Die Busfahrt von Georgetown nach Kuala Terangganu wird, wie sollte es anders sein, ziemlich kalt. Wir bekommen dieses Mal keine Decken und sind auch nicht die Einzigen, die bei beschlagenen Fenstern bibbern und zittern. Um 2 Uhr erwache ich fröstelnd aus meinem Dämmerzustand. Der Bus steht an einer Raststätte, die Tür ist offen. Warme Luft strömt von vorne ein, dringt allerdings nicht bis zu uns vor, denn die Klimaanlage läuft im Kampf gegen die warmen Luftmassen auf Hochtouren. Es wird stetig kälter. Die Leute im Bus kauern sich auf ihren Sitzen zusammen, versuchen sich notdürftig mit Handtücher zu zu decken. Mir ist das zu blöd, ich flüchte ins Warme nach draußen und suche unseren Busfahrer. Vor dem Imbiss Restaurant stehen mehrere Reisebusse, alle mit laufenden Motoren und frierenden Reisenden, doch unserer ist der einzige mit dick beschlagenen Fensterscheiben. Wo ist unser Busfahrer? Ich sehe mich suchend in dem Restaurant um, überall sitzen Einzelne oder Grüppchen von Männern an Plastiktischen und beäugen mich neugierig. Ganz hinten im Raum sitzt ein dicker Typ vor einer ollen Kasse und wirft mir einen gelangweilt-müden Blick zu. Wo denn bitte der Fahrer dieses grauen Busses da draußen sei, will ich wissen. Mit einer Kopfbewegung deutet er auf einen zweiten Raum, hinter seiner Kasse, in dem ich durch ein offenes Fenster die versammelte Busfahrermannschaft sehen kann. Alle sehen mich gespannt und mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen an. Ich erkundige mich nach dem gesuchten Mann und tatsächlich gibt sich einer der Herren zu erkennen. Vor der versammelten Mannschaft kläre ich ihn über mein Anliegen auf, woraufhin er sich halbherzig beschwert. Seine Kollegen lachen schadenfroh, er erhebt sich schwerfällig und folgt mir aus dem Raum.

Zurück im Bus ist die Klimaanlage mittlerweile kurzzeitig ausgestellt und langsam verdampft das kondensierte Wasser an den Scheiben, wir fallen erneut in leichten Schlaf. Am nächsten Morgen blinzele ich gegen die Sonnenstrahlen, die meine Augen durch das gegenüberliegende Busfenster kitzeln. Die Digitalanzeige über der Windschutzscheibe zeigt sieben Uhr. Ich schiebe den Vorhang zur Seite und sehe, dass wir durch einen Palmenwald fahren. So weit das Auge reicht dicke gedrungene Stämme und Palmwedel. Zunächst bin ich beeindruckt von der üppigen Landschaft, dann fällt mir auf, dass die Palmen mit unnatürlicher Regelmäßigkeit Hänge und Hügel bewachsen. Anscheinend handelt es sich hier um eine der vielen Palmölplantagen, von denen ich schon gelesen habe. Angeblich wurde in Malaysia bereits ein Großteil des ursprünglichen Urwalds abgeholzt, um mit Palmen Öl zu gewinnen. So schön das Bild eben noch war, jetzt deprimiert es mich irgendwie.

Um halb neun erreichen wir den Busbahnhof in Kuala Terengganu, von wo aus wir in das 30 km entfernte Marang weiter fahren müssen. Wir haben schnell einen Bus gefunden und warten bis es um neun dann weiter geht. Uns fällt auf, dass hier alle Frauen Kopftuch und Gewand tragen, ich sehen eine einzige Frau ohne Kopftuch, doch bin mir bald nicht mehr sicher, ob es sich überhaupt um eine Frau gehandelt hat. Der Osten Malaysia ist im muslimischen Land der muslimischste Teil. Für Moslems gilt im ganzen Land das Gesetz der Scharia. Wieder fällt uns auf, dass traditionelle Kleidung vor allem bei Frauen zu finden ist. Ohne erkennbare Ausnahme tragen sie Kopftuch bis über die Augenbrauen, darunter ein langes weites Hemd und darunter dann einen bodenlangen Rock, meist alles im gleichen Druck oder Ton. Männer hingegen tragen Stoffhosen oder sogar Shorts, dazu T-Shirts mit Markennamen, Sonnenbrillen, Käppis, Turnschuhe, worauf sie bei der Hitze eben Lust haben. Ich bin froh, dass ich den Fahrtwind wenigstens durch meine Haare und über meinen Nacken fahren lassen kann, denn auch ich trage hier natürliche lange Schlabberhose und Langarmshirt. Die Hitze ist derweilen bereits unerträglich.

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An der Moschee werden wir abgesetzt.

Um kurz vor 10 werden wir an einer Kreuzung rausgeworfen, von wo aus wir zur Fähre laufen können. An einem Ticketstand kaufen wir eine Return-Ticket auf die Insel, die bereits vom Festland aus gut zu erkennen ist. Die Entfernung beträgt nur sechs Kilometer, der Preis liegt allerdings bei 2,50 Euro pro Fahrt.

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Im Hafen von Marang.

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Wir sind die einzigen Passagiere an diesem Morgen und können uns so auf dem geräumigen Speed-Boot ausbreiten. Es geht wieder auf die Insel! Als wir über das blau glitzernde Wasser sausen senkt sich endlich die Entspanntheit über uns.

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Pulau Kapas ist eine viel kleinere Insel als Ko Phayam. Die eine, dem Festland zugewandte Seite, verfügt über mehrere kleine Sandstrände, die im lockeren Abstand von vielleicht acht verschiedenen Resorts oder Hüttensiedlungen gesäumt werden. Die andere Seite ist unbewohnt und felsig. Ein paar hundert Meter nördlich der Insel liegt Gem Island, eine noch kleinere Insel, die allein dem Standort eines einzigen Resorts dient, dessen Bungalows wir nun im Vorbeifahren betrachten.

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Vor uns Pulaus Kapas, links davon Gem Island.

Als wir den Anlegesteg der Insel erreichen, glitzern im klaren Wasser die Schuppen der vielen kleinen bunten Fische, die um den Rumpf unseres Bootes tanzen. Das Wasser ist so klar, dass wir direkt bis auf den sandigen Grund sehen können. Der Empfehlung von Jeff folgend, biegen wir nach rechts ab und trotten durch den feinen weißen Sand bis ans Ende des Strandes, vorbei an einem Resort und einer Tauchschule, bis wir “Kaptan`s Long House” erreichen. Unter Palmen sitzen an runden Tischen, die aus ausrangierten Schiffteilen zusammen gebaut wurden, ein paar schlanke Malaysier mit nackten Oberkörpern und eine Britin, Natasha, die in Abwesenheit des Chefs (“Kaptan” heißt der)) das Hostel am Strand schmeißt. Natasha führt uns die Stufen zum Haus hinauf, das im Stil eines traditionellen Longhouses, wie es im malaysischen Teil Borneos üblich ist (bis zu 200 Familien wohnen dort unter einem Dach!), gebaut ist. Ein Rundgang führt an den Zimmern entlang, von denen wir eins beziehen können. Im hinteren Teil gibt es zwei Duschen-/Toilettenräume, in der Mitte des Hauses befindet sich der Schlafsaal für Gruppen oder einzelne Personen. Im vorderen Teil sind Hängematten gespannt, Sofas aufgestellt und Zeitschriften und Büche laden zum Stöbern und Lesen ein. Alles ist ziemlich einfach aber auch relativ sauber und wirklich liebevoll und einfallsreich mit Muscheln, Korallenteilen und allem möglichen Bootsmaterial dekoriert. Das Zimmer hat allerdings einen stattlichen Preis: 15 Euro zahlen wir hier pro Nacht. So viel haben wir wohl (abgesehen von den zwei Nächten in Georgetown) noch nie bezahlt. Aber das ist eben der Preis und Natasha ist nicht bereit mit uns zu handeln. Und weil wir nach der langen Fahrt doch ziemlich kaputt sind und auch einfach keine Lust auf Wohnungssuche haben, zucken wir mit den Schultern und nehmen uns vor, in Zukunft wieder mehr zu Couchsurfen.

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Unsere neue Unterkunft.

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Blick auf die Terrasse.

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Die gemütliche Terrasse.

Mit uns im Longhouse wohnen Natashas Eltern, die sie das erste Mal in ihrer neuen Heimat besuchen. Vor allem ihr knubbeliger Vater John amüsiert uns mit seinen täglichen Versuchen die Gesichter der durch die Bäume turnenden Hörnchen zu imitieren, die es ihm so angetan haben. Seine Frau Barbara liegt derweilen im Badeanzug in der prallen Mittagshitze und brät sich im 10-Minuten-Rhythmus täglich eine etwas rötere Haut, die uns mehr und mehr an die eines Brathähnchens erinnert. Zwischenzeitlich wechseln sich andere Gäste ab. Malaysische Reisegruppen kommen und gehen. Ich hätte nicht gedacht, dass Schnorcheln mit Kopftuch möglich ist, aber anscheinend ist es das. Auch im Wasser muss das keusche Outfit stimmen: Lange schwarze Leggins, schwarzes T-Shirt, schwarzes Kopftuch. Dazu immer eine orangene Schwimmweste und die beschlagene Taucherbrille. Männer gehen natürlich oben ohne und mit Badehose, ist ja auch viel angenehmer!

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Strand vorm Longhouse.

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Kleine Fische im flachen Wasser.

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Das Longhouse links verschwindet hinter Bäumen. Rechts sieht man nur die Küche und Bar.

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Abends.

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Christian erwischt leider eine kleine Erkältung. Anscheinend war unser Nachtbus doch ein paar Grad zu kalt und nun hat er dicke Mandeln und Fieber. Zum Glück gibt es bei Natasha frischen Ingwertee und der kann ihn innerhalb von vier Tagen wieder kurieren. Christian verbringt so viel Zeit in der Hängematte im Schatten mit seinen Büchern und auch ich liege viel in der Gegend herum und lese. Am meisten bin ich allerdings von der Unterwasserwelt fasziniert! Leider habe ich keine Unterwasserkamera, ansonsten gäbe es hier viele Bilder von bunten Fischen zu sehen. Da die Insel von Korallenriffen umgeben ist, tummeln sich nur ein paar Meter vom Strand entfernt die unterschiedlichsten Fischarten. Ich sehe gelbe mit hellen Streifen, mit schwarzen Punkten, blaue mi gelben Streifen, leuchtend helle und dunkel blaue, Regenbogenfische, die in pink, grün, blau gleichzeitig leuchten und mir flügelähnlichen Flossen schlagen, lange silberne Fische mit langen Schwertern auf den Nasen, platte Fische mit trompetenförmigen Mündern und verlängerten Flossenspitzen, die sie im Wasser wie Fäden hinter sich her ziehen. Auch die Pflanzen sind farbenfroh: Riesige Muscheln mit blauen, grünen, gelben oder roten Lippen, rote, grüne, gelbe Korallen, ockerfarbene Anemonen, in denen Clown Fischfamilien wohnen, dir mir mutig entgegenschwimmen, wenn ich über ihrer “Wohnsiedlung” schwebe. Ich sehe sogar mehrere mittelgroße Rochen, in schwarz und blau mit gelben Punkten, einen schlanken vielleicht 30 cm langen Riffhai und eine schwarze Moräne, die mich grimmig beäugt. Meine täglichen Erkundungstouren lösen bei mir immer eine Mischung aus faszinierter Euphorie und ängstlichem Beklemmungsgefühl aus. Denn was wenn hinter dem nächsten Felsen ein großer Rochen lauert, wenn aus dem dunklen Blau vor und unter mir plötzlich ein ausgewachsener Hai auftaucht? Sobald mich solche Gedanken ereilen, schwimme ich schnell wieder zurück ans sichere Ufer und warte bis meine Neugier wieder größer ist als meine Furcht und schon schwimm ich wieder über dicht bewachsene und bewohnte Felsen und Korallenriffe dahin oder tauche zu den vielen neugierigen Fischen herunter.

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Gewitter über dem Festland.

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Das Longhouse.

Als ich einmal von einer Schnorchelrunde zurück komme, fragt mich einer der Jungs vom Hostel, ob ich nicht mit zum Schnorcheln fahren will. Es steigen gerade zwei dick eingepackte Malaymädels ins Motorboot, die anscheinend einen Schnorchelkurs gebucht haben. Kurz entschlossen klettere ich ebenfalls in das wackelige Boot. Wir fahren an der Küste entlang bis ans andere Ende der Insel, wo wir zwischen Gem Island und Pulau Kapas Halt machen. Die Jungs werfen Brotkrumen ins Wasser, auf die sich sogleich ein ganzer Schwarm gelber, blauer und gestreifter Fische stürzt. Die Mädels ergreifen sich gegenseitig und rufen erschrocken und verängstigt. Die Jungs deuten mir, ich solle einfach vom Boot aus ins Wasser springen. Gesagt, getan, jetzt werde ich mit Brotkrumen beworfen und um mich herum platschen die glitschigen Fische. Ich ziehe die Taucherbrille an und tauche ab. Sofort befinde ich mich in einer anderen Welt. Ich fühle mich wie in einem riesigen Aquarium. Um mich Schwärme von neugierigen Fischen, die mich umkreisen und mich mit ihren Glupschäuglein und ihren Fischmündchen fragend mustern als wollten sie wissen, ob sie nun noch mehr Brot von mir bekommen. Das Wasser ist hier vielleicht zehn Meter tief, blau und klar. Neben mir wachsen unförmige Felsen empor auf denen es von Pflanzen nur so wimmelt. Diese Unterwasserwelt ist unglaublich, so etwas habe ich noch nie gesehen und ich fühle mich wie eine Meerjungfrau zwischen all den kleinen Fischen, dir mir treu überall hin folgen. Ich habe eine viertel Stunde Zeit die Umgebung zu erkunden, dann muss ich leider wieder zu denen anderen ins Boot, doch ich nehme mir vor hierhin zurück zu kommen. Wir fahren zu Gem Island rüber, wo wir Wasserschildkröten hochheben und streicheln dürfen. Die armen Dinge schlagen verzweifelt mit ihren flügelförmigen Flossen und versuchen uns mit ihren spitzen Mündern zu beißen. Doch ich denke nur an die Welt, die ich eben kurz betreten habe und würde am liebsten zurück ins Wasser. Leider geht es kurze Zeit später schon wieder zurück zu unserem Strand. Als ich am nächsten Tag bis zu letzten zu Fuß erreichbaren Strand laufe und dann das letzte Stück schwimme werde ich allerdings enttäuscht. Gestern Abend hat es das erste richtige Gewitter gegeben und heute ist die See aufgewühlt und das Wasser trüb.

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Am Steg gibt es ein Café, in dem wir ab und zu essen (alles ist ein bisschen günstiger als bei uns) und vor allem das Internet nutzen. Wir suchen uns einen Couchsurfer für Kuala Lumpur und schreiben unzählige Anfragen für Singapur, doch anscheinend sind wir nicht die Einzigen. Wir bekommen vorerst keine Antwort und damit keine Zusage. Die vier Nächte in Singapur könnten ganz schön teuer werden…

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Im KBC hängt die Backpacker Szene ab.

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Gewitter .

Und so geht wieder eine Woche vorbei. Abends betrachten wir das stille Blitzspektakel über dem Festland und uns fällt auf, dass wir nun seit ziemlich genau einem Monat jeden Tag mindestens ein Gewitter erlebt haben.

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Natasha.

Am letzten Morgen verabschieden wir uns von allen und machen uns auf den Weg zum Bootssteg. Zusammen mit einer muslimischen Großfamilie besteigen wir ein großes Speed-Boot. Vor uns liegt die kurze Überfahrt ans Festland, eine ganztägige Busfahrt und dann die Städte Kuala Lumpur, Singapur und Jakarta.

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Am Steg.

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Blick zurück.

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