Unser Zug hat natürlich Verspätung. Als er einfährt herrscht das übliche Chaos eines indischen Bahnsteigs: Die Leute laufen hin und her auf der Suche nach ihrem Wagon. In indischen Zügen gibt es nämlich acht verschiedene Klassen, darunter fünf Klassen mit Klimaanlage (die AC-Klassen, drei davon Schlafklassen, zwei Sitzklassen) und drei Klassen ohne Klimaanlage (eine Schlafklasse und zwei Sitzklassen). Die Schlafklassen werden tagsüber jedoch auch als Sitzklassen eingesetzt, dann wird das mittlere Bett einfach hochgeklappt und auf jeder Pritsche können drei Personen Sitzen. Die Wagons sind dabei nicht unbedingt vorhersehbar geordnet und da indische Züge ebenfalls die Eigenschaft haben, unglaublich lang zu sein, hält der Zug an jeder Station etwa 15 Minuten bis alle Passagiere ihren Wagen gefunden haben. Wir fahren diesmal in der Sleeper Klasse, ohne Klimaanlage, dafür aber mit Ventilatoren, drei Pritschen auf jeder Seite und zwei im Gang.

Neben mir sitzt eine junge hübsche Frau, ihr gegenüber ein älterer gut gekleideter Mann. Mir gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters, die wir zusammen mit ihrem Bruder bereits am Bahnsteig gesehen hatten. Sie lächelt mich schüchtern an, spricht jedoch kein Wort Englisch. Also hole ich meine Sprachführer heraus und versuche mich mit ihr zu unterhalten. Der junge Mann neben ihr gehört anscheinend zu der jungen Frau neben mir, die mich gleich in ganz gutem Englisch fragt, ob sie sich meine Bücher ansehen dürfe. Mit ihr zusammen gehe ich ein paar Sätze durch, die Betonung ist wirklich eine Herausforderung und die Sätze sind viel länger als auf Englisch oder Deutsch. Sie hilft mir bei der Aussprache und lacht über meine Unbeholfenheit: “You are so friendly!”. Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre, dass sie 21 Jahre alt ist, verheiratet mit dem jungen Mann schräg gegenüber und noch nicht so ganz sicher ob sie Kinder haben will. Sie hat zwar Englisch studiert, bezeichnet sich aber dennoch als Hausfrau von Beruf. Als ein kleines Kind an der Hand an uns vorbei geführt wird, zeigt sie ganz verzückt darauf, “You’re sure you don’t want children?”, frage ich lachend. Als sich die Zugfahrt ihrem Ende neigt, will sie mich gar nicht mehr gehen lassen, sie klammert sich an meinen Arm und lässt mich nicht mehr los. Wir tauschen Email Adressen aus und machen noch ein Foto. Dann muss ich ihr versprechen sie niemals zu vergessen.

In Agra kommen wir zwei Stunden später als geplant an. Wir werden vom hosteleigenen Fahrservice abgeholt, was für ein Luxus! Wir müssen uns nicht orientieren oder mit den Rikschafahrern verhandeln, wir folgen einfach dem Mann mit dem hennagefärbten Bart und dem Turban, der mit einem Schild mit der Aufschrift “Christian” auf uns am Ausgang wartet. Auf dem Rücksitz seiner Autorikscha frieren wir ganz schön, als er uns durch das dunkle und kalte Agra fährt. Die Stadt ist weitläufig und auf den ersten Blick nicht besonders schön. Das soll mal die Hauptstadt Indiens gewesen sein? Und Heimat eines der schönsten Gebäude der Welt? Naja, warten wir mal auf den nächsten Tag.

Wir checken in unser Hostel ein und bekommen natürlich ein anderes Zimmer als wir reserviert hatten. Statt eines Doppelzimmers bekommen wir ein Vier-Bett-Zimmer, die Betten zu einer riesigen Liegefläche zusammengeschoben. So haben wir wenigstens viel Platz. Der Raum ist auch eher medium, mit weißen Schimmelflocken an den Wänden und einem nicht besonders sauberen Mini-Bad. Aber das Personal, ein Familienbetrieb mit dem Vater an der Spitze, der Mutter mit der süßen etwa 10-jährigen Tochter in der Küche, dem schlitzohrigen 20-jährigen Sohn als Verwalter und dem jüngeren, etwa 13-jährigen Sohn als Türsteher, Scherze-Macher und Laufjunge, ist authentisch und nett. Aber natürlich auch ein bisschen typisch indisch: Für unseren Abholservice sollen wir plötzlich 100 INR bezahlen. Auf der Internetseite steht zwar es sei kostenlos aber plötzlich gelte das nur noch für die Nebensaison. Wir sind zu müde und kaputt um zu diskutieren und zahlen. Dann bekommen wir  von der Köchin des Hauses ein einfaches aber leckeres Abendessen gekocht. Ein bisschen indische Hausmannskost.

Die Nacht wird nicht besonders erholsam, da bis Mitternacht auf dem Dach das Hostels gearbeitet wird (es sollen neue Zimmer entstehen), danach die Hunde zu ihrem allabendlichen Geheul und Gejaule ansetzen und ab morgens um sechs die Bauarbeiten auf dem Dach weiter fortgesetzt werden. Wir sind ein bisschen genervt, doch nach einem späten und leckeren Frühstück geht’s schon wieder besser und wir entschließen uns heute nach Fatehpur Sikri zu fahren, einer muslimischen Geisterstadt etwa 40km von Agra entfernt. Wir nehmen den ziemlich überteuerten Fahrdienst des Hostels in Anspruch und lassen uns zum Busbahnhof bringen.

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Auf den Straßen Agras werden auch Götter, jedenfalls stückweise Spazieren gefahren.

Dort steigen wir in einen öffentlichen Bus.

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Eine indische Familie wartet auf ihren Bus.

Die Fahrt dauert etwa 1 1/2 Stunden und ist wieder eine typische Busfahrt: Entweder wir rasen über reparaturbedürftige Landstraßen und überholen in halsbrecherischen Manövern andere Verkehrsteilnehmer oder wir schieben uns im nächsten Dorf unter ständigem Hupen im Schneckentempo mitten durch einen belebten Markt. Auf einer Schnellstraße sehen wir unsere ersten Kamelkutschen und sogar eine Elefantenkutsche! Der erste Elefant unserer Reise.

Die Geisterstadt Fatehpur Sikri war zur Zeit der Mughalherrschaft auch eine Zeit lang, wenn auch nur eine recht kurze von Ende des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts, indische Hauptstadt und ist nun als verlassene Stadt zu besichtigen. Zunächst müssen wir uns jedoch durch das aktuelle und keineswegs verlassene Fatehpur Sikri schlagen, dessen Bazaar uns mit den typischen Gemüsehändlern, Blumenverkäufern und Süßigkeitenständen empfängt. Wir schlängeln uns zwischen den hupenden Mopets, dreckigen Kindern, in der Gosse nach Essen wühlenden Schweinen, Misthaufen und Dreck auf dem Weg hindurch und finden schließlich den Aufstieg zur Moschee der verlassenen Stadt. Mittlerweile kennen wir ja den roten Sandstein, mit dem die Mughals so gern gebaut haben.

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Innenhof der Jama Masjid.

Die Jama Masjid in der Altstadt Delhis sieht dieser sehr ähnlich. Zuerst besichtige ich das kleine marmorsteinerne Mausoleum auf dem Innenhof der Moschee. Christian bleibt draußen und passt auf unsere Schuhe auf.

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Im Innern des Mausoleums hängen Gläubige Gebetsfäden auf.

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Die Fenster des “Rund”-gangs um das Mausoleum sind ebenfalls aus Marmor gehauen.

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Ein kleiner Typ möchte mein Guide sein und stellt seine Fähigkeiten Fotos von mir zu machen unter Beweis.

Dann geht Christian ins Innere, ich setzt mich zu zwei freundlich lächelnden Mädchen auf eine Mauer. Als ich nach einiger Zeit Christian vor dem Mausoleum wiedersehe, springe ich von der Mauer und gehe zu ihm hin, doch als ich da bin, ist er wieder zwischen den vielen Touristen verschwunden. Ich stehe ein bisschen verdutzt in der Gegend herum und mache ein paar Fotos als ein junger Inder auf mich zu kommt und mir die typischen Fragen stellt. Ich antworte aus Routine, beachte ihn aber nicht sonderlich. Ein älterer Mann mischt sich in unsere “Unterhaltung” ein und fragt freundlich, ob er ein Foto mit mir machen dürfe, ich willige natürlich ein. Er nimmt mich an seine Seite, seine Hand fest auf meiner Hüfte und nuschelt so etwas wie “Okey, come here my darling.”, ich bin ein bisschen verdattert, normalerweise traut sich kein Mann mich anzufassen, doch dann ist das Foto bereits gemacht und er lässt mich wieder los. Verwirrt antworte ich auf seine folgenden Fragen und als er erfährt, dass ich in zwei Tagen zurück nach Delhi fahre sagt er mit beschwörendem Blick “So, you will see me then again?”. Wie bitte?? Ich bin verwirrt, “Sorry?”, frage ich und er wiederholt seine frage, ich hole Luft und überlege wie ich ihm freundlich sagen solle, dass mein “Husband” da wohl etwas dagegen hätte, als seine zwei Töchter auf ihn zugelaufen kommen und ihn an den Händen davon ziehen. Er dreht sich noch mal um und verabschiedet sich. Ich bin immer noch verwirrt, irgendwie war das komisch. Doch vor mir steht immer noch der junge Typ mit den schiefen Zähnen und will sich mit mir unterhalten. Langsam wird mir etwas unwohl, wo bleibt Christian? Ich erkläre ihm, dass ich auf meinen “Husband” warte, der gerade im Mausoleum ist. Wie lang ich verheiratet sei, will er weiter wissen, ob ich Kinder habe und ob ich vorher schon viele “Boyfriends” gehabt habe. Ich versuche den Spieß umzudrehen und die Fragen an ihn zurück zu stellen. Sofort erzählt er mir von seinen vielen Freundinnen, die er gehabt habe, nicht nur indische, nein, er habe viele europäische Freundinnen gehabt, Französinnen, Deutsche. Ja klar!, denke ich mir, so siehst Du auch aus! Aber er lässt nicht locker. Zu uns haben sich mittlerweile drei oder vier kleinere Jungs um die 10 Jahre gesellt, die unserer Unterhaltung gespannt folgen. Nebenbei wollen sie mir Postkarten verkaufen. Ich reiße mich los und flüchte, zurück zur Mauer und den Mädels bis Christian endlich kommt. Doch die kleinen Jungs folgen mir, sie weichen nicht von meiner Seite. Einer läuft vor mir her und verlangt einen Kuss: “Give me a kiss, madam! Only one kiss! Please!” und spitzt dabei seine Lippen. Was?! Ich meckere ihn an und sage ihm er solle verschwinden, woraufhin er sich lachend trollt. Ich gehe immer schneller zur Mauer und hoffe die Verfolger abzuschütteln, doch als ich an meinem Zufluchtsort angekommen bin, ist ein kleiner Junge immer noch bei mir. Ich ignoriere ihn und halte unsere Schuhe im Auge. Er lässt einfach nicht locker. Wieder gesellt sich ein halbwüchsiger Inder zu uns und setzt sich sofort neben mich auf die Mauer. Er will wissen wo ich her komme. Ich sage nichts. Dann macht er mir Komplimente über meine blauen Augen und hört nicht auf zu reden. Wieder kommen die anderen kleinen Jungs dazu und dann auch der Typ mit den schiefen Zähnen und den europäischen Freundinnen, ich bin verloren, fühle mich hilflos. Alle reden auf mich ein, berühren meine Beine, meine Knie, wollen wissen wo mein “Husband” denn sei, ob er nicht schon weg sei und was ich denn ganz allein jetzt machen würde. Ich springe von der Mauer, mein Herz rast, mir kommen Tränen, so etwas habe ich noch nie erlebt und plötzlich kann ich verstehen wie sich Frauen fühlen, die von Männern belästigt werden. Seltsam, dass die Scham über die eigene Leichtsinnigkeit stärker ist als die Wut über die Unverschämtheit der Männer! Ich gehe mit schnellen Schritten auf den Ausgang zu. Dann erblicke ich Christian. Er sitzt nur ein kleines Stückchen weiter auf der gleichen Mauer wie ich gesessen hatte, ist ebenfalls umringt von Kindern, doch im Gegensatz zu mir lächelt er. Als er zu mir aufblickt, deute ich ihm nur mit einer Kopfbewegung, dass wir jetzt gehen, JETZT SOFORT! Er folgt mir. Draußen erzähle ich ihm was mir passiert ist und er verspricht mich nicht so schnell wieder aus den Augen zu lassen. Ich nehme mir vor, demnächst schneller zu reagieren. Ein indischer Mann würde sich nie trauen eine indische Frau so anzufassen wie ich von dem alten Sack angefasst wurde. Warum meint er bei einer Europäerin sei das ok? Auch die Jungs würden solche intimen Fragen nie einer indischen Frau stellen. Das nächste Mal sage ich “Finger weg!” und “Das geht dich nichts an!”. Auch solche Erfahrungen muss man anscheinend mal machen.

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Im Innenhof des Palastes von Fatehpur Sikri.

Der Rest der Geisterstadt Fatehpur Sikri wird dann zum Glück viel friedlicher.

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Alles Sandstein.

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Obwohl über 350 Jahr alt, wirken die Gebäude fast schon futuristisch.

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Das Licht des frühen Nachmittags verleiht dem roten Sandstein eine intensive Farbe und die Stimmung ist, trotz der vielen Touristen, sehr entspannt und friedlich.

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Verzierungen im Sandstein.

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In den verlassenen Mauern fühlen sich die Streifenhörnchen wohl.

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Wieder auf dem Rückweg zur Moschee, diesmal gehen wir aber nicht mehr rein.

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Eingang der Moschee.

Auf  unserem Weg zurück zum Bus strahlt uns ein Junge an, der ohne Hose mit dem Hintern über der Gosse hockt. Er hat nicht ganz getroffen, sein kleiner Haufen liegt daneben, seine Freude uns zu sehen bleibt davon jedoch unbeeinflusst. Was für ein komisches Bild!

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Er verkauft alle möglichen Gewürze.

Wir kaufen auf dem belebten Bazaar noch ein paar interessant gewürzte Kekse und Bananen für die Fahrt und fahren dann nach Agra zurück. Am Busbahnhof angekommen haben wir riesigen Hunger und lassen uns von einer Autorikscha zum Sadar Bazaar bringen.

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Ein kleiner Talentwettbewerb mitten auf der Straße.

Dort schlendern wir ein wenig durch die langsam leerer werdenden Straßen und essen dann zum Abschluss des Tages richtig leckeres Mughal-typisches Essen in einem Restaurant.

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Zum Glück ist unsere zweite Nacht im Hostel erholsamer. Am Morgen stehen wir früh auf, um das Taj Mahal zu besuchen. Am Abend vorher hatten wir beiden Söhnen des Hostels mitgeteilt, dass wir um 6 Uhr frühstücken wollen und als Antwort bekommen: “Everything is possible!”. Als wir um viertel nach sechs zum Essensraum hoch gehen, ist noch alles dunkel und verschlossen. Das hat ja mal wieder super geklappt. Auf unser Rufen hin kommt der ältere Sohn verschlafen und mit einer Socke aus einem Zimmer gehumpelt, er hat keine Ahnung was hier los ist. Wir erklären ihm die Situation und er kündigt an seine Mutter zu holen. Wir bestellen Toast und Rührei. Eine halbe Stunde später kommen die Toasts schwarz verkohlt aus der Küche. Er erklärt, dass seine Mutter gerade auf dem Markt sei, um frische Milch zu kaufen, da bei ihnen ja immer alles gaaaaanz frisch sei. Er hat die Toasts also selber verbrannt. Mir reicht’s, ich gehe und packe meine Sachen. Immerhin sind wir so früh aufgestanden, um möglichst früh am Taj Mahal zu sein und jetzt werden wir hier festgehalten, weil der 20-jährige Prinz des Hauses es nicht hinbekommt Toast zu machen?! Als Christian eine viertel Stunde später zu mir ins Zimmer kommt, lobt er immerhin das Rührei, das habe ihm kürzlich seine Freundin beigebracht zu machen… Abgesehen davon sollen wir jetzt am besten sofort auschecken, damit sie das Zimmer für die nächsten Gäste fertig können. Der hat sie ja wohl nicht mehr alle!! Erst lässt er uns fast ne Stunde auf verkohlte Toasts und Rührei warten und dann verlangt er auch noch, dass wir jetzt auschecken, das sehe ich nicht ein! Als wir gehen, fängt er uns ab und will wissen warum wir nicht auschecken. Ich erkläre ihm die Situation: “We waited for you, now you have to wait for us. Good deal?”, er lacht ergeben, wir gehen. Ich bin furchtbar wütend!

Der Eintritt zum Taj Mahal kostet 750 INR pro Person, etwa 11 €. Inklusive ist ein halber Liter Wasser, Schuhüberzieher für den Marmorboden und eine 50 INR-Ermäßigen für das Agra Fort, das dann immer noch 250 INR pro Person kostet. Das Wetter ist leider miserabel. Es ist nebelig und furchtbar kalt. Doch wir haben keine Wahl. Aufgestanden sind wir jetzt und an einem anderen Tag können wir auch nicht wiederkommen. Zusammen mit den anderen Frühaufstehern betreten wir das Gelände des Taj Mahal und sind gespannt auf unseren ersten Blick auf das Gebäude durch das Eingangstor. Als wir hindurch treten sehen wir so gut wie nichts. In der Ferne zeichnen sich schemenhaft die Umrisse des Taj ab, doch der feuchte Nebel scheint alles zu verschlucken.

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Alle versuchen das Beste draus zu machen.

Kein strahlendes Weiß, kein schimmerndes Gelb oder kräftiges Crème, wir sind ein bisschen enttäuscht.

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Doch als wir näher kommen, erkennen wir mit jedem Schritt, dass dieses Gebäude, das Shah Jahan 1653 seiner Lieblingsfrau (ja, er hatte wie jeder Herrscher zu dieser Zeit einen ganzen Harem) Mumtaz Mahal nach ihrem Tod bauen ließ, ein wahrliches Kunstwerk ist. Komplett aus Marmor und aufwändig verziert, dient es einzig als Grab für die Angebetete des Shahs. Wir lesen in unserem heimlich reingeschmuggelten Reiseführer, dass sie in ihren 19 Jahren Ehe ihm 14 Kinder (!!!) geboren hat und nach ihrer letzten Entbindung gestorben war.

Vor dem Gebäude müssen wir unsere Schuhüberzieher anziehen und gleiten damit über die polierten Marmorplatten. Obwohl ich es mir viel größer vorgestellt hatte, bin ich doch beeindruckt von der Schönheit des Mausoleums.

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Der Marmor ist mit Edelsteinen aus ganz Asien verziert. Der Marmor kommt aus Rajasthan, Indien.

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Koranverse schmücken das riesige Eingangstor.

Alles ist perfekt Symmetrisch, nur das Grab des Shaha Jahan, das nachträglich neben das seiner geliebten Frau gestellt wurde, zerstört die Symmetrie – was für eine Ironie!

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Das Herzstück des Monuments: Der Sarg der Mumtaz Mahal. Das Grab des Shah wirkt etwas deplatziert.

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Hier ist wirklich alles aus Marmor.

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Zu beiden Seiten des Taj stehen zwei identische Gebäude.

Weil es draußen so kalt ist, schleichen wir mehrmals durch die warmen Räume des Taj Mahal und gehen dann noch rüber zur Moschee, von der auf der anderen Seite des Taj – um die Symmetrie zu wahren – eine identische Kopie steht. Diese kann jedoch nicht als Moschee genutzt werden, sie steht von Mekka abgewandt…

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In der Moschee.

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Blick aus der Moschee aufs Taj Mahal.

Im Museum können wir uns noch über die Materialien informieren, die beim Bau verwendet wurden und sehen auch ein auf Marmor gemaltes Bild von Mumtaz Mahal und ihrem Shah. Dann haben wir genug gesehen und gehen wieder zurück zum Hostel. Dort angekommen ist der ältere Sohn schon wieder zu Scherzen aufgelegt und fragt ob wir gern “Black Toast” bestellen würden. Wir lehnen dankend ab und bestellen bei seiner Mutter ein leckeres Curry. Wir räumen unser Zimmer und fahren mit der Rikscha in die Stadt zum Kinari Bazaar. Dort schieben wir uns mit den anderen Besuchern durch die belebten Straßen, schauen den Stoffhändlern beim Handeln zu, kaufen Süßigkeiten und beäugen uns mit den neugierigen Bewohnern der Stadt. Mir gefällt die Atmosphäre, doch bald werden unsere Beine müde und wir sehnen uns nach ein bisschen Ruhe. Plötzlich taucht eine Kirche vor uns auf! Glücklich über den bekannten Anblick pilgern wir zu ihren Stufen und ruhen uns dort ein wenig in der Nachmittagssonne aus. Auf dem Weg zum Bahnhof machen wir noch einen Zwischenstopp auf dem Sadar Bazaar und trinken dort einen Kaffee und essen eine Kleinigkeit.

Wenn wir eins gelernt haben in Indien, dann dass Züge normalerweise nicht pünktlich sind. Und so hat auch diesmal unser Zug Verspätung. Zusammen mit einem mexikanischen Pärchen warten wir über zwei Stunden auf unseren Zug, der zwischenzeitlich sogar von der Anzeigetafel verschwindet. Aber am Ende wird wie immer alles gut. Unser Zug fährt ein, wir finden unsere Plätze in einem scheinbar reinen Männerabteil, in dem ich wieder viele unangenehme Blicke ernte. Also verstecke ich mich hinterm Laptop und fange an zu schreiben.

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Liebe Weltenbummler, Indiens Dreck scheint ja Dimensionen zu haben, die wir uns gar nicht vorstellen können. Ich finde es bewundernswert, wie ihr euch auf diese chaotischen Bedingungen einlassen könnt. Klar, die alten Gebäude sind beeindruckend und sehenswert, aber das reisen erscheint recht anstrengend. Ich wünsche euch bald wieder entspanntere Ziele. Aber die Mentalität der Menschen dort ist schon besonders und gerade als Frau ist das reisen anscheinend nicht ungefährlich. Kathrin, mach lieber keine Alleingänge mehr. Euch beiden noch viele saubere eindrücke wünscht sanne. Meldet euch mal und auch viele Grüße von lena.

19. Januar 2012 23:03

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