Der Zug von Bangkok nach Chiang Mai, der Tempelstadt im Norden Thailands, kommt uns vor wie ein absoluter Luxuszug, ein Upgrade in jeder Hinsicht, gegenüber allem was wir in Indien zu Gesicht bekommen haben. Wow, wir schauen uns um, großzügiger Flur, bequeme Schlafkabinen mit eigenem Vorhang für die Privatsphäre und alles so sauber, so neu! Wir machen es uns gleich bequem, werden dann aber noch mal umquartiert, damit eine französische Familie mit zwei Kindern in einem gemeinsamen Abteil schlafen kann. Kurz darauf befinden wir uns ein Abteil weiter, bei Bernd und Jenny, den zwei Münchnern, die gerade zwischen zwei Jobs ein bisschen durch Südostasien reisen. Wir kommen ins Gespräch und plaudern bis alle müde und halb erfroren sind. Die Thais meinen es ernst mit ihrer Klimaanlage. Viel zu kalt eingestellt und nicht regulierbar frösteln wir die ganze Nacht unter unseren Handtuch dicken Decken und vermissen unsere warmen Daunenschlafsäcke. Die Nacht wird für alle kurz und wenig erholsam, wir bekommen morgens ein labberiges Frühstück für 120 Baht (3 €), dann erreichen wir mit ein paar Stunden Verspätung Chiang Mai und verabschieden uns wieder von unseren netten Kurzzeit-Reisegefährten. Anstatt uns in eins der Taxen am Bahnhofseingang setzen zu lassen, laufen wir erst mal an der Hauptstraße entlang, Richtung Innenstadt. Auf der Karte sehen wir zwar, dass es schon drei bis vier Kilometer sind, bis zu unserem reservierten Hostel, aber wir hoffen einfach, dass wir unterwegs noch eine günstigere Mitfahrgelegenheit bekommen. Und so ist es dann auch: Nach wenigen Metern fährt schon das erste Sawngthaew (überdachter Pick-up) an den Straßenrand und bietet an uns für 20 Baht pro Person mit in die Stadt zu nehmen. Im Innern sitzt bereits ein Mädel, das wenig später bei ihrem Hostel aussteigt. Wir kurven durch die kleine Stadt  (knapp 180.000 Einwohner) und wieder frage ich mich, warum in Thailand eigentlich Linksverkehr herrscht. In Indien, und auch in Nepal, war es ja naheliegend (Indien wegen der Briten, Nepal wegen der Inder), aber Thailand?

Wir fahren durch die backsteinerne Mauer, die das Zentrum als perfektes Quadrat umschließt und befinden uns im verwinkelten Zentrum, in dem es an jeder Ecke einen Tempel oder ein Kloster zu sehen gibt. Im Süden des historischen Kerns werden wir rausgeschmissen und fragen uns zu unserem Hostel durch. Das Zimmer im “Thailand Guesthouse” kostet nur ein Drittel dessen was wir in Bangkok für unser kleines Verließ bezahlt haben, hat jedoch ein kleines Bad mit Fenster und ist bestimmt doppelt so groß, mit Spiegel, Stuhl und Kommodenschränkchen. Wir sind glücklich und fallen erschöpft auf die bequeme Matratze, alles ist frisch bezogen und duftet.

Lange halten wir es jedoch nicht aus, denn das Frühstück heute morgen liegt nun schon einige Stunden hinter uns und wir haben es uns ja auch noch geteilt. Also gehen wir auf Essensjagd, was sich als nicht besonders schwer erweist. Das historische Quadrat ist übersäht mit Hostels, Restaurants, Cafés, Bars und Touristenbüros. Wir kommen also schnell zu einem recht ansehnlichen Croissant, Kaffee, O-Saft, Baguette und das ganze sogar mit Nutella! Das erste Mal Nutella seit Nepal – was für ein Festtag!

Dann haben wir Zeit uns nach Möglichkeiten umzusehen, wie wir in zwei Tagen nach Laos kommen können. Immerhin sind wir der laotischen Grenze hier schon recht nah, wollen aber am liebsten mit dem Bus zur Grenze und von dort aus nach Luang Prabang, der angeblich romantischsten Stadt Laos’. Nach Luang Prabang kann man entweder mit dem Bus oder mit dem Schiff über den Mekong Fluss fahren, erfahren wir. Nachdem wir mehrere Touristenbüros abgeklappert haben, wissen wir was die Tour so kosten sollte und was inklusive ist. Es gibt Packet A: Minivan Transport zur Grenze (mit Zwischenstopp beim Weißen Tempel), Übernachtung und Frühstück in der Grenzstadt Chiang Khong und Übersetzen nach Huay Xai auf laotischer Seite des Mekong, Weiterfahrt mit einem Touristenboot nach Phak Beng, am nächsten Tag Weiterfahrt nach Luang Prabang. Versorgung und Übernachtung ab dem zweiten Tag ist nicht inklusive. Das Ganze kostet etwa 1.700 Kipp (gut 40 €) pro Person. Das Packet B mit zweiter Übernachtung und Verpflegung auch am zweiten Tag inklusive kostet etwa 2.200 Kipp (55 €). Das Busangebot ist günstiger, aber wir präferieren doch die zweitägige Schifffahrt gegenüber einer 14-stündigen Busfahrt. Außerdem haben wir noch ziemlich genau 2.000 Kipp, von denen wir nach Abzug des Tourpreises in den nächsten Tagen leben müssen. Die dritte Variante, mit dem Speedboad an einem Tag von der Grenze bis nach Luang Prabang zu heizen, verwerfen wir ganz schnell: Zwar doppelt so schnell aber dafür auch doppelt so gefährlich und angeblich so anstrengend, dass man sich danach erst mal zwei Tage erholen muss. Wir nennen unserem Hostel die Preise und können das Packet A noch mal um 100 Baht reduzieren und schlagen zu. Jetzt zahlen wir 40€ pro Person um von Chiang Mai nach Luang Prabang zu kommen, sind drei Tage unterwegs und müssen uns um eine Unterkunft und Verpflegung am zweiten und dritten Tag noch kümmern. Eigentlich haben wir keine Lust auf Touristentour, aber wie wir anders nach Luang Prabang kommen sollen, wissen wir auch nicht. Öffentliche Verkehrsmittel sind sicherlich unzuverlässiger, langsamer und nicht unbedingt billiger. Wir finden uns mit unserem Deal ab und verbringen die restliche Zeit damit, die vielen verschiedenen Tempel des Städtchens zu besichtigen.

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Wat Phan An mit eigenem Gong.

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Löwen-Drachen bewachen den Eingang,…

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…kleine Steinelefanten…

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…oder monströse Drachen!

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Schulmädchen auf dem Tempelhof.

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Wat Chiang Man, der angeblich älteste Tempel in Chaing Mai,…

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…wurde Ende des 13. Jahrhunderts gegründet.

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Am Wat Phra Sigh bereiten Mönche alles für den morgigen Feiertag vor.

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Der Wat Phra Singh spielt wegen seiner außergewöhnlichen Buddha-Darstellungen eine besondere Rolle.

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Daher ist er von innen und von außen wohl auch besonders prachtvoll.

Zwei Tage haben dann auch gereicht und wir warten am Morgen nach der zweiten Nacht vor unserem Hostel auf den Minivan, der uns zur Grenzüberquerung abholen soll. Als der Bus endlich kommt, sitzen bereits einige Leute drin, wir laden noch zwei junge Franzosen ein, von denen der eine offensichtlich übernächtigt ist und eine ziemliche Fahne im Auto verteilt.  Die Fahrt wird wenig spektakulär. Mittags halten wir erst zum Essen (wobei wir uns wieder ein Essen teilen, wir müssen ja noch weit kommen mit unseren 400 Baht!), dann am Weißen Tempel, einem ziemlich modernen und daher auch recht interessanten weiß strahlenden Tempel.

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Schon am Eingang merken wir, dass hier der Teufel scheinbar seine Finger mit im Spiel hat.

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Der Tempel strahlt hingegen unschuldig weiß.

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Zwei Wächter am Eingang sollen die Mächte des Bösen am Eintreten hindern.

Im Innern brauchen wir einen Moment um die “Message” des modernen Tempels zu verstehen. Gegenüber des Eingangs befindet sich ein Gemälde eines riesigen, goldenen, friedlich dasitzenden Buddhas. Soweit nicht ungewöhnlich. Gegenüber jedoch, an den Wänden rechts und links der Eingangstür, hat ein wahnsinnig blickendes Monster seinen Schlund weit geöffnet (die Eingangstür ist sozusagen der Schlund), lässt seine spitzen gelben Zähne blitzen, rollt mit den hervorquellenden Augen und sabbert unappetitlich. Im Schlund verschwinden, so stellen wir nach und nach fest, die Objekte der westlichen, kommerziellen Welt: Lara Croft greift nach ihrem Colt, vor der Skyline Manhattans, in der gerade ein Flugzeug explodiert, am Himmel dunkle Wolken, Blitze und ein Angry Bird. Wir sehen Spiderman, Superman, Freddie Krüger, sogar Michael Jackson bei einem seiner berühmten Moves, einen Benzinhahn, aus dem ein Tropfen Brennstoff tropft, Raketen, Pistolen, ja sogar ein Handy, das von den Barthaaren des teuflischen Monsters umschlungen wird. Zu den Seiten hin sehen wir Menschen auf die Wand gemalt, die auf kleinen blütenförmigen Bötchen, mit zum Gebet erhobenen Händen, Richtung leuchtendem Buddha gleiten. Ihr frommer Glaube trägt sie, so verstehen wir jedenfalls das Ganze, ihrem Erlöser entgegen, ins Paradies, weg vom endlosen Höllenschlund des Kapitalismus, der Filmindustrie, der Politik und der Popmusik. Die Umgebung um den friedlichen Erlöser ist phantastisch, traumhaft: Schillernde Flüsse, in der Luft treibende grüne Inselchen, das absolute Paradies, oder – wie in diesem Fall wohl angemessener – das Nirwana.

Jetzt machen auch draußen die schaurigen Monster und Figuren einen Sinn. Wir finden zwar alte Tempel irgendwie schöner und beeindruckender, können aber der Idee dieses neuen Tempels auch etwas abgewinnen.

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Dann geht’s auch schon weiter mit dem Minivan.

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Thailand durch das Fenster des Minivans.

Am Nachmittag erreichen wir unsere Unterkunft und bekommen ein einfaches aber sauberes Zimmer in einem Holzbungalow auf Stelzen zugewiesen. Mittlerweile haben wir beide so riesigen Hunger, dass wir uns bei 7 Eleven um die Ecke dann doch noch Kekse und Chips kaufen, die wir am Ufer des Mekong verschlingen – dabei wollten wir doch bis zum kostenlosen Abendessen aushalten!

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Bei uns Thailand, auf der anderen Seite des Mekong schon Laos.

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Einen Tempel unterwegs lassen wir natürlich nicht aus.

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Gute Nacht Thailand.

Das Abendessen ist Buffet: Reis und Gemüse. Einfach und ok, zum Nachtisch Ananas, die ihre besten Tage bereits hinter sich hat. Aber was soll’s. Wir gehen früh schlafen, draußen krächzt die ganze Nacht ein Hahn, der sich offensichtlich im Stimmbruch befindet und bald von einem jaulenden Hund akustisch unterstützt wird.

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