Verzierung) bildet den krönenden Abschluss. Jetzt, da Weihnachten vorbei ist, wird auch das Heimweh weniger, hoffen wir…

Nach Weihnachten leihen wir uns zusammen mit Jenny und Guillaume erneut einen Roller und ein Motorrad. Die zwei waren kurz nach unserer Rückkehr nach Pokhara mit ihrem geliehenen Motorrad bis zum Nationalpark Bardia gefahren. Auf dem Rückweg hatten sie jedoch etliche Pannen (Platten, Kette abgesprungen, Platten, Platten) und letztendlich waren sie mit dem Bus zurück nach Pokhara gekommen – mit dem Motorrad auf dem Dach! Diesmal wollen wir jedoch nicht so eine weite Strecke zurücklegen, sondern “nur” auf den Berg von Sarangkot, der Startpunkt der Gleitschirmflieger. Wir bekommen einen ganz guten Deal bei einer Frau: Roller und Motorrad den ganzen Tag für 800 Rs. Wir fahren noch schnell ein paar Liter tanken, dann geht es los. Kaum geht es bergauf, bekommen Jenny und Guillaume Probleme mit ihrem Motorrad. Wir halten an, versuchen heraus zu finden warum ihre Maschine ausgeht, sobald sie kein Gas geben, andere Motorradfahrer halten an, versuchen uns zu helfen, doch gelöst bekommen wir das Problem nicht. Also rufen wir bei der Besitzerin an (zum Glück haben Jenny und Guillaume ein Telefon und die Nummer!). Nach einer Viertelstunde kommt der Sohn mit einem Kumpel auf zwei Motorrädern vorbei. Erst ist auch er sprachlos, dann findet er das Problem und das Motorrad ist bald wieder fahrtüchtig. Also wagen wir den zweiten Versuch.

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Paraglider in ihrem Element.

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Hier ist die Straße noch super…

Es geht immer weiter bergauf, dabei wird die Sicht über Pokhara und die Flieger, die an ihren Schirmen hängend über uns hinweg segeln, immer besser, die Straße wird jedoch kontinuierlich schlechter. Obwohl ich zuerst das Steuer an mich gerissen hatte, gebe ich jetzt mit schweren Armen erleichtert an Christian ab. Es ist einfach zu anstrengend, ständig um und über Steine zu lenken, dabei zwischen Vollgas und Bremse zu wechseln und zu versuchen weder aufzusetzen noch umzukippen. Unser armer Roller muss sich ganz schön beweisen. Doch nicht nur uns geht der Weg in die Arme, Jenny und Guillaume sind ebenfalls am stöhnen und wir überlegen kurz ob wir wieder umkehren sollen. Doch dann hören wir von den Bewohnern der kleinen Lehmhäuschen am Straßenrand, dass wir die Hälfte bereits geschafft haben und der Teil vor uns leichter zu fahren sei als der hinter uns. Also kurven wir weiter und tatsächlich wird die Staub- und Sandstraße ebener. Als wir nach weiteren acht Kilometern wieder die Asphaltstraße erreichen, übernehme wieder ich voller Vorfreude und kurve mit Christian hinten drauf die Serpentinen auf der anderen Seite des Berges wieder hinunter. Unten im Tal hole ich alles aus unserem fahrbaren Untersatz heraus. Bei Tempo 60 zieht der Wind stark an einem viel zu großen Helm. Zum Abschluss gehen wir noch bei einem gemütlichen Restaurant direkt am See etwas essen.

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Die Biker Gang nach einem staubig schönen Tag.

Die Tage fließen dahin wie eine zähe Masse, gehen ineinander über und lassen sich am Ende kaum noch voneinander unterscheiden. Wir schlafen aus, laufen in die Stadt, machen es uns auf der Dachterasse von Perky Beans bequem, Jenny und Guillaume sind entweder bereits da oder kommen innerhalb der nächsten Stunde nach, planen unsere Indienreise (die Züge in Indien sind schon alle so gut wie ausgebucht, wie wir mit Schrecken feststellen, also müssen wir zuschlagen und nehmen was wir kriegen können!), trinken Kaffee, essen Sandwiches, Milchshakes und Kuchen, lesen.. das Übliche!

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Wieder einen ganzen Tag auf der Terasse verbracht.

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Schildkröte (Maja) beim Mittagessen im Bistro Caroline.

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Für Christian gibt’s ne Wurst! Schmeckt wie zuhause!

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Abendstimmung am See.

In den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester findet in Pokhara das alljährliche “Streetfestival”, dieses Jahr bereits zum 13. Mal, statt. Wir sind ganz gespannt, angeblich soll es super sein, mit Spielen, Livemusik und Essen auf der Straße. Das Straßenfest und der Umstand, dass Jenny und Guillaume sich entschlossen haben ebenfalls bis ins neue Jahr in Pokhara zu bleiben, sind dann auch der Grund, weswegen wir noch ein paar Tage dran hängen und nicht, wie eigentlich angedacht, Silvester bereits in Delhi zu verbringen. In den Tagen vor Beginn des Straßenfestes können wir die beginnenden Vorbereitungsarbeiten bereits beobachten: Überall werden Wimpel und bunte Fähnchen zwischen den Straßenlaternen und Strommasten über der Straße gespannt. Restaurantbesitzer hängen riesige Banner mit den Namen ihrer Lokale über die Straße. Am 28. Dezember werden Stühle und Tische auf die Lakeside gestellt, Feuertonnen werden mit Feuerholz bestückt. Über die “Draußenrestaurants” werden bunte Stoffpavillions gestellt, deren Ecken mit Palmenwedeln und Lichtern verziert werden. Noch schlendern nur wenige Besucher zwischen den Ständen und Essensgelegenheiten umher.

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Bunte Souvenirs vom Straßenfest.

Doch als die Tage bis zum Jahresende weniger werden, kommen Abend für Abend mehr Besucher von überall aus Nepal auf die Lakeside in Pokhara und bewundern die Lichterpracht, bestaunen die fetten Spanferkel, die sich vor mehreren Restaurants überm Feuer drehen, genießen das herzhaft fettige Kirmesessen (Hühnerspieße, Zuckerwatte, frittierte Teigringe), kaufen fleißig Souvenirs und spielen vor allem die vielen lustigen Straßenspiele. Ein Klassiger dabei: Dosenwerfen. Da die Nepali sehr gut werfen können, stehen die Dosen etwa zehn Meter entfernt. Auch das Torschießen hat seine Tücken: Das Tor ist ebenfalls gute zwanzig Meter entfernt und außerdem nur exakt so breit wie der Ball. Trotzdem werden ständig Dosen abgeworfen und Tore geschossen. Ein Spiel, das wir so noch nicht kannten, ist die nepalesische Variante von Topfschlagen: In einem rechteckigen Feld steht der Spieler am einen Ende des Rechtecks, am anderen Ende ist mittig ein Tonkrug aufgestellt. Er bekommt erst die Augen verbunden, dann wird er im Kreis gedreht (netterweise aber wieder gerade in Richtung des Ziels ausgerichtet) und bekommt dann einen Holzstab in die Hand. Innerhalb einer bestimmten Zeit (vielleicht maximal eine Minute) muss er nun zum Tonkrug laufen und ihn mit einem einzigen Versuch treffen. Während der Spieler blind lostaumelt versucht ihn die umherstehende Menge zu leiten, doch zu seiner Verwirrung sind rechts und links neben dem Tonkrug riesige Boxen aufgestellt, die ohrenbetäubende Musik (meisten Hardcore oder Punk Rock) spielen, so dass er ihn Zielnäher immer weniger seinen Ohren trauen kann. Sobald er entweder das Spielfeld (begrenzt durch einen dicken weißen Strich auf dem Boden) verlässt, oder in einen eingezeichneten Bereich vor dem Tonkrug tritt, ertönt eine Trillerpfeife und ihm wird die Augenbinde abgenommen. Auch wenn der einzige Versuch ins Leere geht, hat der Spieler verloren. Der Jubel der umherstehenden Menschen ist ähnlich dem einer Menge, die ein spannendes Fußballspiel verfolgt, wenn der Spieler tatsächlich mal nah an sein Ziel kommt. In dem äußerst seltenen Fall, dass er tatsächlich trifft, bricht die Masse in einen euphorischen Jubel aus. Die Nepali sind so wunderbar begeisterungsfähig!

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Mitten auf der Straße findet eine Art Zeremonie mit Musik und Gesang statt.

Am 30. Dezember treffen wir uns bei Jenny und Guillaume im Hotel um Sushi zu essen. Mit dabei ist diesmal noch ein anderes deutsche Pärchen, zwei Medizinstudenten, die gerade im PJ im Western Regional Hospital in Pokhara sind. Die zwei laden uns ein am nächsten Abend mit ihnen zusammen in ihrem Hotel Silvester zu feiern. Am nächsten Tag, dem letzten Tag des Jahres, erfülle ich mir einen alten Wunsch und lasse mir zusammen mit Jenny die Nase piercen. Obwohl die Frau im Piercingstudio in Münster gesagt hat: “Und komm nicht auf die dumme Idee, Dich in Indien piercen zu lassen!”, ist ja Nepal, nicht Indien… Und auch obwohl ich furchtbar Schiss habe, vor einer Entzündung, vor einer rot-angeschwollenen Nase und: Vor dem Stechen selbst! Aber als wir den kleinen “Beauty Salon” betreten, wie sich der kleine Raum mit Spiegelfront nennt, stellt sich heraus, dass geschossen wird, nicht gestochen und das tut dann auch überhaupt nicht weh. Was die Frau aus dem Piercingstudio wohl dazu gesagt hätt…

Der Abend wird richtig gut! Erst treffen wir uns im Garten des Hostels von den beiden Medizinern und trinken unsere Wodka-Mangosaft-Mischung. Dann ziehen wir alle zusammen weiter in die übervolle Stadt. Das Straßenfest ist auf seinem Höhepunkt und die Lakeside ist vollgestopft mit Essensgelegenheiten, Straßenspielen und vor allem Menschen. Alle sind in bester Stimmung. An den weniger vollen Straßenecken wird getanzt und gesungen, wir machen mit. Im Busy Bee spielen mal wieder nepalesische Coverbands. Als wir reinkommen stehen vier junge Typen auf der Bühne, die uns ein bisschen an die heruntergekommene Version von Tokiohotel erinnern: Der Sänger ist schmächtig, jung und einfach zu cool für diese Welt. Ihr Hardrock heizt die Stimmung auf.

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Bill Kaulitz Nepalistyle.

Dann, um kurz vor Mitternacht, wechselt die Band und oben stehen nun ein bisschen ältere und etwas erfahrener aussehende Musiker. Der PJ-ler schwärmt mir mit vom grölen gebrochener Stimme vor, wie toll die Band sei. Er hat Recht: Die Jungs sind wirklich gut und lösen eine Tanzlust bei den Zuhörern aus. Mit unseren neuen Piercings trauen Jenny und ich uns nicht in den Pogomop, aber wir suchen uns sichere Plätze und tanzen trotzdem ausgelassen. Um Mitternacht geht das Licht aus – Stromausfall! – alle jubeln, grölen und schreien, die Band spielt einfach weiter. Dann geht das Licht wieder an und alle schreien nur noch mehr, wir fallen uns verschwitzt und betrunken in die Arme: Frohes Neues Jahr! Happy New Year!

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Die zwei frisch gepiercten Mädels.

Kurz darauf ist die Party zu Ende. Die Nepalesen sind es nicht gewohnt die ganze Nacht zu feiern. Aber wir haben auch nichts dagegen um halb zwei schon wieder zu gehen, wir sind ja auch nicht mehr so häufig so lange wach. Ermutigt vom Alkohol trauen sich die Nepalesen auch zu dem ein oder anderen Anmachspruch: “I’m a police officer and you’re under arrest!” Gute Nacht!

Unser letzter Tag in Pokhara und es ist bewölkt. Das erste Mal seit drei Wochen, aber wir sind nicht wirklich traurig, so fällt der Abschied morgen dann doch vielleicht ein bisschen leichter. Wir haben uns schon richtig eingelebt in dem entspannten Touristenort, kennen jeden Laden, wissen wo wir was am liebsten essen und fühlen uns fast ein wenig zu Hause. Nie haben wir an einem Ort mehr Zeit verbracht als in Pokhara, das soll schon was heißen!

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Abschiedsessen mit Jenny, Guillaume und Anna-Lena im Moondance.

Im strömenden Regen treffen wir uns an unserem letzten Abend mit Jenny, Guillaume und Anna-Lena im Moondance zu unserem Abschiedsessen. Dann verabschieden wir uns nicht ganz ohne Wehmut. Am nächsten Morgen müssen wir außergewöhnlich früh aufstehen. Als um zwanzig nach fünf der Wecker klingelt, werden wir aus tiefstem Tiefschlaf gerissen. Unsere liebe Hostelbesitzerin hat uns ein Taxi für sechs Uhr bestellt und verabschiedet uns winkend am Tor.

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Abschied von der Besitzerin des Royal Guesthouse.

Um halb sieben soll unser Bus fahren, um zehn vor sieben geht es endlich los. Unsere letzte Station vor Indien ist Lumbini, die Geburtsstätte Buddhas. Dort wollen wir nach einem Tag im Bus noch eine Nacht bleiben und uns vom Buddhismus verabschieden, dessen Hochburg wir jetzt verlassen. In Indien werden vor allem Hinduismus und Islam die größten Rollen spielen. Wir können es kaum glauben: Unser drei-monatiges Visum für Nepal ist fast abgelaufen. Auch wenn es häufig ganz anders war als wir es uns vorgestellt hatten, sind wir von Nepal beide total begeistert. Das lag vor allem an der wunderschönen und ursprünglichen Natur wie wir sie so farbenfroh und vielfältig selten vorher gesehen haben. Aber auch die Menschen Nepals haben wir schnell ins Herz geschlossen. Wir sind glücklich ein kleines bisschen ihrer Fröhlichkeit und Leichtfertigkeit übernehmen und mitnehmen zu können.

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