In Kerala ist es heiß. Der südlichste Bundesstaat Indiens, an dessen von Norden nach Süden verlaufender Küste auf halber Höhe die historische Stadt Kochi liegt, empfängt uns bereits am frühen Vormittag mit schwüler Hitze. Wir verlassen das auffallend saubere Bahnhofsgebäude, denn Kerala ist nicht nur heißer sondern (trotz oder dank seiner kommunistischen Regierung?) auch reicher als andere Staaten Indiens, und haben erstmal keine Ahnung wie wir zu unserem Hostel kommen. Mit dem Bus, soviel haben wir uns vorher überlegt. Aber wo fährt der Bus? Natürlich versuchen erst alle möglichen Rikschafahrer ihr Glück mit uns: “Rikscha, Sir?”, doch wir winken ab und fragen stattdessen nach dem Bus Richtung Fort Kochi. Statt uns einfach uns selbst zu überlassen, übernehmen die stets hilfsbereiten Rikschafahrer im Handumdrehen die Rolle des Touristenführers und schicken uns allesamt in die richtige Richtung. Auf Rikschafahrer ist einfach Verlass!

Wenig später stehen wir an der Straße, an der angeblich der Bus Richtung Fort Kochi halten soll, ein roter Bus ohne Fenster kommt gerade im Affenzahn angebraust, der Busbegleiter hängt nach draußen gelehnt auf der untersten Stufe und wiederholt immer wieder unverständlich den Zielort. Der Mann, der ebenfalls auf einen Bus wartet und den wir gerade nach dem Weg gefragt haben, nickt – bzw. wackelt Wackel-Dackel mäßig mit seinem Kopf hin und her – und deutet uns damit: Ja, das ist der richtige Bus! In dem Moment kommt das mächtige Gefährt zum Stehen und Christian zieht sich die steilen drei Stufen hinauf, was ich ihm gerade gleich tun will als der Bus sich schon wieder in Bewegung setzt. Moment! Ich bin doch noch gar nicht drin! Mit meinem Gepäck auf dem Rücken bin ich leider zu schwer um mich während der Fahrt hoch zu ziehen und so muss der Busfahrer noch mal kräftig auf die Bremse treten, bis ich nun auch endlich im Innern Platz nehmen kann.

Über der Windschutzscheibe des Buses, von wo aus uns normalerweise Shiva oder Vishnu zulächeln, strahlt hier eine elfenbeinhäutige Maria im weiß-blauen Gewand mit gütigem Blick, Heiligenschein und ausgebreiteten Armen. Zuerst geht es noch recht schleppend voran, dann genießen wir den Fahrtwind, der ungehindert durch die großen Fenster unseren Schweiß trocknet. Fensterscheiben gibt es so weit im Süden nicht mehr.

Auf unserer etwa einstündigen Fahrt von der Festlandstadt Ernakulam über die Zwischeninsel bis auf die Hauptinsel Fort Kochi fällt uns noch eine Neuheit auf: Die Männer tragen hier hauptsächlich keine Hosen mehr. Stattdessen wickeln sie sich in weiße Leinentücher, die sie wie einen Wickelrock tragen, das Tuch wird zwei Mal um die Hüften geschlungen und dann irgendwie durch eine bestimmte Stecktechnik befestigt. Wenn es ihnen mit dem bodenlangen Tuch-Rock zu heiß wird, was um diese Uhrzeit (ca. 10 Uhr) schon mal vorkommen kann, so heben sie ihn einfach hinten an und stecken die untere Kante oben rein und halbieren ihren Rock somit nur noch auf knappe Knielänge. Windel-Look, ganz schön praktisch! Die Frauen schwitzen hingegen weiter in ihren Saris, Salwar Kameez und anderen langarmigen und langbeinigen Modekreationen.

Noch bevor wir Fort Kochi erreichen, lassen wir uns von dem rasanten Bus am Straßenrand absetzen, denn wir haben unseren Weg auf der Karte verfolgt und wissen in etwa, dass wir uns in der Nachbarschaft unserer Unterkunft befinden. Wir schleppen uns durch die ruhigen Gassen, von Schatten zu Schatten und laufen eine kleine Schlaufe bis wir endlich in der richtigen Straße sind und dann auch unsere Unterkunft finden. Im Costa Gama Homestay werden wir freundlich begrüßt und dann ins Nebengebäude verfrachtet, was uns zunächst nicht so gut gefällt. Doch dieses Mal ist die Verlegung sicherlich nicht nachteilhaft für uns. Wir bekommen ein sehr schönes großes Doppelzimmer mit super großem Bett und überaus bequemer Matratze, alles zu unserer Zufriedenheit.

Obwohl wir die Nacht mal wieder im Zug verbracht haben und ein wenig erschöpft sind, ruhen wir uns nicht lange aus, sondern begeben uns nach einer kalten Dusche wieder in die mittlerweile flirrende Mittagshitze. Wir erkunden ein wenig den Stadtteil Fort Kochi, die alten portugiesischen Kirchen, den Hafen und die Chinesischen Fischernetze, das beliebteste Postkartenmotiv Kochis.

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Hinter der Kirche ist eine katholische Schule.

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Die angeblich älteste Kirche Indiens hat schon alles gesehen: Katholiken (Costa de Gama aus Portugal), Protestanten (Holländer) und Anglikaner (die Briten) und ist natürlich immer mit der aktuellen Konfessionsmode gegangen.

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Holländischer Friedhof.

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Links ziehen die Männer, rechts taucht das Netz auf.

Wir beobachten mehrmals wie das große Netz, das wie ein umgekehrtes Katapult funktioniert und von jeweils vier Indern aus dem Wasser gehievt wird. Der Fang fällt jedoch jedes Mal nicht besonders üppig aus.

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Wieder eine heilige Jungfrau.

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Auf dem Weg ins Jüdische Viertel geht eine Ziegenfamilie spazieren.

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Vor der Synagoge.

Dann schlendern wir östlich das Ufer entlang bis wir ins Jüdische Viertel gelangen. Zunächst besichtigen wir den “Holländischen Palast”, der von den Holländern erbaut, dann aber von den indischen Königsfamilien genutzt wurde, dann laufen wir weiter zum jüdischen Gotteshaus. Das erste Mal auf unserer Reise betreten wir eine Synagoge. Wir waren in orthodoxen, katholischen, evangelischen und anglikanischen Kirchen, in hinduistischen, buddhistischen und tibetischen Tempeln, in Moscheen, aber in einer Synagoge waren wir noch nicht.

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Auf dem Weg zurück zum Hostel.

Dann müssen wir uns ein wenig beeilen, denn wir müssen einmal zu Fuß die Insel durchqueren, um wieder zurück in unser Hostel zu gelangen. Um 18 Uhr wollen wir bei uns in der Nähe eine Kathakali Vorstellung sehen. Kathakali ist eine traditionelle Form des Theaters, das vor allem in Kerala weit verbreitet ist und soll eine ganz besondere Erfahrung sein. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen! Also hetzen wir in der warmen Nachmittagssonne die lange Verbindungsstraße zwischen Ost und West zurück zu unserem Hostel und dann im Laufschritt zum Theater. Leider sind wir ein bisschen spät dran und so bekommen wir nur noch Plätze im hinteren Teil des Theaters und leider kosten die Karten statt wie angekündigt 150 INR, plötzlich 250 INR pro Person. Wir blättern also einen 500-er hin und sprinten schnell die Stufen zum Theater hinauf.

Im Innern empfängt uns eine klimatisierte Kältekammer. Die Klimaanlage muss auf mindestens 15 Grad stehen, wenn nicht darunter. Pullis haben wir natürlich vergessen, so ein Mist! Das Publikum besteht zu 100 % aus Touris, oh je. Auf der Bühne wird bereits vorbereitet: Die Schauspieler – drei Mann im klassischen Kathakali – werden vor der Vorstellung in einem routinierten Ritual aufwändig geschminkt.

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Das Schmink-Ritual.

Ihre Gesichter werden mit natürlichen Farben (Rot, Grün, Gelb, Schwarz und Weiß, alles verschiedene Steine, deren Pulver mit Öl vermischt wird) bemalt und bekommen zusätzlich noch so eine Art Papierkragen und –Bart angeklebt, so dass sie nach der aufwändigen Prozedur aussehen als trügen sie Masken.

Wir bekommen langsam Gänsehaut vom Gebläse und Christian beginnt eigenmächtig an der Klimaanlage rumzuspielen als es endlich los geht. Zunächst bekommen wir von einem Typen mit freiem Oberkörper, wodurch sein dicker haariger Bauch präsentiert wird, und im typischen Männer-Wickelrock die Grundlagen des Kathakali erklärt. Drei Schauspieler, keine Sprache, nur Mimik und Gestik, aufwändige Schminke, lange Ausbildung in Tanz, Mimik, Gestik, Gesang, Trommel, Schellen. Er beginnt zu singen, eher zu jaulen, dazu wird die Trommel geschlagen, nach einigen Minuten kommt ein Schauspieler dazu, mit gelb geschminktem Gesicht. Er demonstriert einige Begriffe im Kathakali, die von den Schauspielern immer nur pantomimisch dargestellt werden. Erst rollt er im Takt der Trommeln mit ansteigender Geschwindigkeit mit den Augen, dann präsentiert er unterschiedliche emotionale Zustände, dann kommen die Begriffe: Mann, Frau, Ehemann, Ehefrau, Elefant, aus einer Lotusblüte trinkender Schmetterling. Dann Aufforderungen: Bitte, setz dich!, Setz dich doch., Sitz!, Bitte geh doch., Bitte geh., Raus!, was schon ein bisschen lustig ist.

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Schauspieler bei der Demonstration.

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Das ist wohl das Gesicht für schlechte Laune.

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Improvisierter Vorhang…

…dann geht das Spiel endlich los. Zum Glück haben wir einen Zettel mit den Handlungsschritten bekommen. Dargestellt werden in zwei Szenen Dialoge zwischen jeweils zwei Charakteren. Alles natürlich ohne Worte. Zunächst zwischen dem Helden (grünes Gesicht) und einem einfachen Charakter (gelbes Gesicht), dann zwischen dem Helden und dem Dämonen (rotes Gesicht), der am Ende natürlich sterben muss, durch die Hand des Helden, was auch eher wieder komisch ist, denn der Dämon verabschiedet sich mit einem armseligen Gejammer.

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Der grüne  Held mit Röckchen und Keule ausgerüstet, bereit den Dämon zu erschlagen.

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Und der rote Dämon, bereit sich zur Wehr zu setzen.

Alle klatschen und springen auf. Zu Eis erfroren heben auch wir uns von unseren Plätzen und treten hinaus in den schwül-warmen Abend. Wir sind uns einig, einmal Kathakali reicht.

Wir wollen den Abend abschließen, indem wir in einem angeblich sehr romantischen Restaurant essen gehen. Doch als wir den Innenhof betreten ist das passende Adjektiv wohl eher einsam als romantisch. Also stehen wir ganz schnell wieder auf und lassen die Speisekarten mit den überteuerten Speisen auf dem Tisch liegen. Wir finden ein einfaches Fischrestaurant, das gut besucht ist. Leider ist das Essen immer noch teuer, fettig und das Personal nicht besonders freundlich. Es wird Zeit, dass dieser Tag sein Ende nimmt…

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Am nächsten Morgen schlafen wir lange. Das Bett will uns einfach nicht loslassen. Doch dann reißen wir uns zum Mittag doch los und laufen zum Hafen und nehmen eine Fähre rüber zum Festland, nach Ernakulam, wo wir am Vortag mit dem Zug angekommen sind. Die Festlandstadt ist viel größer, lauter, dreckiger, intensiver. Eigentlich wollten wir das gar nicht. Sollte man hier nicht shoppen gehen können? Wir biegen in eine Seitenstraße, die zu einem Tempelkomplex führt und sehen… einen Elefanten! Unser erster Elefant! Da steht er groß und massig mit wedelnden Ohren, im Schatten, seine baumstammdicken Beine sind an einen Baum gekettet, dessen Stamm glücklicher Weise noch ein wenig dicker ist, und kaut auf einem Ast herum, den er sich mit seinem muskulösen Rüssel in mundgerechte Stücke bricht. Er jetzt bemerken wir: Daneben steht noch einer! Und daneben noch einer! Drei Elefanten in einer Reihe, einer massiger als der andere. Ihre Stoßzähne wurden gekürzt und abgerundet, als wenn sie das auch nur ansatzweise in ihrer Kraft mindern würde!

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Wir sind begeistert von den Dickhäutern und fühlen uns wie kleine Äffchen, die sie einfach mit ihrem Rüsselarm packen und durch die Gegend schleudern könnten.

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Als wir uns satt gesehen haben, gehen wir weiter und entdecken schon den nächsten Koloss. Diesmal ist er nass, steht an einem großen Wassertrog und wird von zwei sehnigen Männern gleichzeitig geschrubbt. Die Behandlung scheint ihm ziemlich gut zu gefallen und auf lautstarke Anweisung einer der Männer hebt er brav den Rüssel, um sich auch die herabhängende Unterlippe mit der dicken Bürste scheuern zu lassen.

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Entspannt hat er den Rüssel über den Stoßzahn gelegt.

Oh ja, er genießt es sichtlich, denn er wendet den Kopf, fächelt entspannt mit den Ohren und schnauft zufrieden. Auch sein Pfleger lacht, denn seinem Elefanten gehts gut. Wir können unseren Augen kaum trauen, was für eine außergewöhnliche Beziehung!

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Badetag bei den Tempelelefanten!

Wir sehen noch zwei weitere graue Riesen, die im Schatten an ihre Bäume gekettet stehen und uns friedlich kauend aus wimpernumfassten Augen beäugen. Lächeln sie? Wir haben riesigen Respekt! Dann stehen wir wieder auf der Straße und wühlen uns über unebene Bürgersteige an Mopets vorbei und über staubige Seitenstraßen. Schnell ist die Ruhe der kleinen Oase verflogen und wir fühlen uns wieder erschöpft von Hitze, Smog und Lärm. Doch wir wollen wenigstens die Hauptstraße, die MG (Mahatma Gandhi) Road finden und ein wenig entlang laufen. Leider ergibt sich auch weiterhin keine entspannte Einkaufsmöglichkeit, wir fühlen uns wie gepeitscht von dem erbarmungslosen Verkehrslärm, den Abgasen und der sengenden Sonne. Dann erblicken wir ein Krankenhaus. Christian kämpft seit Tagen mit immer wieder auftauchender Übelkeit und so entschließen wir kurzerhand dem Chaos zu entfliehen und begeben uns ins erstaunlich ruhige Krankenhaus. Obwohl Christian erst mal Geld hinblättern muss, um überhaupt zum einem Arzt vorgelassen zu werden, ist das Resultat nicht besonders befriedigend. Der Arzt, der ihm gegenüber sitzt, kann kein Wort Englisch. Wir verschwinden bevor wir irgendwelche anderen Rechnungen zahlen sollen. Dann machen wir keine halben Sachen mehr, ändern kurzfristig unseren Plan und lassen uns von der Autorikscha zum besten Krankenhaus der Stadt fahren. Im Medical Trust Hospital sieht es schon gleich anders aus, mehr nach einem Krankenhaus, mit einer Notaufnahme, Patienten, Leuten, die in der Gegend herumstehen und einem Empfang. Nachdem Christian seinen Termin für eine Sprechstunde mit den Gastroentologen bekommen hat, begibt er sich zum Warten in ein Café, ich stelle mich an den Straßenrand und fahre mit dem Bus zurück raus aus dem Stadtchaos, zurück nach Fort Kochi. Zum Glück kann ich eine Frau am Straßenrand nach dem Bus fragen. Sie ist total lieb und ganz aufgeregt mich kennen zu lernen. Dann kommt auch schon der rote Höllenbus angerauscht und ich muss hinterher rennen und aufspringen, damit ich noch mitgenommen werde. Zuerst sitze ich ganz hinten und werde von allen Männern in Wickelröcken angeglotzt, sie lachen, kichern, machen ihre Sprüche, ich gucke hart wie ich bin schnurrgerade aus dem Fenster. Dann fällt mir auf, dass die bunten Saris und glitzernden Schals sich alle im vorderen Teil des Buses befinden. Bei der nächsten Gelegenheit stehe ich abrupt auf und gehe mit schnellen Schritten zu einem frei werdenden Platz zwischen den Frauen. Hier werde ich wenn dann nur freundlich lächelnd beobachtet, die Männer im Hintergrund flachsen weiter.

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Zurück in Fort Kochi.

In Fort Kochi kenne ich mich ja zum Glück schon aus und so steige ich zielsicher wie die anderen an der richtigen Kreuzung aus und schlendere anschließend ein wenig durch die touristische Innenstadt. Ich probiere ein paar Klamotten an, kaufe mir Kokosbällchen und lasse die flirtenden Rikschafahrer abblitzen. Dann finde ich endlich ein gutes Geschäft, in dem es einen bauschigen langen Rock in saftigem Grün und ein dazu passendes luftig-weißes Baumwollshirt mit V-Ausschnitt und Stickereien in meiner Größe gibt. Der Verkäufer will erst 1.000 INR für beides zusammen haben. Ich fange bei 300 INR an, er geht auf 900 runter, ich biete 350, er 800, ich 400, er schüttelt ergeben den Kopf und seufzt, 700, sein letztes Angebot, ich grinse, 450. Jetzt ist Schluss, will er mir suggerieren, doch wir sind so drin, dass er fast schon automatisch in seinen Taschenrechner tippt: 650, diesmal guckt er mich mit ernsten Augen an, dies soll nun wirklich sein schweren-Herzens-Angebot sein. Ich ziehe einen 500-er aus der Tasche, mein letztes Geld (wirklich!) und halte ihn ihm unter die Nase: “I buy it for 500”, sag ich und sehe ihn herausfordernd an, er schüttelt entschlossen den Kopf, “No Madam!” – “It’s my last money!”, protestiere ich, “I have no more!”, demonstrativ taste ich meine Taschen ab, doch ich habe tatsächlich keine einzige Münze mehr an mir, nix, “Maybe more later?”, versucht er, doch ich schüttele den Kopf “Now or never” – “You have no Dollars?”, ich lache: “No! No Dollars!”, er schüttelt fast schon sauer den Kopf, nimmt den Schein, tütet meinen Fang ein und reicht mir mit grimmigem Gesicht die braune Papiertüte. Wenn der Verkäufer am Ende schlecht drauf ist, hab ich wohl nen guten Preis erzielt. Ich bin zufrieden und laufe nach Hause, denn ich habe riesigen Durst und keinen Pfennig mehr in der Tasche, um mir was zu trinken zu kaufen. Dafür einen tollen Rock und ein schickes neues Oberteil! Endlich mal wieder shoppen!

Christian kommt ein wenig später ebenfalls zum Hostel und erzählt von seinen Untersuchungen. Am nächsten Morgen muss er wieder hin, um die Ergebnisse abzuholen. Wir waschen uns unter unserer erfrischend kalten Dusche den Schweiß und den Dreck der Stadt von der Haut, dann schlendern wir wieder ins Städtchen und gehen ganz gut bei einem absolut überforderten Kellner essen. Obwohl alles ein bisschen länger dauert und uns auch um 21 Uhr noch der Schweiß läuft, werden wir satt und bekommen von zwei jungen Australierinnen noch ein paar Tipps für Varkala, den Urlaubsort im Süden Keralas, den wir morgen anfahren werden.

Am nächsten Morgen können wir nicht bis in die Puppen schlafen, denn wir müssen pünktlich auschecken und Christian muss vor unserer Abfahrt ja auch noch mal ins Krankenhaus. Wir frühstücken in einem total schönen und gemütlichen Kunstcafé, das uns mit riesiger Obstplatte und leckerem Honigbrot verwöhnt. Gesättigt setzen wir uns wieder in einen roten Riesenbus und lassen uns vom rasanten Fahrer, der nur Vollgas, Vollbremsung und Hupe kennt, aufs Festland bringen. Im Krankenhaus kennt Christian sich bereits aus und führt uns sicher in den richtigen Warteraum. Ich unterhalte mich mit der jungen Inderin neben mir, dann werden wir von einer Nonne entdeckt, die in Essen stationiert ist und sogar schon mal in Münster war und super Deutsch spricht! Sie und ihre Mitschwestern kümmern sich aufmerksam um uns, besorgen uns den Arzt und schauen sich prüfend Christians Befunde an. Seltsamerweise ist den Befunden zufolge alles in Ordnung, keine Entzündung, keine Parasiten. Der Arzt vermutet Bakterien und verordnet ein Antibiotikum, das in Indien jedoch nur fünf Tage genommen wird. Sollte es anschlagen, werden wir versuchen es zu verlängern…

Dann nehmen wir die Rikscha zum Bahnhof, es ist wieder viel zu heiß und ich weigere mich mit meiner viel zu schweren Tasche zu laufen. Zum Glück, denn am Bahnhof finden wir unseren Zug nicht und stellen dann fest, dass wir am falschen Bahnhof sind. Jetzt aber schnell! Wir schnappen uns wieder eine Rikscha und lassen uns zum anderen Bahnhof der Stadt fahren, eine zwanzigminütige Fahrt, doch wir haben zum Glück noch etwas Zeit und so kommen wir noch rechtzeitig an, um in unseren Zug nach Varkala zu steigen. Ob wir ein weiteres Paradies, ein neues Agonda dort finden werden? Wir hoffen es und freuen uns auf eine weitere Woche am Strand…

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Ihr Lieben, das klingt ja alles sehr spannend und ich lese die Reiseberichte mit großer Begeisterung, aber auch ehrlichem Respekt…manche der geschilderten Unbilden des Lebens unter einfachsten Bedingungen könnte ich, obwohl ich selbst gern in fernen Ländern einfach und billig unterwegs war, heute nicht mehr ertragen.
2 Punkte möchte ich gern noch ansprechen:
1. Erfahrungsgemäß hilft bei Magen-Darm-Problemen ohne klaren Befund – nach Ausschluss einer parasitären Erkrankung – in aller Regel das Antibiotikum CIPROFLOXACIN in einer Dosis von 2×500 mg, spätestens am 3. Tage muss dann eine Besserung eingetreten sein, sonst hat man es mit selbst für tropische/subtropische Gefilde exotischen Keimen zu tun. Im Übrigen: Anzüchten von Darmkeimen dauert hier 3 Arbeitstage, wie schaffen das die Inder in so kurzer Zeit? Zweifel kommen auf…
2. Habt Ihr irgendwelche Hinweise auf „Child Labour in India“? Das ist das Thema von Johannes´Facharbeit für seinen Englisch-LK, und jeder Tipp wäre willkommen; wir haben gelesen, dass gerade auch in Kerala sehr gute Schulprogramme aufgelegt wurden, um die Kinderarbeit einzudämmen.
Weiterhin gute Reise, ich fühle mich durch Deine Berichte sehr an „Die Enden der Welt“ von Roger Willemsen erinnert, ein Buch,das ich gerade mit großer Begeisterung lese…und Fernweh habt auch alles Zeug zu einer Buchveröffentlichung!
Liebe Grüße vom fernwehgeplagten Udo

20. Februar 2012 11:50

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