Die Fahrt nach Ho Chi Minh City (HCMC), wie Saigon nach der Wiedervereinigung Vietnams vom kommunistischen Nordvietnam getauft wurde, wirkt ziemlich entspannt. Trotz des neuen Namens, ist HCMC bei allen unter seinem alten Namen bekannt. Ho Chi Minh war immerhin ja auch der ideologische und politische Führer des kommunistischen Nordens und nicht das Südens. Ich habe Zeit noch ein wenig über die Geschichte Vietnams zu lesen und in meinen Beitrag zu integrieren. In Saigon werden wir es nochmal mit dem Couchsurfen versuchen. Obwohl wir in Hanoi so schlechte Erfahrungen gemacht haben, hoffen wir, in Saigon nicht enttäuscht zu werden. Den Weg zur Wohnung unseres Couchsurfers haben wir sicherheitshalber schon mal rausgesucht und in unsere Stadtkarte eingezeichnet. So stellen wir dann auch fest, dass wir mit unserem Touribus erst mal direkt an unserer Unterkunft vorbei fahren und uns immer weiter von ihr entfernen. Dann müssen wir eben gleich wieder zurück fahren. Wir werden mitten im Zentrum raus geschmissen und malwieder von einer Schar Hotellaufburschen, Taxi- und Rikschafahrern abgefangen. Heute können wir zum Glück dankend ablehnen, wir haben nämlich tatsächlich schon eine Unterkunft und wissen auch in etwa wie wir hinkommen.

Doch erst mal wollen wir was Essen. Direkt auf der gegenüberliegenden Seite reihen sich mehrere Suppenrestaurants aneinander. Wir suchen uns das erstbeste aus und bekommen eine leckere Suppe vorgesetzt. Draußen hat es mittlerweile angefangen in Strömen zu regnen. Zum Glück sitzen wir hier im Trockenen und können abwarten bis der Platzregen abgeklungen ist. Dann machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Dort nickt gleich der erste Busfahrer, den wir nach der Adresse fragen, und wir können einsteigen. Nach einer Viertelstunde laufen wir bereits auf die großen Wohnblocks (Saigon Pearl Towers) zu, in einem von denen unser Couchsurfer Ashard lebt.

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Sind wir hier wirklich richtig?

Wir finden seinen, den “Ruby 2” Turm und betreten das luxuriöse Innere. In so einem schicken Appartement Haus waren wir noch nie! Der Boden aus hellem Stein, die Inneneinreichung dezent nobel, Spiegel, Glastüren, Klimaanlage. Unten gibt es natürlich eine Art Rezeption, von wo aus wir bei Ashard in der Wohnung anrufen lassen.

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Ganz schön schick wo wir hier gelandet sind!

Zufälligerweise ist er gerade zum Mittagessen zu Hause, wir können in den 6. Stock fahren, Ashard öffnet uns. Wir wurden beim Anblick des Gebäudes schon mit Vorfreude erfüllt, die durch die schicke Eingangshalle noch gesteigert wurde. Jetzt in der Wohnung wird unsere Hoffnung bestätigt. Die Wohnung ist das absolute Gegenteil von der in Hanoi. Wir bekommen ein eigenes Zimmer, mit großem Bett, alles ist super sauber, wir haben sogar ein eignes Badezimmer, mit toller Dusche und so weiter und so fort.

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Unser Reich!

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Ausblick aus unserem neuen Zimmer.

Wir sind total begeistert! Was für ein Luxus! Wir duschen erst mal und ruhen uns ein wenig aus. Ashard muss wieder zur Arbeit. Er ist der Vorstandsvorsitzende einer Textilfirma, die Klamotten für Abercrombie & Fitch, Tommy Hilfiger und auch Decathlon produziert. Obwohl wir wieder in die Stadt gehen könnten, machen wir es uns in seinem Wohnzimmer bequem. Wir sind plötzlich ziemlich fertig und wollen uns einfach nur ausruhen. Gegen sieben kommt Ashard zurück, kurz darauf geht es ins Fitnessstudio, das praktischerweise unten im Gebäude ist. Vorher bestellt er noch eine Packung Zigaretten, per Telefon bei der Rezeption, die ihm wenige Minuten später zu seiner Wohnung geliefert wird. Wir bleiben faul, raffen uns nur auf, um unsere Wäsche in seine Waschmaschine zu stopfen und später frisch gewaschen auf seinem kleinen Balkon aufzuhängen. Ashard’s Kühlschrank ist voll mit leckeren Säften, Reis und angemachtem Gemüse. Wir sollen uns bedienen und das machen wir auch gerne. Auch als Ashard vom Sport zurück kehrt und noch auf ein Bier in die Stadt fahren will, lehnen wir ab, wir sind so müde, dass wir bald schlafen.

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Saigon bei Nacht.

Am nächsten Morgen ist Ashard bereits weg als wir aufstehen. Dafür ist seine Küchenhilfe da, die uns Sandwiches zubereitet und sogar loszieht, um Cornflakes zu kaufen, leider erfolglos. Dafür kocht sie Mittagessen und packt noch ein paar Sandwiches ein. Was für ein Luxusleben, in dem Ashard lebt. Zum Mittag machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Wir sind ziemlich lange unterwegs bis wir endlich das Zentrum erreichen und uns läuft schon wieder der Schweiß in Strömen. Wir wollen in einen nah gelegenen Park gehen, um dort im Schatten der Mittagshitze zu entgehen. Doch leider findet sich kein Zugang und unsere Karte ist zu undetailliert um den Eingang des Parks zu zeigen.

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Auf der Suche nach dem Parkeingang…

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…irren wir durch kleine Seitengassen.

Wir geben nicht auf und laufen um den ganzen Block, bis wir doch endlich triefend nass von Schweiß den Eingang erreichen. Doch als wir eintreten wollen, sehen wir, dass wir Eintritt zahlen müssen. Kann man hier nicht einfach mal in einen Park gehen? Ohne ständig für alles zahlen zu müssen? Wir versuchen einen Weg, um die Gebühr herum zu finden, werden aber immer wieder aufgehalten und abgewiesen und da die Eintrittsgebühr nicht all zu hoch ist, zahlen wir sie dann doch einfach. Was wir nicht wussten: Im Eintritt mit inbegriffen ist ein Besuch im Zoo. Anscheinend ist der Parkt nicht einfach nur ein Park sondern ein zoologischer Garten! Wir bekommen einen Prospekt in die Hände gedrückt: Angeblich gibt es hier Elefanten, Tiger, Löwen, Nashörner und Nilpferde zu sehen! Na da loht sich der Eintritt ja dann doch!

Zuerst erblicken wir riesige Vögel auf langen Stelzenbeinen und mit langen spitzen Schnäbeln. Mit ihren drei Haaren auf dem sonst kahlen Kopf, erinnern sie an dürre alte Herren in staubig grauen Anzügen. Vor ihren großen Schnäbeln haben wir Respekt.

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Angsteinflößender Marabu.

Nach und nach bekommen wir das Gefühl, dass die Tiere hier nicht besonders fidel wirken. Die Gehege sind aus unserer Sicht viel zu klein und auch wenig gepflegt. Die Tiere zeigen typisches Gefangenenverhalten: das Wiesel läuft hektisch eine Acht in seinem kleinen Käfig, der Bär sitzt apathisch auf seinem Hintern, der Affe wirft uns einen gelangweilten Blick zu, der Elefantenbulle vollzieht die gleichen zwei Schritte in identischem Ablauf wieder und wieder und wieder und wieder… Wir sind traurig, bedrückt, erschüttert. Wir wissen, dass auch in Deutschland Zoos früher den Charme von Tiergefängnissen hatten, sich das jedoch auf Druck von Tierschutzorganisationen im Laufe der 90er Jahre geändert hat und heute Zoos nicht mehr der Ausstellung von exotischen Tieren dienen, sondern vor allem bedrohte Tierarten schützen sollen. Anscheinend sehen die Tierschutzbestimmungen in Vietnam noch ein wenig anders aus als bei uns. Die Tiere, die wir heute zu Gesicht bekommen, sind jedenfalls eindeutig Ausstellungsstücke, die wie Gefangene in viel zu kleinen und verwahrlosten Gefängnissen leben. Irgendwie sind wir froh, als wir das Tiergefängnis wieder verlassen können.

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Was guckst du denn so traurig, kleiner Schwarzbär?

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Der Vogelstrauß hat viele kahle Stellen.

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Das Nashorn macht einen apathischen Eindruck.

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Nix los beim einsamen Affen.

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Jeden Tag das Gleiche bei der gestreiften Großkatze.

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Die Krokodile teilen sich zu fünfzehnt zwei kleine Tümpel.

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Auch der Löwe wirkt desinteressiert.

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Die einzige Beschäftigung des Adlers: Freilaufende Hühner beobachten.

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Seltsamer Vogel, ein wenig verstört.

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Heimat unzähliger Marabus.

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Nur die zwei lassen sich von ihrem viel zu kleinen Planschbecken nicht den Spaß verderben.

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Elefantenkuh grüßt Schaulustige.

Wir laufen durch die Stadt.

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Notre Dame von Saigon.

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Posieren vor U.S. Airforce Fliegern.

Auf Ashard’s Empfehlung hin gehen wir ins Kriegsmuseum, das vor allem über den Vietnamkrieg in den 60er und 70er Jahren aufklärt. Die vor dem Gebäude ausgestellten Tanker, Flugzeuge, Atelleriegeschütze und Bomben vermitteln schon einen guten Eindruck von den Bildern, die im Innern zu sehen sind.

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Die Bilderausstellung ist grausam: Sie zeigen die Folgen von “Agent Orange”, dem extrem giftigen Entlaubungsmittel, das von den USA flächendeckend versprüht wurde. Nicht nur großflächiges Baumsterben und Vergiftung der Böden waren die Folgen, sondern auch schreckliche Fehlgeburten, Verstümmelungen, Behinderungen bei den Kindern der folgenden Generationen, entstellte Gesichter, verätzte Haut, und all das bekommen wir zu sehen. Und dann natürlich die Gräueltaten, die jeder Krieg mit sich bringt: Hinrichtungen, öffentliche Erschießungen, tote Kinder, Massengräber, Babyleichen…. Wir sehen in den Gesichtern der anderen Besucher, dass diese Bilder keinen hier kalt lassen.

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Statistiken von Kriegen mit US Beteiligung im Vergleich.

Gerade im Nachhinein war dieser Krieg ein einziger riesiger Fehler. Wie viele Menschen sind gestorben? Wie viele leben noch heute mit den Traumata, den Verletzungen und den Verstümmelungen, die sich noch über Generationen durch die betroffenen Familien ziehen werden? Alles umsonst. Die USA wurden geschlagen, Vietnam wird heute kommunistisch regiert. Ob es irgendwann eine Welt ohne Krieg geben kann? Diese Frage geht uns nicht mehr aus dem Kopf, gibt uns Hoffnung und bedrückt uns gleichzeitig, als wir das Kriegsmuseum wieder verlassen.

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Wieder in der Stadt.

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Ein leckeres Eis bringt uns auf andere Gedanken.

Im Eiscafé Fanny, das wir bereits aus Hanoi kennen, gönnen wir uns wieder einen super leckeren Eisbecher und einen Kaffee. Währenddessen planen wir unsere Weiterfahrt am nächsten Tag. Wir könnten zwar noch eine oder zwei Nächte mehr im Luxusappartement bei Ashard vertragen (er hätte auch sicher nichts dagegen), aber wir sind bereits seit 12 Tagen in Vietnam und so langsam sollte es weiter gehen, ins nächste Land, nach Cambodia. Wir überlegen uns wie wir am besten fahren, wenn wir gleich wieder in die Süden wollen. Wir wollen wieder an den Strand und dazu bietet sich die kleine Stadt Sihanoukville an, die auch als Startpunkt für Ausflüge zu mehreren Inseln dient. Jedoch lesen wir im Internet unzählige Leidensgeschichten von Leuten, die auf den traumhaft schönen Inseln waren: Alle klagen über Sandflöhe, mit deren Bissen sie sich angeblich noch Wochen nachher herumschlagen. Außerdem sollen die Unterkünfte relativ teuer, dafür aber ziemlich rudimentär und auch selten sauber sein. Darauf haben wir eigentlich keine Lust. Aber nach Sihanoukville können wir ja trotzdem mal fahren. Auch der Stadtstrand soll ganz schön sein und von Flöhen lesen wir hierzu nichts. Jetzt heißt es also mal wieder Transportmittel organisieren. Wir fragen uns bei den verschiedenen Busunternehmen durch, die in dem Touristenviertel Tür an Tür zu finden sind. Nach dem vierten Angebot haben wir einen ganz guten Überblick was die Fahrt so kostet, wie lang sie dauert und wann es losgeht. Wir entscheiden uns für das günstigste Angebot, bei dem es nicht all zu früh losgeht.

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Abendliches Saigon.

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Öffentliche Gymnastikübungen im Park erinnern uns sehr an China.

Mittlerweile ist es Abend geworden und wir fahren mit dem öffentlichen Bus wieder zurück zu Ashard’s Wohnung. Dort ruhen wir, während er im Fitnessstudio ist, dann lädt er uns im hauseigenen Restaurant zum Abendessen ein. Das Essen ist natürlich allererste Sahne und wir schlagen uns die Bäuche voll!

Ashard’s französische Freundin, die gerade für ein Jahr in Saigon studiert, kommt am Abend vorbei und so machen wir uns einen gemütlichen Abend mit einem spannenden Film. Morgen verlassen wir Saigon schon wieder und damit auch Vietnam, das uns vor allem wegen seiner komplizierten Geschichte und seiner scheinbar unerschütterlichen Menschen gefallen hat. Es gäbe noch so viel mehr zu entdecken, aber dafür müssen wir wohl ein andermal wiederkommen.

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