Anstatt mich während der sechsstündigen Zugfahrt auszuruhen, wird gearbeitet, ich bin mit meinen Berichten ein wenig hinterher und hole das jetzt auf. Dann erreichen wir mit ein bisschen Verspätung den Bahnhof von Villupuram, wenige Kilometer von Puducherry (Pondycherry, kurz Pondy) entfernt, das sich wiederum unweit von Auroville befindet, der internationalen Stadt, in der wir Christians Onkel Christoph und dessen Frau Frederike zum zweiten Mal auf unserer Reise besuchen wollen (das erste Mal haben wir sie vor sieben Monaten in Hamburg besucht, als sie die erste Station unserer Reise bildeten). Wir sind ganz gespannt als wir den Zug verlassen und durch den angenehm warmen Nachmittag Richtung Ausgang schlendern: Christoph und Fredi haben uns ein privates Taxi versprochen, mit dem wir bis vor ihre Haustür gebracht werden sollen! Und dann erblicken wir ihn auch schon, den Inder mit einem Schild in der Hand, auf dem in bunter Schrift unsere Namen uns anlachen. Ha! Wir folgen ihm, verfrachten unser Gepäck und sitzen sogleich glücklich auf den Rücksitzen, so ein Luxus! In typisch indischer Manier, mit ganz viel Hupen, Slalom und Adrenalinschüben werden wir erst durch Villupuram, gute 30 Kilometer später durch Puducherry und als es bereits dunkel geworden ist auch durch das sehr viel ruhigere Auroville gefahren. Zwar können wir bei der Dunkelheit nicht besonders viel sehen, aber wir bemerken bereits, dass wir uns auf roten Sandwegen befinden, wir werden hin und her geschüttelt, überall liegen umgestürzte Bäume herum, die der Zyclon vor etwa sechs Wochen samt ihrer Wurzeln aus dem Boden gerissen hat. Auch die Palmen sehen mitgenommen aus, teilweise stehen sie nur noch als kahle Stumpen ohne ein einziges Palmblatt lang und dünn in der Gegend herum. In welche Community wir müssten, will unser Taxifahrer von uns wissen, und reißt uns damit aus den traurigen Beobachtungen der landschaftlichen Verwüstung. Woher sollen wir das wissen? Hat er den Auftrag bekommen uns abzuholen oder wir? In der nächtlichen Dunkelheit ziehen Gemeindenamen an uns vorbei wie Surrender, Hope, Aspiration, Certitude und Transformation, alles bereits Teil des Auroville-Konzepts, das wir in den kommenden Tagen genauer kennenlernen werden.

Endlich hat der Taxifahrer die richtige Siedlung und wir begrüßen nach über einem halben Jahr erneut Christoph und Fredi. Ein kleiner Kreis schließt sich. Im Innern der gemütlichen Wohnung erwarten uns Julius und Greta sowie Gesa und Kerstin, die ebenfalls alle bei den zwei Gastgebern zu Besuch sind. Es wird ein leckeres Abendessen bereitet (ganz normale Nudeln mit Soße und dazu Salat, für uns jedoch ein geschmackliches Highlight!) und wir berichten von unserer Reise.

IMG_8473 (Small)

Na Christian, schmeckt’s dir?

Draußen tobt irgendwo hinter den vielen umgefallenen und stehenden Bäumen eine Party, immerhin ist Samstag Abend. Uns zieht es jedoch bald ins Bett und als die Musik endlich verstummt, können wir schlafen.

IMG_8476 (Small)

Kerstin und Gesa freuen sich aufs Frühstück.

Am nächsten Morgen ist Frederike für einen Kongress bereits wieder unterwegs. Die nächste Woche wohnen wir zu siebt im schönen luftigen Haus, zwischen klagenden Pfauen und den wahnsinnig machenden Schreien der Vögel. Am Sonntag sind wir zunächst ziemlich faul, lesen auf der Terrasse oder auf dem Bett, legen uns noch mal hin, essen leckere Teilchen aus einer Auroville-eigenen Bäckerei und plaudern ein wenig mit den anderen. Am Abend fahren wir zu siebt auf drei Zweirädern (Gesa und Kerstin wechseln sich auf einem kleinen Töff ab, Julius fährt mit Greta hinten drauf auf einem Motorrad und Christoph nimmt Christian und mich hinter sich aufs zweite Motorrad) zu einem Restaurant, in dem wir mal wieder indisch essen.

Montag beginnen die Einführungstage für Besucher von Auroville. Gemeinsam mit Kerstin und Gesa, die bereits ein paar Tage länger da sind als wir, wollen wir ein bisschen mehr über Auroville, seine Geschichte, Projekte und Bewohner erfahren und nehmen an der Einführung Teil. Da wir mobil sein müssen, es aber leider keine Töffs mehr gibt, bekommt Christian kurzerhand das Motorradfahren (mit Schaltung und so) beigebracht und von nun an haben wir auch ein Motorrad. Zu Beginn der Einführungsrunde wird uns ziemlich bald klar, dass es hier nicht nur um Auroville und seine Projekte, in die wir uns stärkeren Einblick gewünscht hatten, geht, sondern vor allem um uns selbst. In einer Gruppe von knapp 10 Personen werden wir von unserer französischstämmigen Gruppenleiterin Ambre, die jedoch seit Jahrzehnten in Auroville lebt und sich daher Aurovillianerin nennen darf, gebeten, über uns zu sprechen, unsere Gedanken, Bedürfnisse, Eigenschaften. Wir machen das Spiel mit, ist ja auch gar nicht so schlecht und freuen uns auf die Besuche der Projekte. Doch leider warten wir vergeblich. Zunächst statten wir Martin, dem Deutschen mit weißem Rauschebart, in der Bibliothek von Auroville einen Besuch ab und erhalten von ihm eine sehr interessante Einführung in die Philosophie von Auroville. Martin erklärt uns, dass das Ziel, das die Gründer Aurovilles (Die Mutter und Sri Aurobindo) verfolgten und versuchten an die Bewohner Aurovilles weiter zu reichen, das Erreichen eines überspirituellen Zustandes sei. In diesem Zustand sei es möglich eine Art göttliche Kraft, die in allen Dingen steckt, wahrzunehmen und die Welt so in ihrer göttlich-spirituellen Gänze zu erleben. Die Erleuchtung sozusagen. Diesen Zustand erreiche man laut Martin durch eine asketische Einstellung. Das Verlangen nach Dingen, das Wollen, das Streben nach Ergebnissen seien die Hindernisse, die es auf dem Weg zu diesem Zustand der Reinheit und der Freiheit zu überwinden gelte. Man solle nicht streben, nicht verlangen, sich aller weltlichen Bedürfnisse entledigen. Wir stellen Fragen, wollen das genauer wissen: Woher soll ich wissen, dass dieser überspirituelle Zustand so erstrebenswert ist? Ich muss darauf vertrauen. Und wenn ich nach nichts streben soll, wie kann ich dann nach diesem Zustand streben?? Martin lässt nicht locker, er ist überzeugt von der Idee und schafft es uns ein Gefühl zu vermitteln, dass uns dieser komplexen Philosophie näher bringt.

IMG_8483 (Small)

Als wir Martin verlassen fühlen wir uns fast ein wenig erleuchtet.

IMG_8481 (Small)

Orchideen im Foyer der Bibliothek.

Nach dem Mittagessen eröffnet Ambre gleich die nächste Selbsterfahrungsrunde. Ein Lichtblick bleibt für den Nachmittag, der Besuch bei Rita, einer Tamilin, Urgestein Aurovilles, die sich um streunende Hunde kümmert.

IMG_8489 (Small)

Nach dem Mittag spenden Bäume angenehmen Schatten.

IMG_8486 (Small)

Auf zwei Rädern geht’s zu Rita.

Völlig kaputt vom mental anstrengenden, aber ansonsten etwas lahmen Tag, kann uns Rita mit ihren nicht endenden Klagen über die Zerstörung durch den Zyklon und die Bürokratie Aurovilles jedoch nicht mehr aus dem Nachmittagstief holen. Die wenigen Hunde, die wir bei ihr zu Gesicht bekommen, sind völlig überfüttert und schleppen sich keuchend von Schatten zu Schatten, ihre Arbeit mit den armen Viechern erwähnt sie mit keinem Wort. Stattdessen demonstriert sie uns die unerschöpfliche Kraft der Natur anhand frischer Triebe, die aus umgestürzten Bäumen treiben und spürt gemeinsam mit dem etwas spirituelleren Teil unserer Gruppe (zwei Kanadier und zwei Belgier, wobei die Belgier betonen, dass sie Süd-Belgier seien) der Kraft der Bäume nach. Wir wollen uns aus dem Staub machen, als Rita beginnt, die Gruppe in den verwilderten Wald zu führen, dabei alle paar Meter stehen bleibt, um verworrene Vorträge über diesen Strauch oder jenes Kraut zu halten, doch Rita fühlt sich in ihrer Ehre, ihrem Stolz oder ihrer Verantwortung verletzt und will uns bis aus dem Wald heraus begleiten, alleine würden wir den Weg doch sowieso nicht finden. Am Tor zu ihrem Grundstück warten wir vergeblich auf sie und die Franzosen, doch niemand kommt, um uns zu verabschieden. Damit ist die Einführung für uns beendet. Wir entscheiden die letzten zwei Tage sausen zu lassen. Immerhin ist der Spaß mit 600 Rupies (knapp 10 Euro) pro Tag und pro Person sowieso viel zu teuer für uns!

IMG_8492 (Small)

Am Visitor Center beobachten wir, wie rote Erde zur Weiterverarbeitung zu Ziegelsteinen gesiebt wird.

An den folgenden Tagen gibt es immer etwas zu tun oder zu entdecken. Zum Beispiel das Bambushacken. Bei Andi und Gabi, zwei Bayern, die vor vielen Jahren nach Auroville kamen und sich ebenfalls Aurovilleianer nennen dürfen (Christoph und Fredi wohnen nur ein paar Monate im Jahr in Auroville und heißen daher “Friends of Auroville”, was uns damit zu “Friends of Friends of Auroville macht), rücken wir zu viert dem vom Sturm platt gedrückten Bambus auf die Pelle. Ausgestattet mit messerscharfen Sicheln und Macheten wird ein Bambus-“halm” (die so dick sind wie ein Oberarm) nach dem anderen gefällt, von Seitenästen befreit, zerteilt und auf einem Haufen gestapelt. Wir kommen ganz schön ins Schwitzen, aber mit Hilfe der indischen Vorgehensweise (zwei arbeiten, zwei gucken zu), bekommen wir doch einiges geschafft. Andi und Gabi loben unser Tagwerk und revanchieren sich mit erfrischendem Limonen-Wasser, Gesundheitstipps für Christians Bauch und einer total leckeren Thai-Suppe.

IMG_8495 (Small)

Seltsame Kreatur in Andi und Gabis Garten.

IMG_8499 (Small)

Christian im Bambus.

IMG_8501 (Small)

Frauen können auch Bäume fällen! (beweist Greta)

IMG_8503 (Small)

Die Bambuskiller.

IMG_8505 (Small)

Arbeiten indischer Art: Einer macht, zwei gucken zu.

Auch an Christians Bauch können wir während unseres fast zwei-wöchigen Aufenthalts in Auroville arbeiten. Dr. Russlan (aus Kasachstan) ist der fähige Arzt im Ort und gibt Christian den Hinweis, dass etwas mit seiner Leber nicht in Ordnung sei. Daher werden sofort alle Antibiotika abgesetzt, Leber unterstützende Medikamente verschrieben und wieder einmal eine strenge Diät verordnet. Die neue Therapie schlägt an und Christian bekommt wieder mehr Lust am Essen.

IMG_8509 (Small)

Abendessen in Pondy (v.l.n.r.: Gabi und Marissa, Julius und Greta, gegenüber Christoph, dann Kerstin und Gesa und am Ende Andi.)

Das Essen in Auroville ist aber auch zu gut, um darauf verzichten zu müssen! In den kleinen Supermärkten kaufen wir frisches Obst und Gemüse, zum Frühstück gibt es dann Tee oder Kaffee, saftige Ananas und Orangen, das Brot kaufen wir beim Bäcker, dazu Erdnussbutter und fruchtige Marmeladen. Mittags ein gesundes Essen irgendwo in Auroille (Reis mit Linsen und Roter Beete und Möhrensuppe), Nachmittags Kuchen oder Teilchen und abends backen wir Pizza, lassen uns von Julius und Greta bekochen oder gehen irgendwo Pizza oder Nudeln essen. Das Beste ist jedoch die Kühlschrank-kalte Schokolade, die abends bei einem Bier oder alkoholfreiem Rotwein, der ein bisschen nach Traubensaft schmeckt, um den Tisch kreist. Schokolade macht glücklich und redselig und so verbringen wir viele Abende mit langen Diskussionen, die vom einen Thema zum nächsten und wieder zurück führen. Dabei lassen sich die Mücken auf unseren Füßen nieder und pieksen was das Zeug hält.

IMG_8547 (Small)

Heute gibt es Möhren-Ingwer-Kürbis-Orangen Suppe mit Salat. Guten Appetit!

An einem Tag fahren wir mit der ganzen Mannschaft im Sammeltaxi nach Pondy. Zunächst besuchen wir dort den Ashram von Sri Aurobindo, dem indischen Philosophen und Freiheitskämpfer, nach dem auch Auroville benannt wurde. Unter einem großen Baum lassen wir uns in unmittelbarer Nähe seines steinernen Sarges nieder und beobachten die Streifenhörnchen, die sich rasant über unseren Köpfen jagen. Pilger schleichen lautlos – es herrscht absolutes Redeverbot! – umher, lassen sich vor dem Grab ihres Gurus nieder und murmeln ihre Gebete in sich hinein.Gemeinsam mit  Aurobindo liegt auch Mirra Alfassa, genannt “Die Mutter”, dort begraben. Gemeinsam sollen die beiden nach dem zweiten Weltkrieg die Idee einer universellen Stadt, die keinem Staat und keiner Nation verpflichtet ist und in der Menschen aller Nationen friedlich mit einander leben, entwickelt haben. Sri Aurobindo und Die Mutter sind also sozusagen die Eltern Aurovilles.

IMG_8515 (Small)

Lakshmi, die Tempelelefantendame.

IMG_8522 (Small)

Die passenden Accessoires dürfen natürlich nicht fehlen!

IMG_8578 (Small)

Wieder außerhalb des Ashrams treffen wir auf Lakshmi, die Tempelelefantendame. Lakshmi wird von den Tempelbesuchern mit Obst und Grünzeug gefüttert. Ein kleines Mädchen ist völlig verängstigt, als sie ihren riesigen Rüssel auf den Kopf des Kindes plumpsen lässt. Heulend beobachtet sie jede Bewegung der Elefantenkuh und soll doch eigentlich für ein Foto still halten.

IMG_8525 (Small)

Ganesh bekommt Kokosnüsse geopfert, die krachend und mit Schmackes an der Wand zerschellen.

IMG_8528 (Small)

Die notwendigen Opfer sind alle im Tempelbedarfsladen nebenan erhältlich.

Die Sonne lässt mal wieder ihre komplette Macht auf uns herunter brennen. Doch im Schlepptau der anderen müssen wir uns nicht um die Route kümmern und werfen keinen einzigen Blick auf unseren Stadtplan.

IMG_8579 (Small)

Es gibt sogar einen sauberen Park mit weißer Augenweide.

Wir sind überrascht von der relativen Ordnung, die in Pondy herrscht und auch von den vornehmen Geschäften, in die wir geführt werden. Nach dem Mittagessen im klimatisieren Restaurant ist unser erster Pondy-Aufenthalt beendet.

IMG_8533 (Small)

Warten auf einen Tisch zum Mittagessen: Christoph, Gesa und Kerstin haben HUNGER!

IMG_8538 (Small)

Mir schmeckt meine Thali, Christian freut sich auf seine riesen Dosa “paper roast”.

Ein paar Tage später fahren wir erneut hin. Diesmal jedoch zu zweit, mit Einkaufsliste und Straßenkarte. Es wird zwar nicht so entspannt, dafür aber sehr viel effizienter: Christian bekommt zwei neue Hosen (die anderen kommen endlich auf den Müll!) und ich einen Sari. Jetzt muss ich nur noch herausfinden wie man so ein sechs-Meter-langes Tuch wickelt… Den Stoff für die Sari-Bluse bringe ich zum Schneider. Immerhin soll die traditionell bauchfreie Bluse ja wie angegossen passen!

IMG_8584 (Small)

Bunte Vielfalt im Sari-Fachgeschäft.

IMG_8637 (Small)

Lakshmi (rechts) und ihre Kollegin helfen mir gekonnt beim Sari-Wickeln.

Als Christian schon ganz souverän Motorrad fährt, zieht es mich auch auf den Vordersitz. Auf einer weniger befahrenen Sandstraße mache ich dann die ersten Fahrversuche. Und obwohl ich manchmal nicht mehr weiß, wie ich jetzt runter schalte, Bremse und Kupplung verwechsele und nicht mehr weiß wozu der rechte Fuß noch mal gut war und obwohl ich weder einen Führerschein noch einen Helm besitze, klappt das Fahren Tag für Tag ein Stückchen besser bis Christian sich mal wieder ärgert, mich überhaupt nach vorne gelassen zu haben. Jetzt sitzt er hinten und ich lasse ihn hinter mir hoch und runter hopsen, wenn ich über die Hubbel auf den Straßen flitze.

IMG_8556 (Small)

Christoph nimmt uns mit auf eine Auroville-Architektur-Entdeckungstour.

IMG_8559 (Small)

Hier darf jeder bauen wie er will, verrät uns Christoph. Nicht immer von Vorteil…

IMG_8564 (Small)

…aber doch auch ganz nett!, finden wir.

IMG_8566 (Small)

Frau am Steuer… Abenteuer!!

IMG_8571 (Small)

Bei Andi und Gabi in der Wohnung.

IMG_8540 (Small)

Das Visitor Center von Auroville.

IMG_8541 (Small)

Die Town Hall, sozusagen das Bürgerhaus.

Bald sind wir in unserem ganz persönlichen Auroville-Rhythmus drin. Morgens wachen wir gegen acht Uhr auf, frühstücken, erledigen das eine oder das andere, ruhen über die Mittagszeit, haben dann nachmittags wieder Energie, um etwas zu tun und gehen abends gegen Mitternacht schlafen. Die Nächte sind erfüllt von den Schreien der Vögel, die uns den Schlaf rauben. Auch die Tempel in der Umgebung lassen bereits in den frühen Morgenstunden ihre ohrenbetäubende Tempelmusik erklingen. Wirklich Ruhe finden wir nur nach dem Mittagessen.

IMG_8512 (Small)

Störenfried auf Streifzug.

IMG_8657 (Small)

Mittagessen im Solar Restaurant.

IMG_8633 (Small)

Anschließend gibt es Kaffee im Solar Café.

Ein ganz besonderes Erlebnis ist für uns der Besuch des Matri Mandir, dem Herzstück Aurovilles. Im Zentrum der kreisrund angelegten Stadt, die später einmal 50.000 Menschen beheimaten soll (momentan sind es allerdings nur gut 2.000), erhebt sich diese riesige goldene Kugel als würde sie direkt aus dem Erdmittelpunkt hinauffahren. In einem interessanten Film, den wir uns vor der Besichtigung ansehen, erfahren wir, dass das Matri Mandir eine neue Welt darstellen soll, die aus der roten Erde bricht. Der Bau des spirituellen Zentrums der Stadt begann bereits Anfang der 70er Jahre, gleich nach Gründung Aurovilles. Die Idee für den Bau kommt von Der Mutter, Mirra Alfassa, persönlich und das Gebäude dient hauptsächlich der Meditation. Nachdem wir während des Films wieder einmal feststellen, dass uns die Grundidee Aurovilles sehr anspricht, werden wir per Bus zum Matri Mandir gefahren und nach ein paar weiteren Informationen zum Gebäude und den im Innern herrschenden Regeln (Schuhe draußen lassen, Socken drinnen anziehen, Sprechverbot, keine Handys, keine Fotos) werden wir auf das imposante Bauwerk zu geführt. Wir entledigen uns unserer Schuhe und gehen gemächlich die Stufen hinauf, die uns ins Innere führen. Sogleich schwappt uns eine Still entgegen, die ansteckend ist. Schweigend werden wir von einer Frau zu Sitzmöglichkeiten gebeten, an denen wir weiße Socken finden, die wir überziehen sollen. Wir schleichen weiter, immer wieder stehen freundlich lächelnde Menschen an den Wegpunkten und leiten uns mit Handzeichen den Weg. Wie in einer großen Spirale schrauben wir uns langsam immer weiter nach oben. Das Innere der Kugel ist beeindruckend! Die Außenwände scheinen zu glühen, als würde das Licht von Außen wie durch eine Membran hineingelangen. Doch im Innern ist es angenehm kühl und es geht ein leichtes Lüftchen. Bis auf die orange-gelb leuchtende Außenhaut ist alles weiß. Zunächst steigen wir weiße Marmorstufen hinauf, dann geht es über eine geschwungene Rampe, deren weißer Teppichboden unsere Schritte sanft auffängt. Gemächlich steigen wir immer höher bis wir das Heiligtum des Ganzen erreichen, den 12-wändigen Meditationsraum. Kreisrund angeordnet stehen 12 weiße Marmorsäulen, die jedoch nicht bis zur hohen kuppelförmigen Decke reichen. Das Dach wirkt als würde es über allem schweben, ein seltsamer Anblick. In der Mitte der Kuppel befindet sich eine Öffnung, durch die ein Sonnenstrahl einfällt, der über ein Spiegelsystem gebündelt und senkrecht in die Mitte des komplett weißen Raumes geworfen wird. Dort, im Zentrum des Ganzen, steht eine große Kristallglaskugel. Das Licht fällt in die Kugel und erhellt so den Raum. Wie in Trance schleichen wir um die Säulen herum und lassen uns auf ordentlich aufgereihten Kissen nieder. Dort fallen uns von ganz allein die Augen zu. Zwanzig Minuten vergehen ohne, dass wir es merken.

Dann verlassen alle den Raum durch eine hintere Tür und werden über eine weitere Spiralen förmige Rampe wieder hinab geleitet. Die Socken werden abgestreift und in eine Tonne geworfen, die Schuhe stehen draußen fein säuberlich aufgereiht. Bevor wir das Matri Mandir verlassen und zum Amphitheater, dem Versammlungsort in Auroville, hinübergehen, werden wir zunächst ein paar weitere Stufen hinab geführt bis wir unterhalb der mit runden Goldschilden bedeckten Kugel stehen. Der Lichtstrahl, den wir eben gesehen haben, kommt an der unteren Seite wieder heraus und trifft auf eine weitere, jedoch deutlich kleinere Kristallkugel, die im Zentrum eines Brunnens liegt. Wasser fließt über marmorweiße Steinziegel nach unten und versickert um die Kugel herum. Wieder ist alles ganz still.

Ganz andächtig von all der Schönheit, Klarheit und Ruhe, die alles im Matri Mandir umgibt, folgen wir unserem Gruppenführer ins Amphitheater. Dort bilden Stufen aus rotem Stein einen ellipsenförmigen Versammlungsort, an dessen einem Ende eine weiße Urne, gefüllt mit Erde aus vielen verschiedenen Ländern, sowie der Charta Aurovilles, auf einem Sockel thront. Wir erfahren, dass in wenigen Tagen der Geburtstag Der Mutter hier gefeiert wird und alle eingeladen sind. Beginn der “Party” ist sechs Uhr morgens…

IMG_8610 (Small)

Matri Mandir aus der Ferne.

Doch tatsächlich stehen wir um viertel nach fünf auf, schwingen uns um halb sechs aufs Moppet und pilgern zusammen mit einigen anderen in der morgendlichen Dunkelheit zum Amphitheater. Kerzen auf dem Boden und hinauf zur Urne erleuchten die Umgebung. Lichterketten auf dem Boden erhellen den Weg. Auch das Matri Mandir wird angestrahlt und verbreitet einen goldenen Schimmer.

IMG_8585 (Small)

Ein stiller Geburtstag. Nur die Mutter spricht. Über ein Tonband, das abgespielt wird.

Obwohl alle Schweigen ist es unglaublich laut. Der Tempel im Nachbardorf hat seit vier Uhr mal wieder die Boxen rausgeholt und beschallt die komplette Gegend. Auch die Hunde und Vögel wollen sich nicht an das Schweigegebot halten und bellen und schreien um die Wette. Als es hell wird steigt der Nebel auf und bald kann man kaum die Hand vor Augen mehr sehen. Durch den feuchten Nebel fahren wir nach Hause und legen uns noch mal ins Bett.

IMG_8587 (Small)

Die Geburtstagsgäste sitzen im Nebel.

IMG_8592 (Small)

Blume aus Blumen.

IMG_8594 (Small)

Die Urne.

IMG_8603 (Small)

Nebliger Morgen.

Wenige Tage bevor wir Auroville wieder verlassen, kommt Frederike wieder zurück und wir können noch ein paar Tage zu acht verbringen. Die Zeit in Auroville ist wie im Flug vergangen! Wir würden gern noch länger bleiben und am liebsten wieder kommen und dann länger bleiben. Was wir von Auroville gesehen haben hat uns sehr gut gefallen, obwohl es nur ein kleiner Ausschnitt war und wir der Idee hinter der geplanten Stadt noch näher kommen wollen.

IMG_8618 (Small)

Wir unternehmen noch mal eine Entdeckungstour zu zweit…

IMG_8620 (Small)

… treffen auf nette Weggefährten…

IMG_8619 (Small)

… und entdecken versteckte Idyllen.

IMG_8625 (Small)

Ein Windrad…

IMG_8628 (Small)

…auf einer Obst- und Gemüsefarn.

Wieder werden wir verwöhnt. Das Taxi nach Chennai, von wo aus wir mit dem Zug nach Kalkutta fahren werden, steht bereits für uns bereit. Wir laden unsere Taschen ein, die wieder einige Kilos abgespeckt haben. Wir lassen unsere Schlafsäcke und die letzten Pullis zurück. Wir können uns nicht vorstellen das auf dem letzten Teil unserer Reise noch mal zu benötigen. Wir verabschieden uns zum zweiten Mal auf dieser Reise von Christoph und Fredi und danken ihnen genauso wie Julius und Greta für die tolle Zeit und die herzliche Gastfreundschaft mit der sie uns aufgenommen haben.

In den vergangenen 12 Tagen konnten wir vor allem auftanken und mal wieder ein bisschen Urlaub machen von Indien. Und wir durften ein neues Lebens- und Wohnkonzept entdecken und uns ein wenig hineinfühlen wie es wohl sein muss, Aurovilleianer zu sein. Der Urlaub ist jetzt wieder vorbei. Indien wartet erneut auf uns. Genauer gesagt: Kalkutta!

Comment now!
















Trackbacks